Ohnmacht-Bengt

350 23 0
                                    

  Unruhe machte sich in mir breit. Mein Herz schlug mir gefühlt bis zum Hals und ich meinte sogar die Unregelmäßigkeiten beim Schlagen zu spüren. Ich checkte noch einmal, ob alles saß und gurtete nach bevor ich mich in den Sattel schwang. Meine Unruhe fing an sich auf Lysande zu übertragen und der braune tänzelte nervös von einem Bein auf das andere.

Mein Blick wanderte zu meinem Trainer, der war aber mit flirten beschäftigt. "Reit ihn mehr an den Zügel" hörte ich Mama rufen, warf ihr aber nur einen vernichtenden Blick zu. Gut sie war mal Vielseitigkeit geritten, aber das ist Jahrzehnte her! Und außerdem hatte sie mir gar nichts zu sagen. Ich spürte ihren Blick, wie immer unangenehm stechend auf mir während ich meine Kreise über den Abreiteplatz zog und mich langsam einsprang. Ly war jetzt schon voll konzentriert und ich konnte meine Konkurrenten fast komplett ausblenden, ebenso wie die sich langsam anbahnende Atemnot, die mit Sicherheit von der Aufregung kam. Das versuchte ich mir zumindest einreden. Ich parierte durch und versuchte mich kurz nur auf das Ein und Ausatmen zu konzentrieren.

Dabei tat ich so, als ob ich Nachgurten müsste. Es sollte keiner mitbekommen. Sonst machten sie sich nur Sorgen und ich konnte die Geländeteilprüfung die als nächstes Anstand vergessen. Durch das Springen waren wir gut durchgekommen. Jetzt müssten noch Dressur und Gelände klappen und wir hatten Karten eine Teilnahmeberechtigung für die Norddeutschenmeisterschaften der Jungen Reiter zu bekommen.

Ich klopfte Ly den Hals und sah das Caya mich an den Rand winkte. Im ruhigen Schritttempo ließ ich Ly auf sie zu kommen. "Du bist der nächste!", rief sie mir schon entgegen und fasste kaum, dass Lys Kopf auf ihrer Höhe war die Zügel. Sie merkte wohl, dass es mir nicht so gut ging. Im Kopf ging ich nochmal die Strecke ab.

Niedriger Tisch, dreifache, Trakehner Graben, Wall, Piano, Wassereinsprung, Tisch, Wasseraussprung, dann in den Wald rein dort Tempo aufbauen und auf der nächsten Lichtung zurücknehmen....

Chris hatte sich wohl auch von seinem neusten Flirt losgelöst. "Fertig Kleiner?", fragte er grinsend. Ich nickte. "War gerade auf dem Abreiteplatz alles okay?", fragte er irgendwie besorgt. Ich nickte wieder. Papa der jetzt neben uns lief, sah zu Caya rüber, die einfach nur den Kopf schüttelte. "Wirklich?" harkte er deswegen nach. "Ja!" bestätigte ich deswegen bestimmt. "Jo er macht das schon! Es wird nichts passieren" klinkte sich jetzt auch Mama in das Gespräch ein. Er nickte nachdenklich, wirkte jedoch nicht wirklich überzeugt, wie immer, wenn es für mich auf die Geländestrecke geht. Er machte sich immer zu viel Sorgen. Unnötigerweise wie ich finde.

Am Start war alles schon soweit. Ich nahm noch letzte Ratschläge und Glückwünsche entgegen und dann begab ich mich mit Ly an den Startpunkt. Ich war bereit! Nein mehr als bereit. Bei jedem Ton, der beim runterzählen ertönte musste ich Ly zurück halten und beim letzten gab ich ihm die Zügel. Wir legten einen fliegenden Start hin. Den Tisch packten wir ohne Probleme. Am Aussprung aus der dreifachen fing es dann an. Ich hatte wieder mit dieser verdammten Atemnot zu kämpfen. Beim Piano verschlimmerte sich das ganze weiter. Vor meinen Augen verschwamm von jetzt auf gleich alles. Wie gut das ich so ein tolles Pferd habe! Ly meisterte das Wasser ohne Probleme ohne das ich viel tuen musste. Vom Wald bekam ich nicht mehr viel mit. Alles war schwarz.

Langsam kam ich wieder zu mir. Ich musste ein paar mal blinzeln und hörte alles nur wie durch Watte. Was war passiert? Erst jetzt bemerkte ich die zwei Sanitäter, der eine prüfte den Blutdruck, der andere assistierte wohl. Der 'Assistent' blickte hoch von seinem Block und stieß seinen Kollegen an. "Er ist bei Bewusstsein". Was sollte das heißen? Hatte ich das Bewusstsein verloren? Ich sah zu den beiden rüber "Darf ich aufstehen?". "Tut ihnen irgendetwas weh?", fragte der mit dem Klemmbrett in der Hand. Ich schüttelte den Kopf. Mir ging es gut. "An was erinnern sie sich noch bevor sie ohnmächtig wurden?", fragte er weiter. Ich zuckte mit den Schultern "Atemnot und verschwommene Sicht." murmelte ich. Der Sanitäter richtete sich auf und wandte sich an Papa "Unter den Umständen und auch in Anbetracht seines Herzfehlers sollten sie auf jeden Fall heute noch einen Arzt aufsuchen." Papa nickte "Ja das werden wir auf jeden Fall tun" Ich richtete mich auf und fühlte mich immer noch total benebelt. Mein Vater hielt mir die Hand hin, aber ich lehnte ab und sprang schnell wieder auf die Füße, klopfte mir den Staub von der Reithose und tauchte unter dem weißen Absperrband durch. Caya mit Ly am Zügel umarmte mich sofort. Sie zitterte leicht und so auch ihre Stimme "Erschreck mich nie wieder so! Mach so etwas nie wieder hörst du!" sie wollte es wohl laut sagen, aber es glich mehr einem rauen flüstern. Mein Blick wanderte weiter zu Chris, der bei Mama stand und etwas hilflos wirkte. Sie war zu einer Salzsäule erstarrt. Kalkweiß im Gesicht, die Finger so fest in das Absperrband gekrallt, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie zuckte augenblicklich zusammen, als Chris sie an der Schulter berührte. Papa, der zu den beiden getreten war, zog sie in seine Arme. Warum reagierte sie so? Mein Gott ich bin jetzt nicht gestorben!

Mama sprach auf der Rückfahrt kein Wort. Sie stand ganz klar unter Schock. Caya und Papa waren die einzigen, die redeten. Caya ließ mich nicht aus den Augen und ich hatte den Blick sturr aus dem Fenster gerichtet. "Bengt?" Papa zog meine Aufmerksamkeit auf sich. "Wir bringen jetzt erst Ly weg und dann geht's zum Artzt." Ich schüttelte den Kopf "Mir geht's gut!" beteuerte ich. "Das ist mir egal! Wir müssen wissen, was das gerade war" sein Ton sagte mir, obwohl er so ruhig war, dass er keine Widerrede dulden würde. "Es ist nur zu deinem besten, mein Schatz!" meldete Mama sich nun auch wieder zu Wort. Sie suchte Blickkontakt und drehte sich so, dass sie nach meiner Hand greifen konnte. Ich zog meine Hand weg und sah wieder aus dem Fenster.

Ich hatte genug von dem Gelaber! Mir geht es verdammt noch mal gut! Kurzerhand zog ich mein Handy und meine Kopfhörer aus meiner Jackentasche und klickte einfach auf das nächst beste Lied. Ich schloss einfach die Augen und genoss es nun in eine andere Welt gezogen zu werden. Auch wenn ich bei dem Lied an Mila denken musste. Sie würde sich nur Sorgen machen wenn sie davon erfahren würde.  

"She said, "Jump!"
So I said, "How high, pretty little baby with the big,brown eyes?
You don't need them other guys, cause I can be your drug of choice, tonight...""

Joel Faviere - best Idea I ever had

DownfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt