Heuboden-Erik

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Ich weiß nicht wann ich diesen Platz entdeckt hatte, aber hier hatte ich meine Ruhe und er war so etwas wie ein Rückzugsort geworden. Wenn ich das Gefühl hatte alles um mich herum würde zu laut werden saß ich häufig hier. Umgeben vom Geruch nach Heu ließ ich meinen Gedanken lauf.

Seit Jonköping ging mir Mama nicht mehr aus dem Kopf und auch Janna hatte sich dort breitgemacht. Das bereitet mir etwas Sorge. Ich könnte meinem Bruder die Beziehung ruinieren. Janna ist für mich eigentlich immer nur eine gute Freundin gewesen und das hatte sich nach der Sache im Stall auch nicht geändert.

Ich hörte jemanden die knarzende Leiter hochklettern. Augenblicklich überlegte ich was ich sagen oder tun sollte falls ich gefragt werden würde was ich hier mache. Die Person war nun oben und schritt über den mit Heu bedeckten schon etwas morschen Holzboden. Ihre Schritte raschelten bedrohlich und dann hörte ich ihre Stimme und dass die Person stehen blieb "Erik?".

Es dauerte nicht lange und Caya ließ sich neben mich auf einen Stapel Heuballen sinken. "Was machst du hier?" fragte sie mit einem unglaublich angenehmen Wohlklang in der Stimme. "Nachdenken" murmelte ich mehr zu mir selbst, als zu ihr da mich ihre Anwesenheit doch etwas nervös machte. Selbst in diesem etwas schummrigen Licht hatte sie eine solche Anziehungskraft. "Über Jonköping, oder?" fragte sie und ihre blauen Augen lagen kurz auf mir. Ich zuckte mit den Schultern. Sie schüttelt daraufhin mit dem Kopf und ihr blonder Pferdeschwanz wippte von links nach rechts. Wie elektrisiert zuckte ich zusammen als sie plötzlich nach meiner Hand griff. Ihre Fingerknöchel umwoben meine und ich spürte wieder ihren Blick auf mir. Ich weiß nicht wieso, aber ich traute mich nicht sie anzusehen. "Rede mit mir" durchschnitt ihre Stimme die eigenartige Stille, die sich wie ein Tuch über uns gelegt hatte. "Worüber?" ich versuchte schroff zu klingen, aber es gelang mir nicht. Es klang traurig und verletzt. Wahrscheinlich weil ich das auch war. Die freie Hand streckte sie aus und fuhr mir Gedankenverloren über die Wange "Über deine Freunde, deine Familie, deine Pferde." Das waren genau die Themen, die ich aus guten Gründen mied. Ich schüttelte den Kopf. Es würde sie schockieren. "Doch!" sie zwang mich sie anzusehen. Ihr Blick sagte mir sofort, dass sie nicht lockerlassen würde. Ich seufzte und gab mich geschlagen "Okay". Interessiert glitzerten ihre Augen und sie schien sich wirklich für mich zu interessieren. Das wunderte mich etwas. Warum interessiert sie sich für mich? "Meine Familie ist so eine Sache..." fing ich an und musste auch sofort schlucken, da sich ein ungutes Gefühl in mir ausbreitete. "Mein Vater interessiert sich nur für meinen älteren Bruder. Er ist sein Augenstern und er macht immer alles richtig. Im Gegensatz zu mir. Dabei war ich immer für Mama da. Sie leidet unter schweren Depressionen und kommt ohne ihre Tabletten nicht durch den Tag. Sie ist abhängig. Weder mein Bruder noch mein Vater wollen das einsehen. Keiner will ihr helfen! Psychologe und Tabletten müssen reichen! Mama muss funktionieren! Immer! Genauso wie ich. Es passt keinem von beiden, dass ich reite und jetzt hier bin. Meinem Vater hat es eh nie gepasst. Es hat mich ehrlich gewundert, dass er mir zum
17. Geburtstag Pete unter der Bedingung ich müsse seinen Unterhalt selber finanzieren kaufte.  Zum Glück bot mir die Reitschule in der ich früher geritten bin an Pete kostenlos unterzustellen sofern ich ihre Schulpferde Korrektur reite und bei der Ausbildung eines Jungpferdes helfe. Alle anderen 'meiner' Pferde gehören irgendwelchen Sponsoren." erzählte ich und sah sie dabei nicht an.

Es herrschte Stille, beängstigende Stille. Dann rutschte sie mit einem mal etwas näher. Ich spürte ihre Wärme und ihre Hand löste sich um meine, nur damit sie unglaublich tröstend die Arme um mich schlingen konnte. Sie sagte kein Wort. Kein Einziges. Es beunruhigte mich.

Ich wollte kein Mitleid. Nicht von ihr. Nicht von irgendwem, aber sie sah mich aus ihren meerblauen Augen an und fragte "Warum hast du nicht früher was gesagt?" Ich presste die Lippen fest aufeinander und murmelte dann mit rauer Stimme "Ich kannte euch alle einfach noch nicht gut genug". Sie nickte verständnisvoll. Ich weiß nicht, aber ich konnte nicht anders und musste sie ansehen. Sie sah mich unschuldig aus ihren schönen blauen Augen an. Da war er dieser eine Moment, dieser Moment in dem ich mich nach ihren weichen Lippen sehnte.

Plötzlich streckte sie sich etwas und ihre Lippen lagen auf meinen. Ein Regen aus Gefühlen prasselte auf mich ein. Ich drückte sie jedoch von mir weg. War es doch falsch was wir hier taten! Es lag so viel Enttäuschung in ihrem Blick. Es war verletzend sie jetzt so zu sehen. Ich atmete tief durch und legte ein Hand an ihre Wange. Der Enttäuschung wich nun Verwirrung. Ich wünschte ich könnte mich ihr entziehen, aber alles an ihr zog mich magisch an. Ihre schönen Augen, ihre leicht geöffneten vollen Lippen und einfach alles an ihr. Vorsichtig beugte ich mir zu ihr runter und küsste vorsichtig ihre Lippen. Ihre Hände wanderten in meinen Nacken und ihre Finger krallten sich in den Stoff meines T-Shirts. Nur wollte ich dieses Mal die Kontrolle behalten und ich hielt es für keine gute Idee es hier und heute in eine Knutscherei ausarten zu lassen. Wieder war ich es der den Kuss beendete. Sie schien daraufhin zu schmollen. Ich konnte nicht anders und musste schmunzeln. Sie warf mir einen vernichtenden Blick zu und lächelte mich im nächsten Moment wieder an "Liebst du mich?". Diese Frage machte mich nervös und ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich spürte wie mir die Röte in die Wangen stieg und mein Herz mir bis zum Hals schlug. Ich wollte den Mund auf machen und etwas sagen, aber mir viel keine Art ein ihr zu sagen was ich fühlte und dachte.

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