⑦You're beautiful

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gewidmet an ersterbenswert

James Blunt - You're beautiful

Liam sprach nicht mit mir. Ich hatte das Gefühl, dass all unsere Fortschritte, alle Annäherungen nie geschehen sind.
Michael hatte Caitlyn aus dem Zimmer gelassen, wobei Liam es ohne Widerstand zuließ. Sie befand sich im selben Haus wie ich, ab und zu lief sie an mir vorbei, doch sie sagte und tat nichts.

Ich fragte mich, ob es das richtige war, diese Entscheidung zu treffen, vor allem ohne Liam. Die Schuldgefühle plagten mich und die Angst verfolgte mich mit jedem Schritt, doch wieso sollte ich etwas rückgängig machen wollen, das für mich richtig erschien. So wie ich es gesagt hatte, meinte ich es auch: Es sollte keiner mehr wegen mir sterben und wenn ich dabei mein eigenes Leben verlor.

»Kota?« Clary trat auf mich zu. Die Veranda knarzte unter ihr und der Wind trug ihren Geruch zu mir. »Willst du mit zum Training kommen?«
Sie ließ sich neben mir auf die Bank nieder und sah mich an. Ihr fragender Blick bohrte sich leicht in mein Gesicht und lenkte mich von meinen eigenen Gedanken ab.

»Was macht ihr denn?«
»Dies und das. Wir müssen doch in Form bleiben.« Ich konnte sie lächeln hören und konnte nicht anders, als ihr zu zustimmen.
»Ja, so als halber Wolf muss man zusätzlich Kraft sammeln. Da hast du recht.«
»Man Dakota«, lachte sie und stand auf. »Du weißt doch, was ich meine.«
Sie griff nach meiner Hand und zog mich hoch.

»Vielleicht nützt es dir ja etwas«, sagte sie, während wir zum Wächterhaus gingen. »Damit du dich in Stresssituationen auch körperlich verteidigen kannst.«
Es war eine allzu willkommene Gabe, andere mit meinem Willen bewegungsunfähig zu machen, doch sobald ich unter Stress stand, verletzt wurde oder durch etwas anderes abgelenkt war, konnte ich dies nicht mehr anwenden. Es war, als hätte man mir keine Erinnerungen und Gedanken daran genommen, wie ich mich wehren konnte.

»Ich werde doch eh nur vermöbelt«, jammerte ich und meinte es auch so. Ich konnte mir sogar sehr gut vorstellen, wie meine Muskeln sich bei mir bedanken würden.
»Jetzt sei kein Angsthase, wir sind Wölfe, da kannst du doch auch einmal die Zähne zusammen beißen und den eingebildeten Schnöseln zeigen, wozu Frauen fähig sind.«

»Meinst du, ich darf da einfach mitmachen? Ich meine, ihr seid ja schon so etwas wie die Elite, da habe ich doch nichts zu suchen.«
»Ach, jetzt hör doch auf, so eingebildet sind wir nun doch nicht. Außerdem bist du die Freundin von Liam, da würden sie dir alles erlauben.«
»Bin ich nicht!«, sagte ich schockiert und stolperte über meine Füße. Ihr Griff um meinen Arm verstärkte sich und bewährte mich vor dem Fallen.
»Natürlich, jeder weiß das.«
»Ich bin nicht seine Freundin, ich bin... Keine Ahnung was ich bin.«
»Du bist Dakota Brookes, einundzwanzig Jahre alt und ein bildhübsches Mädchen, dass einen extrem heißen Typen abbekommen hat.«

Meine Schultern sackten hinunter und meine Füße verharrten. Clary wurde durch mein plötzliches Anhalten irritiert und taumelte.
»Was ist denn?«
Ich wusste, ihre Worte waren nicht böse gemeint und doch trafen sie mich tief. Es war, als hätte eine eiskalte Hand in meine Brust gegriffen und ihre Finger um mein Herz gelegt. Leise sammelten sich Tränen in meinen Augen.

»Oh nein, was ist los?«
Clary legte ihre Hände auf meinen Rücken und zog mich an sich. Ich sackte gegen sie und versuchte zwanghaft keine Träne freizulassen.
»Habe ich etwas blödes gesagt? Bitte sag mir, dass du mich nicht hasst.«
»Es ist nur .... Ich habe keine Ahnung, wie du aussiehst, wie ich aussehe. Ich weiß weder was grün noch rot oder gelb und braun ist. Ich ... ich habe keine Ahnung davon, was ihr seht, aber dabei möchte ich doch nichts sehnlicher als ... als diesen nutzlosen Dinger leben einzuhauchen!«

Ich biss meine Zähne zusammen und runzelte meine Stirn. Clary schob mich von sich und legte ihre Hände auf meine Schultern.
»Ich habe zwar keine Ahnung, wie du dich fühlst oder wie das ist, nichts sehen zu können, aber glaub mir, manchmal wünschte ich mir, ich könnte nichts sehen. Viele von uns sehen Dinge, die wir niemals vergessen werden. Vor Schmerz verzogene Gesichter, Verletzungen und Taten, die man sich nicht vorstellen kann. Und selbst mit der Fähigkeit zu sehen, sehen wir noch lange nicht so viel wie du. Niemand von uns hätte den Wächtern damals helfen können, niemand von uns hätte Caitlyn das Leben retten können. Du siehst indem du fühlst und das macht dich mächtiger als jeder von uns. Es spielt keine Rolle, ob du diese dummen Farben nicht sehen kannst, wozu braucht man die? Es sind unnütze Bezeichnungen für unnütze Dinge, eine Farbe, die doch keine Farbe ist. Du siehst das, was keiner von uns sieht, weil wir von all der Helligkeit und Dunkelheit, von all den Kontrasten und Farben geblendet sind. Wir sind es, die blind sind. Wir sehen nicht, obwohl wir es könnten. Wir machen unsere Augen nutzlos und wissen letztendlich nicht einmal warum.«

Sie griff meine Hand und drückte sie.
»Du weißt, was Schönheit ist. Du spürst sie, die Reinheit und Güte, die Zuneigung und Liebe. Und alles, was man als schön bezeichnen könnte, bist du. Du würdest dich für ein ganzes Rudel, eine ganze Rasse opfern, nur um keinen weiteren wegen dir sterben zu lassen. Du gibst immer alles, zeigt deine Schönheit in allen Formen und weißt selber nicht, wie wunderbar und wertvoll du bist. Selbst ein klarer Diamant wäre nichts im Vergleich zu dir. Du gibst dein Herz und deine Seele, rettest Wölfe und Leben und bist trotz deiner Narben und Erinnerungen wunderschön. Weil genau das dich ausmacht.
Auch wenn du nicht sehen kannst, bist du an Liams Seite wie ein alter Kaugummi. Du gehörst zu ihm, so wie er zu dir gehört. Ihr habt eindeutig zu lange gebraucht, um selber darauf zu kommen, aber lass dir eins gesagt sein: Du bist seine Freundin und niemand anderes, weil ihr Gefährten seid. Und die Mondgöttin hat mal wieder die richtige Entscheidung getroffen, da ihr euch beide ergänzt und vollendet. Du brauchst nicht traurig darüber sein, dass du all diese nutzlosen Dinge nicht sehen kannst. Weil deine Seele dadurch rein bleibt und jeden von uns bereichert.«

Blind SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt