Instagram und Ohrfeigen - Simon

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Ich klimperte gerade gedankenverloren auf meiner Gitarre rum, da klopfte es und Mama lugte in mein Zimmer. "Kommst du mit an den Stall. Jenny ist krank und ich wollte mit Armi ins Gelände. Dann könntest du mich doch mit Fleur begleiten." ich seufzte und legte meine Gitarre beiseite. "Ich setzte mich nicht drauf!" stellte ich sofort klar und ging an ihr vorbei zur Tür. "Ist ja kein Problem. Du kannst ja auch mit ihr spazieren gehen. Dann kommt das alte Mädchen auch noch mal raus."

Wenig später bog unser schon etwas älterer VW auf den Parkplatz des Reitclubs ein. Er sah etwas verloren unter all den teuren Oberklassewagen aus, die ordentlich aufgereiht vor einem weißgestrichenen Holzzaun parkten. Darunter auch ein schwarzer Land Rover mit Lüneburger Kennzeichen und dem Logo eines Zuchtstalls klein auf unteren Ecke der Heckscheibe.

Kaum dass wir über den Vorplatz liefen hörten wir schon zwei Leute sich anschreien. "Lass mich in Ruhe!" schrie eine mir bekannt vorkommende männliche Stimme. "Nein! Du bist mein Sohn. Ich will einfach nur etwas Zeit mit dir verbringen!" schrie eine Frau daraufhin. "Dann stell dich beim nächsten Turnier doch einfach an den Zaun. Schau zu, rede nicht mit mir, nicht mit Caya und nicht mit Papa! Verschwinde einfach wieder!" jetzt wusste ich wer das war. Darauf folgte ein Geräusch als würde jemand umkippen. "Bengt?!? Hey!" da war wohl wer ohnmächtig geworden. Mama rannt los. Ich folgte ihr mit etwas Abstand.

"Kann ich Ihnen helfen?" fragte sie Cady Stüwe, die neben ihrem Sohn auf dem Boden kniete. Die Frau wirkte etwas überfordert mit der Situation, weswegen sich Mama das Handgelenk des Blonden griff und den Puls fühlte. "Etwas zu schnell" murmelte sie und wollte ihr Handy aus der Jackentasche ziehen, da kam wieder Leben in die Mutter von Bengt. "Alles gut. Der kommt gleich wieder zu sich. Es ist meine Schuld dass er sich so aufgeregt hat." sie klopfte sich auf die Brust und meinte erklärend "Herzfehler". "Sind sie sich sicher, dass er nicht ins Krankenhaus müsste?" Mama wirkte verwirrt. "Nein. Muss ich nicht" Bengt war wohl wieder zu sich gekommen. "Sie hingegen muss eher in die Psychiatrie!" er wies auf seine Mutter und stand wieder auf, als wäre nichts gewesen. "Bengt Sjögren!" donnerte seine Mutter daraufhin und sprang ebenfalls wieder auf. "Was? Was willst du jetzt machen?" fragte er überheblich und selbstsicher. Mama sah schockiert zu mir rüber. Ich war ebenso irritiert. Die Hände seiner Mutter zitterten. "Wie wäre es mit wegrennen. Das kannst du doch am besten. Vielleicht noch mit einem Zettel auf dem Küchentisch. 'Es tut mir leid. Ich kann das einfach nicht'" provozierte er sie feinzierlich grinsend weiter. Sie verengte die Augen, stellte sich kerzengerade hin und holte aus. Noch bevor Mama und ich realisieren konnten was da abging, traf ihre Hand mit einem schallenden Geräusch auf seine Wange. Irritiert hielt Bengt sich die gerötete Wange und sah seine Mutter verblüfft an. Auch sie starrte irritiert zurück.

Mama wandte den Kopf zu mir und sah mich schockiert an. Das hatten wir beide nicht erwartet. Danach ging alles ganz schnell. Bengt drehte sich auf dem Absatz um und ging mit schnellen Schritten in den Stall. Seine Mutter machte erst Anstalten ihm hinter her zurufen. Ließ es jedoch bleiben und knickte schließlich ein. "Fuck! That was so...! God damn!" fluchte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

Mama wollte schon etwas sagen, aber die Dunkelhaarige ging mit schnellen Schritten in die entgegengesetzte Richtung.

"Was eine Familie!" Mama wirkte ehrlich etwas verwirrt. Ich nickte und brauchte selbst erstmal etwas um das was gerade abging zu verstehen. "Ich meine er schien zumindest immer ganz in Ordnung, aber sie und ihr Sohn das ist ja schon nicht ganz unheftig.... Hättest du sowas gebracht... Gnade dir Gott!" formulierte sie und schüttelte den Kopf.

Mama sattelte sich Armicello und ich putzte Fleur. Die dunkelbraune Stute brummelte immer wieder beim putzen und genoss die Zuwendung. Dabei schweiften meine Gedanken immer wieder zu Caya. Kam sie auch so schlecht mit ihrer Mutter klar? Wo war sie eigentlich? Ging es ihr gut oder war sie krank?

Ich machte mir Gedanken um sie, obwohl sie mich wie Luft behandelt hatte in letzter Zeit. Liebe ist ein ziemlich dämliches und frustrierendes Unterfangen sofern sie nur einseitig war.

Ich sah zu Mama rüber die gerade noch mit einer anderen Einstallerin redete. Kurzerhand zog ich mein Handy aus der Tasche und checkte ihren Instagram Account.

Sie hatte erst heute Morgen ein neues Foto gepostet. Ein Reitplatz mit aufgebautem Parcours im Nebel vom Pferd aus. Zumindest waren graue Pferdeohren darauf abgebildet. Im Hintergrund sah man noch einen Reiter, dem Sitz nach Springreiter, und ritt am langen Zügel irgendein dunkles Pferd. Er war markiert. @ Eric_Nordin. War ja klar! Jedoch waren auch in einer Ecke drei andere Accounts markiert. @ TeamLundgren und @ TeamSjögren. Team Sjögren irritierte mich und ich klickte drauf. Half mir nur nicht viel Schwedisch kann ich nicht. Nur soviel wusste  ich danach: Der Account berichtete wohl über die tägliche Arbeit mit den Pferden von ihrem Vater und Großvater und auch sie und Bengt waren mehrere Male vertreten.

Ich seufzte und schaltete mein Handy wieder aus.

Das dieser Nordin dabei war machte mich irgendwie rasend. Ich wollte das nicht! Ich wollte nicht dass er um sie war. Jedoch war ich nicht ihr Freund und er war wahrscheinlich genau das was sie haben wollte. Er war genau das was ich nie sein würde. Groß, breitschultrig. Jemand der allein von der Statur her geradezu dazu einlud sich anzulehnen. Diese Tattoos ließen ihn so stark, abgebrüht und gleichzeitig auch so mystisch aussehen. Ich hingegen sehe aus wie der typische Junge von Nebenan. Nichts besonderes. Eben nur etwas was für einen kurzen Flirt reicht und dann seinen Reiz verliert.

Ich sah raus auf den Hof, wo der Wind unbarmherzig über den grau gepflasterten Platz wehte. Schon wieder arbeitete irgendeine höhere Macht gegen mich.

Draußen standen Mila und Bengt dicht beieinander. Sie brachte ihn gerade zum Lachen. Er zog sie daraufhin näher, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und legte ihr seine dunkel blaue Jacke über die schmalen Schultern. Sie lächelte ihn daraufhin zuckersüß an.

Kurz stellte ich mir vor, das wären Caya und ich. Total bescheuert ich weiß. Ich bin nun mal ein Träumer. Ich würde ihr ebenfalls meine Jacke über die Schulter legen und...

"Wollen wir dann?" unterbrach Mama meinen Gedankengang. Gedankenverloren nickte ich und griff mir Fleurs Führstrick während sie sich Armis Zügel griff und mit ihm bis zur Aufstieghilfe ging. Dort schwang sie sich in den Sattel und wir schlugen den Weg in den Wald ein. Mama redete und ich dachte nach.

Wieder überkam mich diese rasende Eifersucht bei dem Gedanken an diesen Post und ich musste schwer schlucken. Fuck it! Ich schwor mir bei Zeiten seine Instagramseite zu durchforsten um zu verstehen was Caya an ihm fand.

DownfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt