»Hallo? Hört mich jemand? Hey!«
Meine gebrochene Stimme hallte von den Steinwänden zurück. Seit ich Liam gesehen hatte, konnte ich meine Gedanken nicht verklingen lassen. Alles in mir schrie nach ihm, nach seiner Nähe, seiner Wärme.»Ich möchte mit Andrew reden! Hallo?« Meine Finger berührten die eiskalte Holztür, die mich von der Freiheit abschirmte. Meine Ohren waren gespitzt, konzentriert versuchte ich ein Geräusch aufzuschnappen. Doch kein Blatt bewegte sich, niemand schien vor der Tür zu stehen.
Langsam strich ich über die Tür bis hin zur Klinke, die ich dann vorsichtig hinunter drückte. Leicht zog ich an ihr. Sie bewegte sich keinen Zentimeter. Frustriert schlug ich mit meiner Faust gegen das robuste Holz, woraufhin meine Haut schmerzhaft zu pulsieren begann.
»Hey! Hallo! Andrew!«, versuchte ich es wieder, doch meine Stimme war zu geschädigt, als dass sie weit zu hören gewesen wäre. Von meinen Gefühlen überwältigt drehte ich mich um und ließ mich mit den Rücken zur Tür auf den Boden fallen. Augenblicklich sog sich die Kälte in mir fest.
Meine Angst um ihn und mich wuchs von Sekunde zu Sekunde. Wenn er hier war, alleine, wussten die anderen nichts von unserer Situation. Sie waren zu weit weg, Liam würde sie mit seinen Gedanken nicht erreichen können. Und das bescherte uns eine Situation, aus der wir unmöglich entrinnen konnten.
Es würde uns niemand helfen können, da niemand wusste, wo wir sind. Ich hatte nicht einmal eine Ahnung, wie dies alles passiert ist. Wie alles dermaßen aus den Rudern laufen konnte, sodass mir die glückliche Zeit, die ich mit Liam und dem RedLake Rudel hatte, wie ein Traum vorkam. Ein Traum, den ich vor langer, langer Zeit hatte.
Eine Faust traf die Tür mit Wucht. Erschrocken fuhr ich zusammen.
»Ich hoffe, du hast einen guten Grund dafür, nach mir zu rufen.«
Andrew machte keine Anstallt in das Zimmer zu kommen, trotzdem stand ich auf und trat von der Tür weg. Steine gruben sich in meine Fußsohlen, die Kälte hielt mich wach.»Was ist mit Liam? Geht es ihm gut? Hast du-«
»Dakota«, fuhr er mich an und schlug erneut gegen die Tür. »Du reizt mich. Wenn du nur wissen willst, was mit deinem kleinen Freund ist, werde ich jetzt gehen. Aber er wird für dein Verhalten bestraft werden.«»Nein, nein!«, rief ich und merkte, wie die Panik in mir hochstieg. Mein Herz schlug schneller, mein Mund wurde trocken. »Ich .... ich will nur wissen, ob mein Handel auch etwas gutes hat.«
»Dakota, wenn du mir jetzt nicht sofort sagst, was du willst-«»Wenn du Liam gehen lässt, ihn und das RedLake Rudel in Frieden lässt, dann .... dann werde ich dir helfen. Ich werde es tun, egal was du willst. Nur lass ihn gehen.«
Es wurde still vor der Tür. Ich hörte nur mein Herz schlagen, schnell und ungleichmäßig.»Wer garantiert mir, dass du mein Herz nicht sofort aufhören lässt zu schlagen, wenn ich ihn gehen lassen? Du kannst es nicht. Wer also, Dakota?«
»Ich werde dir nicht helfen, wenn Liam nicht-«»Ich glaube, du hast die Situation, deine Situation, noch nicht wirklich verinnerlicht«, unterbrach er mich amüsiert. »Du bist nicht in der Lage zu verhandeln. Es ist ganz einfach: Entweder du hilfst mir, spielst nach meinen Regeln oder er wird dafür leiden. Falls du mich umbringen willst, sollte dir klar sein, dass ihn dann ein Silberdolch ins Herz stechen wird.«
Ich begriff nicht, wie er mir die Lage so leicht aus den Hände reißen konnte. Ich war mir so sicher gewesen, dass ich bekam, was ich forderte. Doch ich hatte mich so getäuscht, so sehr.
»Die Forderung ist ganz simpel, lenk ein oder lebe mit der Schuld.«»Aber wer sagt mir denn, dass du das nicht so oder so machen wirst?«
»Dakota«, zischte er nun, gedämpft durch die Tür. »Du hast keine Wahl. Entweder du machst, was ich sage oder du wirst in sterben ... er wird sterben. Selbst er wird ein Silberdolch nicht überleben.«Ich bekam einen stechenden Schmerz in meinen Kopf, der mich am Denken hinderte. Er hatte recht, ich hatte keine andere Wahl. Ich war so dumm gewesen, ohne mein anfängliches verhandel wäre er nicht auf diese Idee gekommen. Aber jetzt hatte er mich da, wo er mich haben wollte. Ich hatte keine andere Möglichkeit als ihn zuzustimmen und das machte mich krank.
Gibt es etwas, das ich ihn entgegenbringen könnte? Nein. Warum zögerte ich also?
Er könnte Liam jederzeit etwas antun, ihn töten. Aber ich wusste nicht, wie ich es verhindern konnte. Meine Chance war verflogen wie die Vögel im Winter.»Was soll ich für dich tun? Wie willst du das Schicksal von so vielen Wölfen verändern?«, fragte ich leise, wobei es sich wie ein Verrat an all den unschuldigen Wölfen anfühlte, die nie wissen werden, was hier passiert ist. Wieso ihr Leben einen Umschwung hinter sich brachte.
»Ist dir klar, was mit Liam passiert, wenn du mir etwas antust?«
»Ja.«
Die Schlösser klackerten, die Tür öffnete sich quietschend. Andrew betrat den Raum und blieb wenige Meter von mir entfernt stehen. Ohne dass ich es gemerkt hatte, war ich bis zur Wand gegenüber der Tür zurückgewichen und drückte mich nun panisch dagegen.»Dann möchte ich dir etwas zeigen, komm mit.«
Ich bewegte mich nicht von der Stelle weg, an der ich stand. Ich wollte nicht mit ihm gehen, nirgendwohin. Ich vertraute ihm nicht, er war nicht mehr der Andrew, der mit Daniel und mir durch den Wald gelaufen ist. Nicht mehr der Andrew mit dem ich Daniel geärgert habe. Es war nicht mehr Andrew.»Dakota«, seufzte er. »Ich glaube, ich muss Regeln aufstellen, damit du auch wirklich das machst, was ich von dir erwarte. Wenn ich sage, du sollst mit kommen und du tust es nicht - wird Liam verletzt. Versuchst du mich zu töten mit deinen Kräften - wird Liam verletzt. Versuchst du mich oder jemand anderen zu manipulieren, damit einer von uns euch hilft - wird Liam verletzt. Kurz gesagt: Wenn du aus der Reihe tanz und meinen Aufforderungen nicht nachkommst, wird Liam dafür bezahlen. Hast du das verstanden?«
Ich war nicht fähig zu sprechen, weswegen ich nur nickte.
»Gut, dann komm jetzt.« Seine Finger umschlossen meinen Oberarm und ungeachtet meiner schuhlosen Füße zog er mich mit sich aus dem Zimmer, dass ich für so lange Zeit bewohnt hatte.
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Blind Soul
مستذئب[zweiter Teil der Blind Serie] {Der erste Teil sollte gelesen werden} Nach Dakotas Verlust, sucht sie einen Ausweg aus ihrer Trauer. Es fällt ihr schwer, jemanden an sich ran zu lassen und einzig Liam Reese, Alpha des RedLake Rudels, kommt durch ih...