Fohlen und Mütter- Caya

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Auf dem Parkplatz der Schule hatten sich unsere Wege getrennt. Papa war zurück ins Büro gefahren und Mama und ich würden erst nach Hause fahren, damit ich ein paar Sachen holen konnte, dann würde es weiter nach Lüneburg gehen.

Die Sachen waren schnell zusammengesucht und wir kamen schnell los.

Man sollte vielleicht festhalten, dass meine Mutter anscheinend nicht viel von Geschwindigkeitsbegrenzungen hält. Fast die ganze Fahrt durch telefonierte sie.

"Hallo Laura, canceln sie bitte alle Termine diese Woche" sie telefonierte wohl mit ihrer Assistentin, zumindest war der Name schon öfter im Zusammenhang mit Firmensachen gefallen. "Was ist mit dem Vorstandsmeeting morgen?" "Schieben! Ich habe bis Mittwoch meine Tochter da" man hörte ein Mausklicken "Wie wäre es dann mit Freitagmorgen?" Mama seufzte "Ja. Ja legen sie es auf Freitagmorgen um 10?" "Ich werde die Vorstände benachrichtigen. Tschüss" damit legte sie auf.

Mama seufzte und setzte den Blinker um in eine kleine Allee einzubiegen. "Was ist eigentlich dran an der Sache mit dir und Erik?" fragte sie in die Stille hinein und ich wusste nicht so ganz, was ich antworten sollte. Ich konnte ihre Reaktion nicht so ganz einschätzen. Bei Papa kein Problem, aber bei ihr... keine Ahnung. "Können wir über etwas anderes reden?" fragte ich deswegen etwas unwillig. "Nein. Caya das ist nicht ganz unwichtig, das alles kann dir den Ruf ruinieren und ihm die ganze Karriere. Ich reiße dir schon nicht den Kopf ab, aber ich würde schon gerne die Wahrheit wissen!" Vor einem großen schwarzen gusseisernen Tor bremste sie ab. Geräuschvoll öffnete sich das Tor. Sie fuhr die Einfahrt hoch. "Caya rede mit mir!" forderte sie und hielt direkt vor dem alt aussehenden Gutshaus. Ich seufzte "Ich weiß nicht was es da noch zu reden gibt! Es hat sich doch eh schon jeder seine Meinung gebildet!" "Mein Gott! Caya! Ich will dir helfen! Was ist los?" sie wollte nach meiner Hand greifen, aber ich öffnete schlicht die Autotür und stieg aus. Sie tat es mir gleich. "Gut, dann reden wir später drüber!" ihr Blick sagte mir, wie sehr ich sie mit meiner Reaktion verletzt hatte.

Ich wollte nicht darüber reden. Ich wollte es in mich hineinfressen. Ich wusste das Erik sein Versprechen brechen würde. Er würde nicht zurück kommen! Bis jetzt hatten mich alle Leute immer verlassen, die mir etwas hätten bedeuten können. Angefangen von meiner Mutter.

"Bringst du erst deine Sachen nach oben und kommst dann mit in den Stall?" es war wie eine Frage formuliert, aber es klang mehr wie ein Befehl. Ich nickte einfach und griff nach meiner Tasche. "Treppe hoch, zweites Zimmer auf der linken Seite. Bett müsste schon bezogen sein." sie schloss die schwere Holztür auf und hielt sie für mich auf. Mit schnellen Schritten betrat ich die beeindruckende Eingangshalle mit der breiten Flügeltreppe, wobei zwischen den einzelnen Teilen an einer getäfelten Wand allen Anschein nach ein altes Familienfoto hing. Neugierig trat ich näher.

Es waren fünf Leute zusehen. Zwei ältere Leute saßen auf zwei Stühlen im Vordergrund. Sie hatten etwas aristokratisches an sich. Die Frau hatte die Beine grazil übereinander geschlagen und einen Arm auf die Armlehne des Stuhls gestützt. Ihr Blick hatte etwas kühles und stechendes. Sie strahlte eine Selbstsicherheit und Arroganz aus, aber das konnten sie so gut, wie alle. Der ältere Mann wirkte auch ziemlich elegant und distanziert, als würde er den Betrachter nicht wertschätzen. Die Frau mittleren Alter, die Hinter ihnen stand und die Hände auf beide Stuhllehnen gelegt hatte stand auffallend gerade und wirkte durch ihre zu einem Dutt zusammen gebundenen langem dunklen Haare streng und eiskalt. Links von ihr stand ein junges Paar. Vielleicht Anfang/Mitte 20. Er wirkte recht groß, schlank und knochig, trotz des gut sitzenden hellblauem Hemdes. Ebenfalls eine Erscheinung und kühl wirkend. Man sah direkt auf den ersten Blick, dass die junge blonde Frau neben ihm zu ihm gehörte. Er strahlte etwas aus, dass klar machte dass sie sein 'Besitz' war. Irgendwie Gruselig.

Mama trat neben mich "Befremdlich. Ich weiß." sagte sie ruhig und ließ ihren Blick über die einzelnen Personen gleiten. "Meine Eltern" sie wies auf das junge Paar. "Meine Großmutter väterlicherseits" sie wies auf die Frau mittleren Alters "und meine Urgroßeltern. Leben alle schon seit mindestens 16 Jahren nicht mehr. Schwerer Reitunfall" sie wies auf ihren Vater "Selbstmord" ihre Mutter "Herzinfarkt" ihr Urgroßvater "Das Alter" ihre Urgroßmutter "Krebs" ihre Großmutter. "Das Bild wirkt mit Absicht so einschüchternd. Man musste den Industrieadel ja gebührend darstellen." witzelte sie und wandte sich dann wieder ab.

Später im Stall standen wir an der Box einer Stute mit Fohlen. Ein kleiner Hengst mit wunderschöner brauner Färbung und langen staksigen Beinen. Wir redeten über das Fohlen, die anderen Pferde und über das Gut allgemein. Zu ihrer aktiven Springerzeiten hatte sie es sich zu einem kleinen eigenen Trainingszentrum umbauen lassen, aber jetzt hatte sie sich der Holsteiner und Hannoveranerzucht verschrieben. So standen auch etwas auswärts auf einer Weide ein paar Jungpferde.

Ruhig betrachten wir das Fohlen. Es war angenehm auch mal auf einer komplett privaten Anlage zu stehen. Ohne Kinder die rumschrieen oder Pferdepfleger die nervös durch die Trakte wuselten. Es war bis auf das Schnauben der Pferde und das rascheln des Strohs ruhig.

Mama brach die Stille "Willst du jetzt vielleicht mit mir reden?" Ich presste die Lippen fest aufeinander und sah weg. "Hey Darling" sie fuhr mir liebevoll über die Schulter und nahm mich fest in den Arm "Hat er dir weh getan?" Ich schüttelte den Kopf "Nein, das ist alles einzig und allein meine Schuld." "Warum soll das alles deine Schuld seien?" Mein Blick heftete sich wieder auf das junge Pferd mit seiner Mutter. Schließlich atmete ich tief ein "Naja... Wie soll ich das jetzt erklären?" druckste ich rum. "Wir waren miteinander im Bett, das stimmt. Aber es ging immer von mir aus! Er hat immer versucht mich zu stoppen, aber naja..." ich spürte wie mir die Röte in die Wangen stieg. "Ist schon in Ordnung Caya. Ihr seid noch jung. Da kann man sich schon mal zu so etwas verleiten lassen." "Auch wenn man damit die Karriere von jemandem ruiniert?" Mama lachte "Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sie ihn aus dem Team schmeißen? Die wären doch schön blöd! Ansonsten Kralle ich mir den als neuen Bereiter, denn wenn der Junge eins kann dann reiten." Ich konnte mir sogar vorstellen, dass Mama sich ihn eiskalt, dann als Bereiter her holen würde. "Was macht dir jetzt an der ganzen Sache zu schaffen?" "Ich weiß nicht ob er wieder kommt und ich weiß auch nicht was ich für ihn empfinde" gab ich kleinlaut zu. Ich redete nicht so gerne über so etwas "Ach Cayalein der kommt wieder. Glaub mir! Der wäre so dämlich wenn er es nicht tun würde. So und jetzt gehen wir ausreiten!" beschloss sie und ließ mich wieder los.

In manchen Momenten liebe ich meine Mutter.

DownfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt