1. "Du tust deiner besten Freundin einen Gefallen?"

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Ein ganz großes Danke an @joooojo für das schöne Cover :) Ich finde es echt großartig *-*

Kapitel 1. "Du tust deiner besten Freundin einen Gefallen?"


Die Augen stur auf mein Handy gerichtet, versuchte ich Annie zu ignorieren, die schon seit Ewigkeiten auf und ab hüpfte. Zudem entgingen mir so die Blicke der anderen Leute am Flughafen, an dem ich nun schon geschlagene zwei Stunden wartete und hoffte, dass die unglaublich nervtötende - in diesem Fall aber erlösende - Stimme, unseren Flug ansagen würde. 

"Annie, ich bitte dich. Kannst du dich nicht einfach hinsetzen und abwarten?" Meine beste Freundin hielt für einen kurzen Moment inne. "Aber ich bin so aufgeregt!", jammerte sie. "Immerhin treffe ich meine Lieblingsband. Wie könnte ich da still sitzen?" 

Augenverdrehend widmete ich mich wieder dem Bildschirm meines Smartphones "Jaja." Ich sah dennoch, wie sie erneut zu zappeln begann.

Ben - mein bester Freund - hatte mir schon fünf Nachrichten geschickt. 

Und? Lebst du noch, oder macht Annie dich mit ihrem Fangirlen noch nicht komplett fertig?
Daniel macht mich schon voll kirre, antworte mir bitte
Euer Flieger geht gleich, melde dich vorher bitte noch mal
Bitte sag mir, dass du noch lebst
Oha, sie hat dich umgebracht!

Daniel, kurz Dan, gehörte ebenfalls zu meinem engsten Freundeskreis. Genau wie Chris, Jess und Mark.

Lächelnd antwortete ich schnell: Ne, noch lebe ich ;) Aber vielleicht nicht mehr lange. Der Flug geht gleich und dann hab ich unsere Annie acht Stunden neben mir sitzen und kann nicht flüchten.
Drück mir die Daumen.

"Warum grinst du so?", fragte meine Freundin, die offenbar bemerkt hatte, dass ich nicht mehr total genervt allem, außer ihr Beachtung schenkte, verwundert. "Ben...", erklärte ich und winkte mit meinem Handy. 

Eine Ansage, die durch die große Wartehalle donnerte, zog sofort meine Aufmerksamkeit auf sich"United Airlines, Flug 922 von New York nach London Heathrow, bitte zu Gate 25." Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht und sie hüpfte vor mir her zu unserem Gate.

Bis wir letztendlich auf unseren Plätzen saßen, musste ich noch Einiges ertragen. Unhöfliche Passagiere, die so schnell, wie nur möglich in den Flieger wollten und mich deshalb grob beiseite schoben, genervtes Personal an den Schaltern und überfreundliche Stewardessen, die uns einen guten Flug wünschten.

Die blauen Ledersitze befanden sich in der zweiten Klasse, direkt am Durchgang zur Ersten. Ich setzte mich auf den Platz neben dem Fenster und Annie ließ sich neben mir nieder.

Es dauerte noch zwanzig Minuten, bis der Flieger endlich abhob. Und sobald wir in der Luft waren und Annie ihre Flugangst vergessen hatte, begannen die Worte nur so aus ihr herauszusprudeln, sodass ich ihr kaum folgen konnte. "Und Harry... Harry ist mein absoluter Favorit von den Jungs.", schwärmte sie und zeigte mir ihren Bildschirmschoner auf dem ein hübscher Junge mit braunen Locken zu sehen war. Auf seinem Kopf war eine Bärchenmütze zu sehen. Wirklich glücklich sah er nicht aus.

"Ich kenne die, Annie. Immerhin kommt man an keinem Kiosk vorbei, ohne ein Zeitungscover mit einem von ihren Köpfen zu sehen.", seufzte ich und schaltete mein Smartphone in den Flugmodus. "Lass die Kopfhörer da, wo sie sind!", zischte sie und ich zog meine Hand wieder aus der Tasche unter meinem Sitz.

"Darf ich wenigstens schlafen? Mein Bruder hat mich die ganze Nacht lang wachgehalten. Mit seinem One - Night - Stand.", gähnte ich und sie nickte genervt. "Matt sollte sich mal andere Hobbys suchen.", beschwerte sie sich. "Sorry, aber er lebt einfach nach dem Motto einmal ficken, weiter schicken.", zitierte ich seine Lebensweisheit und lehnte mich zurück.

"Kaum zu glauben, dass er nur ein Jahr älter ist als du." Ich nickte bestätigend.

Ich denke, dass ich sorglos sagen konnte, dass mein Bruder ein Arschloch war, sobald es um Frauen ging. In seinem Leben war ich die einzige konstante weibliche Person und er schien kein Bedürfnis zu verspüren dies zu ändern.

Jeder Versuch ihn davon zu überzeugen seine Lebensweise zu überdenken, endete damit, dass er am Abend mit einer neuen Bekanntschaft aus der Bar, in der er arbeitete, ankam und sich mit ihr in seinem Zimmer erfreute, das auch noch genau neben meinem lag - in einer Lautstärke, die mit Leichtigkeit durch jede Ohrstöpsel drang.

Auch die letzte Nacht war das so gewesen. Gerade einmal zwei Stunden konnte ich die Augen schließen, bevor mein Wecker geklingelt hatte. Und deshalb fiel es mir nun umso leichter in den Schlaf zu gleiten, das leichte Brummen der Triebwerke wirkte besser, als jedes Schlaflied.

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Jemand rüttelte an meiner Schulter. "Mel, wach auf! Wir landen gleich.", quiekte eine Stimme neben meinem Ohr. Mein Kopf pochte und ich massierte stöhnend meine Schläfen. "Wie lange hab ich geschlafen?", flüsterte ich. 

"Die ganze Zeit!", meinte sie und ich riss erschrocken die Augen auf. "Ich habe fast acht Stunden geschlafen?", fragte ich mit erhobener Stimme und alle drehten sich zu uns um. Ich warf ihnen einen genervten Blick zu und sie schauten wieder weg. 

"Du bist immer so gemein zu allen.", meckerte sie. "Stimmt nicht. Nicht zu den Leuten, die ich mag.", grinste ich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Okay, okay... hast ja Recht."

Als wir ausstiegen wurden wir von Regen empfangen. "Das werden die tollsten zwei Wochen meines Lebens.", murmelte ich sarkastisch und Annie warf mir einen tötenden Blick zu. "Keine Ahnung, was mich dazu veranlasst hat einen Teil meiner ohnehin schon kurzen Semesterferien hier zu verbringen.", seufzte ich und setzte mir die Kapuze meines Jacke auf. 

"Du tust deiner besten Freundin einen Gefallen?", sagte sie mit fragendem Unterton und wir quetschten uns in den viel zu vollen Bus. "Außerdem würden dir die Ferien länger erscheinen, wenn du nicht für zwei Studiengänge zu lernen hättest.", kam sie mir wieder mit diesem Argument. 

Damit lag sie goldrichtig. Für mich stand schon zu einem sehr frühen Zeitpunkte fest, dass ich später einmal Jura studieren würde. Schon seit der fünften Klasse wollte ich Anwältin werden und in nicht mal zwei Jahren wäre ich das auch.

Allerdings spielte ich bereits seit fünfzehn Jahren Klavier, meine Eltern meinten ich hätte eine Begabung dafür und haben mich  - ohne, dass ich davon wusste - schon seitdem ich ganz klein war, beobachten lassen.

So kam es, dass man mir ein Stipendium anbot, das ich eher ungern angenommen habe. Eigentlich nur, um meine Eltern glücklich zu machen. Musik war mir sehr wichtig, keine Frage. Doch ich hatte nie in Erwägung gezogen es zu meinem Beruf zu machen und die Zeit, die ich darin investierte, war mir viel zu wertvoll.

Obwohl meiner Eltern mich so oft enttäuscht hatten, dass sie es nicht verdienten, dass ich mich für sie abmühte, konnte ich nicht aufhören sie stolz machen zu wollen. Es war wie ein Drang. Immer die besten Noten, immer die schnellsten Fortschritte.

Alles, um am Ende doch wieder nur Kritik einzusammeln, ein skeptisches, halb wertschätzendes Nicken und ein "gut, aber beim nächsten Mal machst du es noch besser", bevor sie mich mit meinem zerschmetterten Selbstbewusstsein zurückließen.

Vielleicht war es gar keine schlechte Idee mal das Land zu verlassen und mich auf nichts anderes zu konzentrieren, als mich selbst und die Leute, die mir wichtig waren und von denen ich wusste, dass auch ich ihnen etwas bedeutete.

Hier ist das erste Kapitel  :) 


Und alles begann mit diesem Konzert... | Liam PayneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt