①Numb

15.5K 940 93
                                    

  Alle Geräusche waren stumpf.
Keine Gerüche erreichten meine Nase und kein einziger Gedanke befand sich in meinen Kopf. Ich fühlte mich leer, innerlich tot. 

 Meine Gefühle nahm ich schon lange nicht mehr war, es war, als befände ich mich neben mir und mein Körper wäre nur eine Hülle. Die Zeit verging, ich konnte unmöglich sagen, wie lange ich nur da saß. Doch es war lange. 
Und so viele Sekunden, Minuten, Stunden auch verstrichen, es wurde nicht besser. Ich hatte geschrien, meine Stimme weiter gequält. Sie bis ans Äußerste gereizt, bis ich nur noch stumm meinen Mund öffneten konnte. 

Tränen waren aus meinen Augen geflossen, sind leise auf meine Hände gefallen, auf den Boden und in meinen Schoß. Doch es wurde nicht besser. 
Ich hatte versuchte meinen seelischen Schmerz mit körperlichen zu überdecken. Hatte meine aufgerissene Haut wieder und wieder davon abgehalten zu heilen, hatte sie mit meinen Fingernägeln wieder aufgerissen und sie noch vergrößert. Es dauerte seine Zeit, bis mich jemand fand. Ich hatte mich eingeschlossen, war orientierungslos umhergegangen und hatte alles, was ich in die Finger bekam, weggeschmissen. Bis jemand die Tür aufbrach, erschrockene Worte rief und versucht mich zu beruhigen. Doch ich trat um mich, brachte lautlose Schrei raus und kratzte mein Gegenüber. 

Ich wollte nicht abgehalten werde, ich wollte den Schmerz mit Schmerz betäuben und einfach nichts mehr fühlen. Er ließ mich nicht los, blieb bei mir und hielt meine Hände an sich gepresst. Ihm war es egal, wie sehr ich ihn verletzte, dass er mit meinen Blut beschmutzt wurde: Er war bei mir und ertrug meine gequälten Schreie und schwachen Versuchen, mich aus seinen Armen zu befreien. 

Das war am Anfang, jetzt saß ich nur noch da und starrte irgendwohin. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben froh, nichts sehen zu können. Die Dunkelheit spiegelte meine Seele wieder, meine zerbrochene, schmerzende Seele. 

Ich hatte ihn verloren. Daniel war für immer von mir gegangen. Niemand würde ihn je wieder lachen hören, ich konnte mich jetzt schon nicht mehr an seine Stimme erinnern. Es war, als würde die Erinnerung an ihn, an sein Wesen, an seine Stimme und all die Dinge, mit jeder Sekunde ohne ihn verblassen. Als würden man sie aus meinem Leben waschen, wie einen schwachen Schmutzfleck.

Meine Hände waren kalt, doch wirklich spüren tat ich es nicht. Ich trug immer noch die Klamotten, an denen Daniels Blut klebte. Sie hatten versucht, sie mir auszuziehen, doch ich wehrte mich - erfolgreich. Sie sollten mich in Ruhe lassen, sie wussten nicht, wie ich mich fühlte. Sie könnten es niemals verstehen. Ihnen wurde nichts genommen, kein Wolf war getötet worden, kein einziger Wolf des RedLake Rudels. Sie alle lebten, strahlten Freude und Hoffnung aus, die mein Herz immer weiter zerbrach. 

Er hatte mir erzählt, das sein einzig mir zu verdanken. Er wusste zwar nicht wie, aber ich hatte sie, die Rogues, kampfunfähig gemacht. Vielleicht sollte ich mich darüber freuen, glücklich sein, dass niemand sonst sein Leben gebe musste. 
Doch ich konnte nicht. 

»Sie lässt niemanden an sich ran. Sie zittert und ihre Wunden verheilen auch nicht. Das Silber befindet sich noch immer in ihrem Körper.«
»Wir müssen es aus ihr raus bekommen, sonst wird es sie töten.«

Ein Hoffnungsschimmer breitete sich in meiner leblosen Hülle aus.
Ich könnte zu meiner Familie, diese schreckliche Welt verlassen und zu Mum und Dad und Daniel gehen. Ich musste nur sitzen bleiben. Sitzen bleiben und abwarten.

»Sie wird nicht sterben!« 
  »Ich weiß, wie du dich fühlst Liam, aber solange sie sich nicht anfassen lässt, können wir es nicht verhindern.«
»Ich werde nicht zulassen, dass sie jetzt geht. Du musst ihr helfen!«
»Das kann ich nicht. Nicht so und das weißt du. Ich muss ihr Blut waschen, damit das Silber aus ihr raus kommt. Aber dazu muss sie ruhig sitzen bleiben und du hast gesehen, dass sie das nicht macht. Sobald sie jemand anfasst, dreht sie durch.«

»Sie wird nicht sterben!«

Vielleicht war es besser so. Wenn ich gehe. Ich wäre frei von allen Gefühlen, frei von allen Schmerz.
Ich spürte ihn neben mir, seine Wärme versuchte auf mich überzugehen, doch sie schaffte es nicht. Er berührte mich an meiner Hand und wollte sie festhalten, doch ich zuckte zusammen und zog sie weg. 
  »Dakota bitte«, flehte er. Abermals griff er nach meiner Hand, diesmal hielt er sie fest umschlossen. »Bitte lass dir helfen. Ich verstehe dich, glaub mich, ich verstehe dich mehr als nur gut. Aber das ist kein Ausweg. Lass dir helfen, bitte. Das Silber muss aus deinem Körper, deine Wunden müssen versorgt werden, solange sie nicht heilen.«

Ich antwortete nicht. Den Versuch, ihn meine Hand zu entziehen, hatte ich schon längst aufgegeben. Ihm schien dies aufzufallen, da er sie nun auch mit seiner anderen Hand umschloss.
  »Bitte Dakota, das würde Daniel nicht wollen. Er würde niemals zulassen, dass du dich so verletzt.«

Tränen flossen aus meinen Augen. Mein Körper bebte, als immer mehr Tränen ihren Weg an meinem Gesicht entlang fanden. Niemand würde ihn mir zurück bringen können, ich war alleine. Ich war die letzte Brookes. Ich sackte in mir zusammen und fiel gegen ihn. Er fing mich auf und drückte mich an sich. 

»Ich werde immer für dich da sein«, flüsterte er und drückte seine Lippen an meine Schläfe. Dann hob er mich hoch und trug mich aus dem Raum. Ich weinte, schniefte und tauchte aus dem Wasser aus. Alles schlug mir entgegen. Aber am stärksten War der Geruch von Dans Blut. 

Ich begann in Liams Armen zu strampeln, versuchte das Shirt von mir zu reißen, doch es wollte einfach nicht kaputt gehen. Es klebte an mir, verdeutlichte mir den Verlust meines Bruders und ließ mich aufschreien. Ich spürte schwach, wie Liam zusammenzuckte, als er meinen  Schrei hörte, doch er drückte mich nur näher an sich.

»Du bist es gleich los.«

Doch ich wollte es jetzt los werden. Es fühlte sich so an, als würde meine Haut unter dem Stoff in Flammen stehen. Ich zog, schrie und wurde dann an meinen Händen festgehalten.

  »Warte, was tust du? Das funktioniert bei uns nicht. Es gibt kein Beruhigungsmittel für Wölfe.« 
»Doch, dieses hier verwahren wir für Wölfe wie Dakota, die .... Dein Vater haben wir auch einmal damit behandelt, als deine Mutter starb.«

Ich spürte ein ziepen, schrie ein letztes Mal auf, voller Schmerz und Trauer, ehe ich in die Dunkelheit fiel. 

Blind SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt