①⑧She shouldn't

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»Das mit deinem Bruder tut mir leid.« Soranna griff nach meiner Hand und umschloss diese mit ihrer.
Die Aufrichtigkeit ihrer Worte brachten die Tränen dazu in mir aufzusteigen. Die lauten Stimmen um mich herum waren nun Nebensache und die Tatsache, dass alle Wolfe des RedLake Rudels nun an einer Stelle versammelt waren, geriet außer Reichweite.

Soranna war eine freundliche, mitfühlende Wölfin und wird eine wunderbare Mutter für die Zwillinge sein. Selbst jetzt, umringt von so vielen ihrer Rudelmitgliedern, ließ sie die beiden nicht mehr als einen Meter von sich und achtete unter Spannung darauf, dass sie sie im Auge behielt. Die Liebe, die sie zu ihnen verspürte, berührte mich und bereitete mir Freude. Es war eines der schönsten Gefühle, eine solche Liebe zu fühlen. Insbesondere wenn diese sich auf zwei Wesen bezog, dessen Seele durch und durch rein war.

»Mir auch«, murmelte ich und versuchte mich an einem Lächeln, was mir jedoch nur halbherzig gelang. »Ich glaube, Caitlyns Trauer lässt die Wut in ihr brennen. Deswegen kann ich ihr auch nicht wirklich böse sein.«
»Jeder hier, denke ich, würde verstehen, wenn sie am Ende wäre«, antwortete Soranna sachte und ließ meine Hand los. »Aber sich so auf dich zu stürzten, wo du doch den selben Schmerz spürst, ist schrecklich. Ich habe gedacht, dass sie bessere Manieren hat, sich der guten Seele ihrer Mutter als Beispiel genommen hat.«

Nach allem, was mir über Liams Mutter erzählt wurde, war sie eine sehr sympathische Wölfin gewesen, die ihren Kindern Güte und Mitgefühl beigebracht hatte. Davon konnte man nach ihrem Tod nur wenig sehen und Clary hatte mir versichert, dass Liam, bis ich aufgetaucht war, der schrecklichste Mann auf Erden war. Wohingegen Caitlyn die pure Freude ausgestrahlt hat. Es schien so, als hätten sie die Rollen getauscht, was einzig und allein an mir lag.

»Du hattest keine Schuld am Tod deines Bruders«, fuhr sie fort. »Was sie wissen sollte. Es ist eine Schande, dass sie so handelt. Niemals hätte ich so etwas von ihr erwartet.«
»Ich verstehe sie.« Leise atmete ich durch und fühlte die Auren um mich herum. »Ich konnte ihn nicht retten, obwohl ich die Kraft dazu habe. Wenn ich nur schneller gewesen wäre, mich mehr angestrengt hätte ...«
»Es hätte nichts geändert«, sprach sie mit weicher Stimme. »Die Mondgöttin weiß, was sie tut. Als sie entschied, dass seine Zeit unter uns vorbei war, war sein Schicksal besiegelt. Nichts hätte etwas daran ändern können.«

Die Freude darüber, dass es nun Zwillinge unter uns gab, war groß und es fiel mir schwer, gegen all die Gefühle anzukommen. Auch wenn ich tief in mir Trauer empfand und mich schuldig fühlte (ich riss eine Familie auseinander, war am Tod meiner eigenen Schuld), konnte ich diese Gefühlen nicht nachgeben.

Alles um mich herum pulsierte vor Freude, Glück und schien mich zu erdrücken. Es war nicht das, was ich fühlte und doch fühlte es sich so an.
»Alles gut?«, fragte Liam, dessen Atem warm auf meinem Hals entlang fuhr.

Ich spürte die Gänsehaut in mir aufsteigen, wie sie sich auf meiner Haut ausbreitete und mich vollkommen einnahm.
»Ja«, brachte ich atemlos über die Lippen und merkte, wie ich mich zu ihm beugte.

Sein Arm lag plötzlich auf meinen Schultern und zog mich zu sich. Ich ließ es zu und legte meinen Kopf an seine Brust.
»Du lügst.« Vorsichtig strich er meine Haare hinter mein Ohr und legte sein Kinn auf meinen Kopf.
»Es ist alles gut«, flüsterte ich. Ich wollte nicht, dass er sich durch mich ablenken ließ. Er sollte sich keine Gedanken um mich machen, es ging einzig um Soranna und die Zwillinge, das Glück, das uns zu Teil geworden ist.

»Ich mag es nicht, wenn du versucht mich auszuschließen, nur damit ich mir keine Sorgen mache.« Seine Finger malten kleine Kreise auf meiner Schulter. »Ich bin für dich da, egal um was es geht. Du weißt, was ich fühle, aber ich habe nie eine Ahnung, wie es dir geht, da du nie wirklich mit mir redest. Ich bin ein Teil von dir, sollte ich nicht wissen, was dich beschäftigt, damit ich dir helfen kann?«

Ich seufzte leise, drehte meinen Kopf, sodass ich mein Gesicht in sein Oberteil drucken konnte. Sein Geruch füllte meine Sinne aus und ließ mich noch näher an ihn rücken.
»Ich-«

»Warum sitzt sie da?«
Caitlyn Stimme durchschnitt den Lärm und ließ alle anderen verstummen. Ich spürte, wie Liam sich anspannte und merkte auch die Anspannung in mir wachsen.
»Caitlyn«, sagte er warnend und atmete kontrolliert ein und aus.
»Ich will wissen, weswegen sie da sitzt, wo ich sitzen sollte. Da sitzt, wo Mum saß.«

»Caitlyn, ich denke es reicht jetzt«, sagte Soranna ernst. Ich spürte ihre Sorge darüber, dass jeden Moment alles in einem Kampf enden konnte und wusste, dass sie alles daran setzte, dass dies nicht passierte.

»Nein!« Ihr Knurren schwang durch die Luft und ließ einige einen Schwung von Angst ausstrahlen. »Sie sollte dort nicht sitzen! Sie sollt nicht hier sein!«
Ich schluckte hart.
»Ich bin es leid, dass ihr alle so tut, als wäre sie ein Geschenk der Göttin! Als wäre sie nicht Schuld an allem! Sie ist kein verdammter weißer Wolf! Sie ist eine Gefahr für uns alle und sollte endlich zum Schweigen gebracht werden!«

Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, da war Liam neben mir aufgesprungen, während Soranna und Stephan die Zwillinge nahmen und sich vom Tisch entfernten. Stühle wurden umgerissen, Besteckt klirrte und ich konnte das Zerreißen von Klamotten hören. Dies alles geschah innerhalb von wenigen Sekunden und ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Wut, Trauer und Angst schlugen mir entgegen, während Liam und Caitlyn aufeinander losgingen.
Mit flatternden Herzen stand ich auf und hielt mich krampfhaft am Tisch fest.

»Bleib hier!«, sagte Michael, der plötzlich neben mir stand und mich am Arm packte. »Sie müssen das unter sich regeln, sie hat es darauf ankommen lassen. Er wird nicht zu lassen, dass sie so über dich redet. Er muss sie in ihre Schranken weisen.«

Meine Atmung ging immer schneller, es machte mich verrückt, dass ich nur hören konnte, wie sie sich angriffen und anknurrten.
»Es geht ihm gut, Dakota«, beruhigte Michael mich, der meine Sorge anscheinend mitbekommen hatte. »Er wäre nicht Alpha, wenn er mit so einer Kleinigkeit nicht klar kommen würde.«

Vorsichtig zog er mich an sich, doch mein Herz beruhigte sich erst wieder, als es um uns herum still wurde. Dann stockte es, da mir Liams Aura für einen Moment entwich. Panik stieg in mir auf, als ich nur Caitlyn wahrnahm.
»Michael, ist er-«
Ein wütendes Knurren unterbrach mich.

Blind SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt