Heute war kein guter Tag. Um es bescheiden zu sagen, war er sogar mehr als nur beschissen. Vor mehr als acht Stunden ist er noch gut gewesen, keine Frage. Aber jetzt wünschte ich mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen und Liam davon abhalten die Tür zu öffnen.
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Wenn eine Wölfin Zwillinge bekam, war es Tradition im RedLake Rudel, dass dies mit einer großen Feier bejubelt wurde. Zwillinge gab es nicht oft, sie waren wirklich selten und doch wünschte sich jedes Rudel, dass sie ein Paar als ihr Mitglied bezeichnen konnten.
Sie waren miteinander verbunden, stärker als sonst jemand im Rudel und besaßen körperliche Kräfte, die jeden Alpha um seinen Platz bangen ließ. Einzeln waren sie stark, doch wenn sie zusammen waren, konnte fast nichts sie aufhalten. Das war mit der Grund, weswegen jedes Zwillingspaar schon früh mit dem Training zum Wächter begann. So wurden sie von Anfang an auf ihre Aufgabe, die Wächter anzuführen, vorbereitet.
Es konnte jedoch bei jeder Geburt von Zwillingen zu Totgeburten kommen, bei Wölfen war dies noch ausgeprägter als bei Menschen. Es war einfach so, dass sie ihre Kraft erst außerhalb des Mutterleibes bekamen, mit ihrem ersten Schrei blühte sie auf. Doch wenn sie noch wachsen, sich noch entwickeln und völlig ungeschützt den Gefühlen der Mutter ausgesetzt sind, kann jede falsche Bewegung, jedes falsche Gefühl die animalische Seite der Mutter hervorrufen und die Heilung wir aktiviert. Der Körper möchte sich wie sonst auch regenerieren und sieht das zweite Kind als Überfluss, ein ungewünschter Gast, dessen Versorgung abgekappt wird, damit es das Leben des eigentlichen Nachwuchses nicht gefährdete.
Wölfe waren eigen und ihre Körper kontrollierten sie mehr als ihnen lieb war. Ich kannte das nur zu gut, das Verlangen alle Verletzungen um mich herum zu heilen war groß und viel zu lange hatte ich damit zu kämpfen gehabt, dem Drang zu widerstehen. Doch mit genug Zeit und dem gewissen Willen schaffte man es, wobei Mum immer meinte, Zwillinge wären für mich keine Herausforderung mehr. Ich konnte meine Gefühle und inneren Wolf ohne Probleme kontrollieren, was man von anderen nicht sagen konnte.
Als ich jedoch zusammen mit Liam das Heilerhaus betrat, empfingen uns fröhliche Stimmen und es schien nicht so, als hätte es Probleme gegeben. Während Liam von mehreren Wölfen aufgehalten wurde, zog mich die sanfte Aura von zwei Sellen an, die eine solche Reinheit besaßen, dass mein Herz überquoll. Die Luft blieb mir weg, während mich meine Füße wie von selbst auf eines der Zimmer zutrugen.
Beim Gehen streckte ich meinen Geist aus, berührte die reine Aura und bemerkte, das es zwei vereint zu einer waren. Vollkommen gefangen von den Empfindungen und der reinsten Seele, die ich je gefühlt habe, öffnete ich die Tür und blieb im Türrahmen stehen.
Sofort spürte ich die Blicke der Wölfe im Raum auf mir, Verwunderung und der Beschützerinstinkt des Vaters schlugen mir entgegen, doch nichts brachte mich aus meiner Bewunderung.»Wer sind Sie?«, fragte eine Frau, dessen Stimme freundlich und überaus sympathisch klang. »Gott Stephan, beruhig dich. Sie hätten wohl kaum einen Wolf hierher kommen lassen, der eine Bedrohung darstellt.«
»Aber sieh sie dir an«, sagte er leise, jedoch noch immer hörbar. »Sie ist kein normaler Wolf, vielleicht-«
»Stephan bitte setzt dich hin, du verschreckst sie noch«, unterbrach sie ihn. »Möchten Sie sich die Zwillinge ansehen? Oder sind Sie eine der Schwestern? Kommen Sie doch näher, Stephan wollte Sie nicht erschrecken.«Der Mann knurrte, widersprach ihr jedoch nicht. Ich stand da und brachte kein Ton heraus. Liebend gerne hätte ich die Zwillinge sehen wollen, liebend gerne wäre ich zu ihnen gekommen, jedoch kannte ich das Zimmer nicht und würde es auch nicht bis zu ihnen schaffen. Weil ich blind war.
»Soranne«, erklang plötzlich Liams Stimme hinter mir, ehe seine Hände auf meinen Schultern lagen und seine glückliche Aura den Raum ausfüllte. Ich wollte ihn nicht hier haben, ich wollte die reine Aura fühlen, unvermischt von seiner. Sie war wie der lauwarme Wind im Frühling, die warmen Sonnenstrahlen im Sommer und der Geruch vom Wald. Diese Seele war alles, was man fühlen sollte, sie sollte beschützt werden, ihre Reinheit bewahrt werde.
»Liam! Komm her, komm her!«, sagte sie aufgeregt, bevor das Bett quietschte und die Decke knisterte. Liam nahm meine Hand und ging langsam mit mir zu ihnen. Ich fühlte die Blicke von Stephan und Soranne, wollte nicht näher treten und doch zogen die Zwillinge mich an.
»Stephan, Soranne: Das ist Dakota«, stellte er mich vor und legte einen Arm um meine Schulter. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, alles war verschwommen, einzig diese Reinheit war so lebhaft wie nichts anderes.
»Ich sagte doch, sie stellt keine Bedrohung dar«, sagte sie zu Stephan, ehe sie wieder mich ansah. »Es ist so schön, dich endlich kennen zu lernen. Bei unseren Telefonaten mit Liam hat er vieles von dir erzählt und du bist sogar noch schöner, als er es beschrieben hat.«Es wurde still.
»Eh Soranne, sie-«
»Sie ist blind«, unterbrach Caitlyn ihn kalt, die in diesen Moment den Raum betrat. »Und sollte nicht hier sein. Sie gehört nicht zur Familie. Wird sie nie.«
Liams Wut wuchs, Sorannes Verwunderung drohte überzuquellen und Stephans Achtsamkeit klopfte an meine Schläfen.»Das wusste ich nicht, das tut mir leid«, sagte Soranne an mich gewand, ehe ihr Blick zu Liam und Caitlyn ging. »Was ist los? Wieso sagst du so etwas Cat?«
Diese lachte unfreundlich auf und trat auf das Bett zu. Ich wollte sie am Hals packen, sie aus dem Raum schmeißen, damit sie keine Sekunde länger in Gegenwart der Zwillinge war. Es verwunderte mich, ja erschreckte mich sogar, aber ich wollte die beiden beschützen, sie in Sicherheit wissen und Caitlyn stellte keine Sicherheit dar.»Sie ist Schuld, dass mein Gefährte tot ist. Sie hat ihn umgebracht.«
Liam knurrte auf und drehte sich zu ihr. Sie sollte nicht streiten, keine schlechte Stimmung verbreiten. Das würde den Zwillingen nicht gut tun.»Ich warne dich Caitlyn«, knurrte er drohend. »Noch ein Wort-«
»Und was?«, fragte sie gleichgültig. »Sprichst du wieder mal für sie? Kann sie jetzt auch nicht mehr reden?«
Er trat einen Schritt auf sie zu.»Ich spreche nicht für sie, ich warne dich. Verbreite deine Lügen woanders.«
»Lügen? Das ist keine Lüge Bruder. Das ist die Wahrheit.«
Liam knurrte erneut, woraufhin Caitlyn zurück knurrte. Ich spürte die Wut in mir ansteigen. Sie konnte sagen was sie wollte, mich traf sie mit ihren Worten nicht mehr. Dies war einzig dazu da, Liam aus der Fassung zu bringen und dass sie das ausgerechnet hier machte, brachte das Fass zum überlaufen.Ehe sich die beiden an die Gurgel gehen konnte, hatte ich mich umgedrehte und sie auseinander treten lassen. Für Liam tat es mir leid, aber Caitlyns Wohlbefinden war mir egal. Ich zwang sie dazu, sich Schritt für schritt vom Bett zu entfernen, Liam in den Raum hinein, Caitlyn aus den Raum raus.
»Es ist mir egal, was du sagst«, sagte ich leise zu Caitlyn. »Du kannst tun, was du willst. Aber wenn du das in diesem Haus, dieser Umgebung tun willst, solltest du dir jemand anderen suchen. Ich werde nicht zu lassen, dass du in ihrer Gegenwart solche Dunkelheit ausstrahlst.«
Sie knurrte mich an, zischte und kämpfte gegen den Druck in ihrem Kopf an. Doch ich ließ sie nicht los, hielt sie an Ort und Stelle und wusste selber nicht, weswegen ich so reagierte. Es war mir unerklärlich und doch fühlte es sich richtig an.
Erst als Caitlyn sich nicht mehr wehrte, mir zu zischte, dass sie mich hasste und gehen würde, ließ ich sie los und atmete erst durch, als ihre dunkle Aura vollkommen verschwunden war.
»Okay, was ist hier los?«, fragte Soranne, wobei sie nicht mehr ganz so freundlich klang wie vorhin. »Was ist gerade passiert?«
Liam stand plötzlich wieder neben mir. Ich spürte die Reue in mir, konnte wieder etwas klar denken und wünschte mir, ich könnte das eben an ihm ungeschehen machen.
Es tut mir leid.Seine Hand griff nach meiner, zeigte mir, dass er nicht sauer auf mich war. Langsam trat ich wieder auf ihn zu und fühlte mich erst richtig am Platz, als seine Arme sich um mich legten.
»Dafür brauchen wir etwas mehr Zeit.«
»Ich denke, für diese Erklärung haben wir alle Zeit der Welt.«

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Blind Soul
Werewolf[zweiter Teil der Blind Serie] {Der erste Teil sollte gelesen werden} Nach Dakotas Verlust, sucht sie einen Ausweg aus ihrer Trauer. Es fällt ihr schwer, jemanden an sich ran zu lassen und einzig Liam Reese, Alpha des RedLake Rudels, kommt durch ih...