②④ Never

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Liams POV

Erneut riss ich an den Ketten.
Mein Knurren ließ die jungen Wölfe an der Tür zusammen zucken. Einer der beiden sah verängstigt zu seinem Partner, ehe sein zucken der Blick zu mir ging.

Ich spürte, dass meine Augen nicht dieselbe Farbe beibehielten. Die Gefühle von mit ließen sie von gelb zu grün wechseln, was dem jungen Wolf sofort ins Auge sprang.
Sein Kehlkopf hüpfte aufgeregt, als er hart schluckte und sich schnell wieder von mir abwendete.

Wieder versuchte ich meine Handgelenke von den Ketten zu befreien, die an der Decke des Raumes befestigt waren. Mehr als zwei Stunden hing ich nun wieder hier, meine Füße berührten den Boden nur halb, während sich das Silber in meine Haut brannte.

Doch die Schmerzen, die ich dadurch spürte, waren nicht einmal ansatzweise so qualvoll, wie die, die ich in den letzten Wochen durchlebt hatte.

Als ich in der Nacht, in der Dakota verschwand, aufwachte und sie nicht neben mir lag, hatte sich die Angst langsam durch meinen Körper gezogen.
Ich hatte Tage damit verbracht, den Wald nach ihr abzusuchen, die Fährte des fremden Wolfes zu folgen, der in meinem Zimmer gewesen war. Aber ich hatte keine Anhaltspunkte gefunden.

Es war nicht möglich, doch kein Fetzen eines Geruchs hatte sich im Wald von ihm abgetragen. Ich hatte sie nicht finden können, was ich mir aber nicht eingestanden habe.

Ich habe sie gesucht, jeden Stein umgedreht und jeden möglichen Winkel abgestreift, aber sie war weg.

Als Michael mich endlich gefunden und dazu über redet hatte, mit ihm zurück zum Rudel zu gehen, war schon eine Woche vergangen. Eine Woche, in der Dakota alles mögliche passiert sein konnte.

Zurück beim Rudel ist meine Laune schlechter gewesen, als je zuvor. Ich konnte nur daran denken, dass Dakota nicht bei mir war und warf alle aus meinem Haus, der in meine Nähe gekommen ist.

Ich hatte mein Arbeitszimmer mit Karten von der Umgebung ausgestattet, auf denen ich jeden Punkt weg strich, den ich schon abgesucht hatte.

Der Schlaf hatte einen Bogen um mich gemacht, mein Bett blieb so, wie ich es das letzte mal verlassen hatte - an dem Morgen, an dem Dakota nicht neben mir lag.

Michael hatte mich irgendwann zwischen den Karten gefunden und zur Rede gestellt. Er hatte mitbekommen, dass ich einzig nach Dakota gesucht habe und trichterte mir ein, dass ich mich erholen musste, damit ich sie finden konnte.

Ich hatte ihn nicht geglaubt und war ausgerastet. Der Wolf in mir hatte es nicht mehr ertragen und hatte die Oberhand übernommen. Ohne Dakota war nichts das Selbe.

Die Welt hatte ihre Farben verloren, nichts schien mehr Freude auszustrahlen und selbst die Zwillinge hatten mich wütend gemacht. Wie konnte sie alle fröhlich lachen, während Dakota in der Gewalt dieser Wichser war?

Ich brauchte sie und hatte mich erneut auf die Suche nach ihr gemacht. Alleine und niemand wusste, wo ich war.

Aber der Schmerz in meiner Brust, diese Enge und dieses Ziehen, ist erst verschwunden, als ich Dakota endlich gefunden und gesehen habe.

Auch wenn sie schlimm aussah, was mich enorm wütend machte, konnte nichts mein Gluck bremsen. Ich hatte sie gefunden und würde sie wieder nach Hause bringen. In Sicherheit.

»Ich hätte ja nicht gedacht, dass sie so junge Wölfe an meine Türen stellen würden«, sagte ich und sah speziell den verängstigten an. »Wobei sie doch wissen, wie stark ich bin. Ich bin ein Alpha, da werden mir zwei Wölfe wie ihr es seid wohl kaum im Weg stehen.«

»Halts Maul!«, fuhr der größere von beiden mich an, was mir ein schiefes Lächeln ins Gesicht zauberte. »Du kommst hier eh nicht raus, kein Wolf kommt gegen Silber an.«

»Sehe ich so aus, als würden mir eure kleinen Ketten Probleme bereiten?«, fragte ich und riss mit Kraft an den Ketten. Sie rissen meine Haut auf, das Silber brannte sich immer weiter in meinen Körper. Aber auch die Decke trug Zeichen meiner Kraft. Immer größer werdende Rissen breiteten sich von der Verankerung der Ketten aus aus und ließen mich gehässig zu den beiden Wölfen gucken.

Der ängstliche trat einen Schritt weiter von mir weg und sah ratlos zu seinen Nebenmann.

»Es mag sein, dass du gegen die Schmerzen ankommst.« Der ruhigere Wolf beugte sich spöttisch nach vorne. »Aber dein Herzblatt ist da nicht so stark. Die letzten Wochen haben uns eine heiden Freude bereitet. Ihre Schreie sind durch das ganze Gebäude gehallt. Und für jedes Fehlverhalten deinerseits muss sie zahlen.«

Ich sah ihn mit angespannten Kiefer an. Meine Zähne pressten sich energisch gegeneinander, meine Hände ballten sich zu Fäusten.

Je breiter sein Lächeln wurde, desto größer wurde meine Wut. Mit einem lauten Knurren riss ich die Ketten von der Decke und stürtzte mich auf ihn. Sein Gesicht bekam ein entsetzten Ausdruck, doch mir war das egal.

Innerhalb von Sekunden hatte ich die Meter zwischen uns überwunden und ihn an seinen Hals an die Wand gedrückt.

Seine Finger versuchten meine Hände zu entfernten, er kratzte mich und zog an mir, doch mein Griff war fest und verringerte sich um keinen Zentimeter.

»Niemand«, sagte ich und ging nah an sein Gesicht ran. »Niemand bedroht mich und besonders nicht Dakota, verstanden?«

Er strampelte mit seinen Füßen, wurde immer blasser im Gesicht und flehte mich mit seinen Augen an.

Aber in mir wütete es, jegliche Wut aus den letzten Wochen machten meinen Griff noch fester und ließen mich kälter werden. Es interessierte mich nicht, dass er noch keine zwanzig Jahre alt war.

Oder dass er keine Luft mehr bekam. Ich wollte es und würde ganz sicher nicht aufhören. Sie mussten sehen, was passierte, wenn sie mich bedrohten. Wenn sie Dakota verletzten.

»Liam, Liam, Liam.«
Mein Kopf schnellte zur Seite, ohne dass meine Hand vom Hals des Jungen wegzunehmen.

Andrew stand am anderen Ende des Raumes, Dakota neben ihn. Meine Augen fuhren über ihren Körper und blieben an ihren Oberarm hängen.

Knurrend drehte ich dem jungen Wolf den Hals um (mein Blick nahm ich dabei keine Sekunde von Dakota) und ging dann langsam und lauernd auf Andrew zu.
Seine Hand hatte sich um ihren Oberarm geschlungen und hielt sie an Ort und Stelle. Ihre Haaren fielen ihr losen über die Schultern, filzig umrahmten sie ihr schönes Gesicht.

»Na.« Andrew hob seine freie Hand und wollte damit zum Stehen bringen. Doch ich setzte weiterhin einen Schritt vor den anderen. »Bleib stehen oder sie wird mit einem Arm weniger umher laufen.«

Mein Herz stockte, ebenso meine Füße.
»Na geht doch«, sagte Andrew und lächelte mich überheblich an. »Man muss einfach nur wissen, wie man den Feind unter Kontrolle bringen kann.«

»Oh ich schwöre dir, dein Kopf häng ich mir über meinen Kamin«, stieß ich ihm durch zusammen gebissenen Zähnen zu.

Er lachte und zog Dakota näher zu sich heran. Mein Kiefer spannte sich, wenn möglich, noch mehr an.
»Darauf wette ich. Aber Liam, die liebe Dakota wird dich noch brauchen. Oder besser gesagt, ich brauche dich, damit sie macht, was ich will. Obwohl sie ja schon längst eingewilligt hat, alles zu tun, was ich von ihr erwarte.«

Ich sah Dakota an. Ihr Gesicht war gen Boden gewendet, ihr Gesichtsausdruck war mir verschlossen.
»Dakota?«, fragte ich leise. Es war keine Anschuldigung, ich wollte nur sicher gehen, dass es die Wahrheit war.

»Ich ...« Sie zog ihre Schultern hoch und wandt sich unbehaglich. »Ich würde es nicht verkraften, wenn dir etwas zustoßen würde. Ich kann das nicht zu lassen, ich kann nicht Liam.«

»Es ist schon in Ordnung«, sagte ich und sah nun die Reue und Traurigkeit in ihrem Blick. »Wir finden einen Weg, aus jeder Situation.«

»So rührend ekelhaft das auch ist, wir haben noch etwas vor«, unterbrach Andrew uns und drehte sich mich Dakota um.

»Wenn du mich angreifst, sei dir sicher, dass Dakota nicht überleben wird. Und jetzt komm, langsam werde ich ungeduldig.«

Mir gefiel es überhaupt nicht, wie er mit mir redete. Am liebsten hätte ich ihm den Kopf abgerissen und (so wie ich es angedroht hatte) ausgestopft. Aber Dakotas Sicherheit würde ich ganz sicher nicht aufs Spiel setzen. Niemals.

Blind SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt