③Swing

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Als ich wieder in meinem Zimmer war, bemerkte ich, dass alles wieder an seinem Platz stand. Das Regal war befüllt, keine Glasscherben von Vasen und einem Spiegel, der für mich aber eh keine Bedeutung hatte, lagen auf dem Boden. Liam brachte mich her und verschwand dann wieder. Ich spürte, dass es ihm wiederstrebte mich alleine zu lassen, aber er war Alpha des RedLake Rudels und musste sich auch um dessen Angelegenheiten kümmern.

Und nun saß ich wieder am Fenster und sog die Kälte der Fensterscheibe in mich ein. Die Erinnerung an Liams Wärme bescherte mir eine Gänsehaut und ich wünschte sie mir zurück. Ich wollte nicht alleine sein, alleine mit meinen Gedanken und dem Schmerz und doch war ich es.

Ich umschloss mein Handgelenk und rieb darüber. Sowohl hier als auch an meinen Knöcheln war die Haut regeneriert und nach Liams Aussage, konnte man fast gar nichts mehr sehen. Es würde dauern, bis alles vollkommen verheilt war. Bis dahin schmückte eine leicht gerötete Haut meinen Körper, die Narben würden bleiben.

»Dakota?«
Clarissa, eine junge Wächterin, die ich als selbstbewusste, starke Frau kennengelernt habe, kam in den Raum und blieb unsicher an der Tür stehen. Nach all meiner Zeit hier nahm ich an, dass wir Freunde waren, doch genau dasselbe hatte ich über Caitlyn gedacht und diese war meine beste Freundin. Bis sie sich von mir distanzierte, nicht mit mir sprach und dann meinen Bruder ohne mich zu beerdigen.

»Wie geht es dir?«, fragte sie und trat einen Schritt vor. Ihre sonst kräftige Aura war einer schwankenden, unsicheren gewichen und hatte auch einen Hauch von Trauer in sich. »Tut mir leid, die Frage ist wohl ziemlich blöd.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wie ging es mir? Ich wusste es nicht.

»Liam hat mir erlaubt hoch zukommen, er scheint langsam zu merken, wie viel du ihn bedeutest.« Sie kam noch einen Schritt zu mir. Verwirrt über ihre Worte drehte ich meinen Kopf weg vom Fenster und zu ihr. »Caitlyn und ich haben schon gedacht, er merkt es nie. Naja jedenfalls hatte ich mir gedacht, ja dass Ablenkung dir gut tun würde. Also ich meine ... Gott Dakota es tut mir so leid, wenn wir nur besser gekämpft hätten, besser gewesen wären als sie ... Es tut mir unendlich leid.«

Meine Lippe begann zu zittern. Es tat mir weh, dass sie sich die Schuld an seinem Tod gab. Es war weder ihre noch die der anderen Wächter, einzig die Rogues sollten ihrer Seele diese Tat zuschreiben.
Sie trat zögern zu mir und setzte sich neben mich. Ihre Hände waren genauso kalt wie meine, als sie nach ihnen griff. »Du solltest nicht alleine sein. Eine Freundin habe ich schon verloren, bitte lass nicht zu, dass du dem Schmerz verfällst. Caitlyn ist nicht mehr dieselbe, man kann gar nicht mit ihr reden, sie ist nur noch auf den Beinen und ich möchte nicht auch noch dich verlieren. Bitte Dakota, wir können ... Musik hören und etwas kochen oder über Sam reden, der hat seine Prüfung als bester abgeschnitten, so wie wir gesagt haben. Einfach etwas zusammen machen, so wie früher.«

Mein Kopf war leer, ich wusste keine Antwort.
»Was ... Was ist mit Caitlyn?«, fragte ich und zuckte beim Klang meiner Stimme zusammen. Sie war nicht mehr wiederzuerkennen, nur noch ein Krätzen. Trotz der Freude darüber, dass ich mit ihr sprach, zuckte auch Clary zusammen. Doch sie fing sich wieder und rutschte unruhig hin und her.

»Ihr geht es nicht so gut, ehrlich gesagt geht es ihr beschissen. Sie isst sehr wenig, schläft noch weniger und trägt sich für alle Patrouillen ein. Liam und sie sind ein paar Mal aneinander geraten, doch geändert hat es nichts. Sogar ihr Vater hat mit ihr gesprochen und verdammt - der Mann hatte beide Arme. Du musst wissen, er hatte seinen einen im Kampf gegen die Rogues verloren und eigentlich wachsen uns doch keine Körperteile nach, oder? Auf jeden Fall hat er mit ihr geredet, obwohl es ja eher ein Monolog seiner Seits war. Sie hört auf niemanden und hat immer diesen irren Ausdruck im Gesicht.«

Blind SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt