Sattelpflege -Mila

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Mit kreisenden Bewegungen arbeitete ich die Sattelseife in meinen Sattel ein. "Also jetzt nochmal von vorne: Du bist wirklich mit einem Vielseitigkeitsreiter zusammen, der aussieht wie ein Polomodel und sagst uns nichts davon, weil du denkst wir würden uns darüber lustig machen?" Jessy blickte von ihrer Trense auf. Ich seufzte und nickte kurz.

Warum wir jetzt hier in der Sattelkammer saßen und unsere Sachen fetteten und nicht bei den Ferienkindern saßen, hatte mit dem Starkregen zu tun der unaufhörlich seit neun Uhr morgens auf den Stall niederprasselte. Mama und Jake machte gerade etwas Theorie mit ihnen und warteten wie wir darauf, dass der Regen endlich nachließ und wir zumindest eine kleine Schrittrunde mit den Ponys und den Kindern gehen könnten.

"Okay. Ich meine Vielseitigkeitsreiter? Wirklich Mila? Gab es nichts besseres?" ich verdrehte die Augen. "Nein. Weil er zufällig schon das 'Beste' ist!" verteidigte ich meinen Freund. Das mittelgroße Mädchen mit den schwarzen Locken hob abwehrend die Hände. "Ist ja schon gut! Maike meinte der wäre wirklich ziemlich hübsch. Also von daher könnte man dir den Vielseitigkeitsreiter verzeihen!" Ich musste lachen. Als ob Aussehen alles wäre. "Was macht dein Freund?" fragte ich. Den hatte ich zumindest beim letzten Lehrgang kurz gesehen. "Och nichts besonderes. Traut sich immer noch nicht auf's Pferd" wir mussten lachen.

"Hast du vielleicht ein Foto?" fragte Jessy als wir uns wieder beruhigt hatten. Ich nickte und ließ den Schwamm sinken. Wenig später scrollt ich durch meine Fotomediathek und hielt ihr ein Foto von Bengt hin. Jessy fiel die Kinnlade runter "Nein! Mila nie im Leben!" "Warum traut ihr mir alle nicht zu so einen Freund zu haben?!" ich warf mit dem Schwamm nach ihr und traf sie an der Schulter. "Naja... passt nicht so ganz zu dir." druckste sie rum und warf den Schwamm zurück. "Ich dachte eigentlich immer einer wie Tom würde ganz gut zu dir passen." Ich schüttelte entrüstet den Kopf "Bleib mir weg mit Tom! Das ist ein Vollidiot!" Jessy seufzte "Aber ein Vielseitigkeitsreiter? Mit dem Aussehen? Bricht der dir nicht das Herz in Rekordgeschwindigkeit?" "Bengt ist so nicht. Der ist wirklich eine treue Seele. Für seine Schwester würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen" das würde ich für Caya wirklich nicht. Sollte es irgendwann mal in irgendeiner Beziehung etwas Kriseln, würde sie versuchen ihr gegenüber eifersüchtig zu machen. "Der hat noch eine Schwester?" Jessy guckte verwirrt. "Ja. Caya kennst du doch!" Jessy schien zu überlegen "Diese Große, blonde oder?" ich nickte. "Wie weit sind die auseinander?" "Fünf Minuten. Zwillinge" Jessy zuckte mit den Schultern.

Da wurde die Holztür zur Sattelkammer aufgerissen. "Na Gnom. Was hat dich denn vom Computer weg geholt?" feixte ich und grinste meinen genervt im Türrahmen stehenden kleinen Bruder frech an. "Du meinst wohl wer! Papa. Und hör verdammt noch mal auf mich Gnom zu nennen!" fauchte der Gnom und schloss die Tür hinter sich. "Nicht so lange du noch in der Pubertät bist!" ich warf ihm einen neben mir liegenden Lappen zu und sah ihn auffordernd an. "Was soll ich damit?!" "Mamas Sattel und Trense fetten!" er verdrehte die Augen ließ sich dann jedoch auf den letzten freien Stuhl sinken und griff nach der Lederpflege.

"Sag mal. Was sagst du eigentlich zu Milas Freund?" Jessy sah wieder von der Trense auf. Der Gnom zuckte mit den Schultern "Ist okay." "Im Klartext du magst ihn? Magst ihn nicht?" warum interessierte Jessy das? "Wenn Mila ihn nicht gerade dazu bekommt mit mir Französisch zu lernen, dann ist er wirklich voll in Ordnung." "Französisch?" "Er und seine Schwester sprechen fließen Englisch, Französisch, Deutsch und Schwedisch." erklärte ich. "Alter! Ich will auch so eine Sprachbegabung!" Jessy hängte ihre Trense beiseite und griff sich eine der Ponytrensen.

Wieder öffnete sich die Tür und Papa stand im Türrahmen. Kaum dass er den Gnom das Sattelzeug putzen sah musste er grinsen "Wenn du willst kannst du bei meinem weitermachen". "Vergiss es!" der Gnom funkelte unseren Vater vorwurfsvoll an. Papa musste Lachen und wandte sich dann an mich "Mila weißt du wann Jo und Caya wieder kommen?" Ich schüttelte den Kopf "Caya hält sich bedeckt was das angeht. Sie würde wohl gerne noch ein paar Tage länger bleiben, aber sie müssen wahrscheinlich wegen Johan schon früher zurück, weil er wohl einen Arzttermin nicht umlegen konnte und Bengt und Cady dürften morgen wieder kommen, weil sie sich die letzten Tage wohl nur gestritten haben" Papa zog überrascht die Augenbrauen hoch "Dabei sah es doch davor immer aus, als würden sie endlich miteinander auskommen." Ich schüttelte den Kopf "Wenn sie nicht dabei war hat Bengt trotzdem ziemlich gegen sie gewettert." erklärte ich. "Dann weiß ich ja wen ich die nächsten Tage öfter bei uns sehen werde. Meinst du Bengt könnte sich morgen mal auf Destiny setzten und gucken ob er den Fehler vorm Sprung rausgeritten bekommt." Ich nickte "Eigentlich schon. Sie müssten gegen Mittag wieder da sein und Bengt wird es sich nicht nehmen lassen Ly morgen selber zu reiten." Papa reckte beide Daumen hoch und wollte gerade wieder los, da fiel ihm wohl noch etwas ein "Ach Mila-Maus kannst du mich daran erinnern Jo anzurufen, sobald er und Caya wieder da sind? Deine Mutter liegt mir jetzt schon wieder wegen einer Reithalle in den Ohren und wir wollen das jetzt eventuell mal angehen." "Reithalle? Finde ich klasse! Ich meine morgen können wir wieder nicht auf den Platz, weil der noch halb Unterwasser stehen wird und nächste Woche geht es aufs Turnier." Papa musste schmunzeln "So ähnlich hat deine Mutter auch Argumentiert. Ich hoffe Jo kann uns da etwas weiter helfen." Dann hob er noch einmal zum Abschied die Hand und schloss die Tür hinter sich.

"Es war der Vorwurfsvolle Blick hundertpro!" meinte der Gnom und ich musste grinsen. "Du kannst immer im trocken Trainieren und deine Tochter und ich müssen uns mit einer Schlammschlacht abfinden, oder was?!?" imitierte er unsere Mutter und setzt einen Blick auf der ihrem vorwurfsvollen Blick sehr ähnlich war. Wir musste lachen und auch Jessy stimmte mit ein.

"Bengt ist dein Freund-Richtig?" Jessy ließ von der Ponytrense ab. Ich nickte. "Caya seine Schwester" wieder nickte ich und der Gnom tat es mir gleich. "Jo und Cady sind jetzt wer?" "Jo heißt eigentlich Johan Joakim Sjögren und ist der Vater von Bengt und Caya" erklärte ich. "Er ist Schwede, einer von Papas besten Freunden und Architekt" ergänzte der Gnom. "Cady Stüwe ist die Mutter von Bengt und Caya." äußerte ich mich zu Cady. "Und eine Persona non grata" ergänzte der Gnom wieder. "Momentmal Sjögren und Stüwe?!?" das und betonte Jessy stark. Wir nickten. "Alter Schwede! Die müssen ja später erben! Die Familien sind doch jeweils Millionenschwer." ihre Augen wurden groß. "Und? Ist unsere Familie auch und merkst du davon was?" fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. "Nein, also wenn man mal außer Acht lässt, dass ihr auf eine Privatschule geht und es klingt wenn ihr über eine Reithalle redet, als ob es um das streichen einer Box ginge..." räumte sie ein und strich sich wieder eine dunkle Locke hinter ein Ohr. "Und warum ist Cady Stüwe eine persona non grata?" Jessy beugte sich neugierig vor und ließ die Trense endgültig sinken. Ich entschloss mich kurzerhand zu schweigen. Es ging sie ja eigentlich nichts an. "Weil sie ihre Familie einfach von heute auf morgen verlassen hat, da waren ihre Kinder erst ein Jahr alt. Dann hat sie sich nach 15 Jahren wieder gemeldet und dachte wohl es würde alles werden, als wäre nichts gewesen."
Meine Freundin zog überrascht die Augenbrauen hoch und meinte "Was ein Bitch-move!"

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