②⑦These are the Moments I remember

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Es war, als würde ich explodieren. All meine Kraft, Kraft, von der ich nie wusste,dass ich sie besaß, drang aus mich heraus.
Plötzlich konnte ich alles spüren. Jeden Atemzug von jedem Wolf, das leichte Tanzen der Blätter im Wind und die Vibrationen in der Erde, die näher kommende Wölfe ankündigten.

Ich spürte es, deutlich und intensiv.
Genauso wie ich Liams leblosen Körper unter meinen Händen spürte. Mein Kopf hatte schon längst ausgesetzt und alles ausgeblendet - und doch spürte ich es.

Ich hatte keine Ahnung, wie ich es tat, aber während ich mich über Liam beugte, streckten sich meine Sinne aus und umschlossen die Körper der Rogues.

Meine Tränen liefen aus meinen vor Schmerz verzogenen Augen heraus. Seine Brust, sein Herz - nichts bewegte sich unter meinen Händen. Kein Atemzug drang aus ihm und ich hörte, nein ich spürte wie die Wölfe um mich herum anfingen zu schreien.

Doch ich interessierte mich nicht dafür. All meine Gedanken, all mein Sein und all meine Sinne konzentrierten sich auf Liam. Auf seinen leblosen Körper, der wie ein trauriger ruf in meinen Armen lag. 

Die Kälte um mich herum, die einsame, eisige Kälte, die Liam zuvor von mir gehalten hatte, er und seine Anwesenheit, drang in mich. Mein Herz, das zuvor im Gleichtakt mit seinem geschlagen hatte, konnte nur noch stolpernde, stockende Schläge von sich geben. Die Luft, die Luft, die er atmen sollte, füllte meine zusammengepresste Lunge und zündete alles in mir an.

Ich wusste nicht, dass ich schrie, dass meine Schreie sich mit denen der anderen vermischte. Erst der Schmerz in meiner Kehle verriet es mir. Mein Mund war geöffnet, heisere, dumpfe Laute entkamen ihm und erfüllte meine Umgebung mit meinem Schmerz.

Langsam, sehr langsam spürte ich seine noch warme Haut an meiner. Ich bekam langsam, sehr langsam wieder mit, was um mich herum passierte. Es sickerte wie der Sand in einer Sanduhr in mein Kopf ein. Nur langsam, sehr sehr langsam.

Meine Finger hatten sich um seine Hände gelegt, meine Knie waren vom steinigen Boden aufgeschrammt, wobei sich einzelne Steine in meine Haut gegraben hatten. Meine Stirn ruhte bebend auf seiner bewegungslosen Brust. Mein Atem, mein stockender, schmerzerfüllter Atem war flach, beinahe schon vergangen.

Es war wie ein Déjà-vu. Alles wiederholte sich, nur fühlte es sich diesmal schlimmer an. Alles in mir war kaputt, zersprungen und selbst Daniels Tod fühlte sich dagegen wie ein leichter Windhauch an. 

Plötzlich änderte sich etwas in mir. Etwas war zerbrochen, für immer, doch mein Schmerz .... es war, als würde die Zeit stehen bleiben. Die Körner der Sanduhr stoppen und ein kräftiger Tornado meinen Schmerz hinfort wehen. Ich spürte ihn noch, diese Leere in mir, dieses dumpfe Gefühl, dass es für mich zu ende war. Dass nichts mehr von mir übrig war. 

Doch da war noch etwas anderes. Es war ... dunkel, aber doch brachte es mir einen Hoffnungsschimmer. Es fühlte sich richtig an, aber ich wusste, ich wusste einfach, dass es falsch war. Aber was konnte ich dagegen tun? Es hatte mich gepackt, mich an sich gerissen und sorgte nun dafür, dass meine Tränen versiegten.

Oh ja, ich spürte es tief in mir. Ich spürte es und wusste, nichts konnte mich aufhalten. Sie hatten mir alles genommen, mir meine Familie entrissen, mir mein Herz aus der Brust gezogen und es in tausend Teile zerspringen lassen. 

Sie wollten, dass ich die Zukunft der Wölfe änderte. Ihnen die Stärke gab, ihnen die Möglichkeit gab, die Hierarchie der Rudel zu zerstören und sich zu erheben. Das wollten sie und dafür hatten sie mir alles genommen. Aber eigentlich haben sie diese Prophezeiung nie verstanden.

Denn wenn sie sie verstanden hätten, hätten sie nichts von all dem getan. Dann hätten all die Wölfe, all die Seelen noch existieren können. Und jetzt wurde es mir klar, in diesem Moment der Stille, der innerlichen Ruhe und Einsamkeit. 

Mein Schmerz war ihrer, aber niemand wollte den Schmerz spüren, den ich in mir trug. Den Schmerz auf sich laden, der Besitz von meinem gebrochenen Herzen erfasst hatte.

Nun hörte ich ihre Schreie, konnte ihre dunklen Auren sehen und ihre schwarzen Seelen spüren. Und die Rache in mir, das schwarze, dunkle Gefühl, sorgte dafür, dass es mir egal war. Ich wollte ihren Schmerz, ich wollte, dass sie fühlten, was ich fühlte.

Meine Hände immer noch in Liams Händen hob ich meinen Kopf, ließ die Tränen über mein Gesicht laufen und spürte meine Kraft pulsieren wie sie es noch nie getan hat. Alles, all meine Gefühle, meine Gedanken und Erinnerungen sammelten sich an einem Punkt. Und dann ließ ich es aus mir heraus.

Später wurde mir gesagt, dass ich geleuchtet habe. Dass helles, sonnen helles Licht aus mir heraus kam und alle Rogues umfasst hatte. Doch ich spürte nur, wie sie alle zu Boden gingen und schreiend versuchten den eindringenden, fremden Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen zu entkommen. Manche kämpften dagegen an, doch diese Stärke in mir zwang sie nieder, bis selbst der letzte unter ihnen wimmernd und flach atmend auf dem kalten, steinernen Boden lag.

Ich wollte ihnen wehtun, noch mehr Schmerzen zufügen. So wie sie es bei mir getan haben. 
Aber dann spürte ich ... es war verrückt, beinahe unmöglich und ich wusste nicht, ob ich es mir einbildete oder es tatsächlich geschah. Eine sanfte, warme Hand legte sich auf meine Schulter und ich hörte jemanden etwas sagen. Es war eine freundliche, wohlklingende Stimme, die sanft in meine Ohren drang.

»Nicht Dakota. Sei nicht wie sie und lass dich von deiner Rache lenken.«
Die Hand wurde wärmer. Es war nicht unangenehm, keineswegs, es war ... tröstend und gab mir das eigenartige Gefühl, ich hätte mein Ziel beinahe erreicht. Als hätte das alles, das Chaos und die Schmerzen auf etwas hingeführt, was mir nie klar gewesen war. Bis jetzt.

»Du liegst richtig, kleine Wölfin. Deine Aufgabe ist erfüllt. Nun liegt es an dir, was du als nächstes tust. Du bist so stark, Dakota, so viel stärker als ich dachte. Es wird Zeit, dass du Frieden findest. Für was du dich auch entscheidest, welchen Weg du auch wählst, ich werde immer stolz auf dich sein, Dakota Brookes.«

»Ich möchte ihn«, hörte ich mich sagen. »Er ist mein Frieden, mein Glück und mein Leben. Bitte, bitte lass ihn nicht gegangen sein.«

»Du weißt um den Preis, kleine Wölfin?« Ich kannte ihn und war mir so sicher wie noch nie. Also nickte ich. »Deine Stärke wird das Vorbild von so vielen sein. Möge der Mond über dich wachen.«

Damit verschwand die Wärme, die Sanftheit und Anwesenheit einer mächtigen, barmherzigen Macht. Und das Herz unter meinen Händen begann wieder zu schlagen.

Die Tränen, die als nächstes über meine Wangen liefen, waren die letzten, die ich als Heilerin verlor. Und es waren die ersten, die mit Liam an meiner Seite aus meinen Augen rollten.

Blind SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt