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Adrianas Sicht:

Die Gegend, durch die wir jetzt fuhren, war mir fremd. Hier war ich noch nie.
Die Häuser wurden immer weniger und standen nur noch vereinzelt am Straßenrand. Die Straße wurde unebener und man konnte am Horizont nicht mehr, als Wiesen sehen. Der Himmel war strahlend blau und trug kaum Wolken.
Ich sah still aus dem Fenster und keiner sagte ein Wort. Es herrschte absolute Stille. Man hörte nur das Rauschen des Motors.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir schon fuhren, doch es sah nicht so aus, als wären wir bald da.
Wohin werden wir überhaupt gebracht?
Zur Basis wahrscheinlich nicht, die ist ja zerstört worden.
Immer wieder ruckelte das Fahrzeug, da die Straße, wenn man den Weg noch so nennen konnte, immer unebener wurde.

„Wo genau fahren wir jetzt hin?"
durchbrach ich die Stille.
„Zum Notlager des Militärs. Es liegt weit außerhalb der Stadt, aber ist fast genauso gut ausgestattet, wie die Basis. Das Lager wurde extra für Notfälle errichtet."
erklärte er mir.

Weit außerhalb der Stadt, das konnte man wohl sagen. Wir fuhren jetzt schon gefühlte zwei Stunden.
Kein Wunder, dass sie so lange brauchten, um zu uns zu gelangen.
Mit Hubschraubern wären sie viel schneller gewesen und dann... Ach es hatte jetzt sowieso keinen Zweck mehr sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
Bill war nun mal tot und das konnte jetzt keiner mehr ändern. Ich sollte mich damit abfinden.

Nach mindestens drei Stunden blieb der Wagen endlich stehen.
Ich hatte von weitem schon das riesige Gebäude gesehen, das hier mitten in der Prärie stand.
Es sah eigentlich mehr wie eine riesige Lagerhalle aus und war lang nicht so groß wie die Basis, aber es erfüllte sicher seinen Zweck.
Die Türen unseres Autos wurde geöffnet und ich atmete frische Luft ein.
Zusammen mit den Anderen stieg ich aus und betrachtete meine Umgebung.
Hunderte Autos und Hubschrauber standen auf einem Platz.
Mehrere Soldatentruppen marschierten umher.
Der kühle Wind hier draußen wehte stark, da es nichts gab, was ihn aufhielt.
Er zerrte an meinen Haaren und war auf eine gewissen Weise sehr angenehm.
Doch ich spürte die letzten Tage in meinen Knochen sitzen. Ich war so unglaublich müde und erschöpft und sehnte mich nach einem Bett und einer warmen Mahlzeit.
Seit einem Tag hatte ich nicht mehr gegessen.
Außer ein bisschen Brot und Wasser in Gefangenschaft bei den Terroristen hatten wir nichts.
Ich sah zu Connor, der direkt neben mir stand.
Auch er sah total niedergeschlagen aus.
Doch trotz der Augenringe und dem, vom Wind zersausten Haar, sah er immer noch gut aus.
Wie kann man bitte nach alldem, was wir durchgemacht hatten, immer noch so verdammt heiß aussehen?

Von dem Lager kamen nun mehrere Soldaten heraus, gefolgt von dem Colonel.
Er hatte ein Lächeln im Gesicht, als er uns erblickte, doch sein Blick wirkte noch immer ernst.
„Connor, Adriana. Mensch, ist das schön euch zu sehen."
Er nahm Connors Hand und klopfte ihm begrüßend auf den Rücken.
Mir jedoch nickte er nur mir einem Lächeln zu.
Jaja, schön uns zu sehen.
Von wegen.
„Kommt. Ich glaube ihr braucht jetzt sicher etwas zu Essen und ein Bett."
Und eine frische Dusche.
Er und ein paar weitere Soldaten führten uns in das Innere des Lagers.
Dort war genau so viel Trubel, wie in der Basis, wenn nicht sogar mehr.

Tausende Soldaten marschierten durch die Gänge.
„Wir gehen erst einmal Richtung Krankenstation, um euch durch zu checken." teilte uns der Colonel mit.
Er führte uns durch die verschiedenen Abteile  bis wir zur Krankenstation kamen.
„Ich werde euch danach jemanden schicken, der euch eure Zimmer zuteilt. Entschuldigt mich, ich muss noch was erledigen." verabschiedete sich der Colonel und marschierte mit den anderen zwei Soldaten ab, die uns begleitet hatten.

Ich und Connor betraten die Station. Es war kein besonders großer Raum.
In der Mitte stand eine Liege und darüber eine Lampe, wie bei einem Operationssaal.
Zwei Ärzte waren anwesend und wiesen uns gleich darauf hin, uns auf die Liege zu sitzen.
Unser Blutdruck und die Reflexe wurden gescheckt.
Sie untersuchten unsere Körper nach schweren Verletzungen ab, doch bis auf ein paar Schrammen und blaue Flecken waren wir unversehrt.
Doch zur Sicherheit wurde uns noch Blut abgenommen und ins Labor geschickt.

„Ihr könnt bis auf weiteres auf eure Zimmer gehen. Wir sind fertig." informierte uns der eine Arzt und wir verließen das Zimmer.
Als ich sah wer auf uns wartete, konnte ich meinen Augen kaum trauen.

Dort stand Lucas und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Er hatte schwarze Schatten unter den Augen und sah müde aus, aber dennoch war seine Freude nicht zu übersehen.
„Scheiße Adriana, bin ich froh dich lebend zu sehen." er kam auf mich zu und schloss mich in eine Umarmung.
Auch ich drückte ihn fest.
Dass ich ihn nochmal sehen durfte.

„Ist Daniel auch hier?" fragte ich nachdem sich Lucas von mir löste.
„Ja, er wartet bereits im Zimmer mit frischer Kleidung."
Also hatte er auch überlebt.
Die Beiden waren mir so ans Herz gewachsen und ich wusste nicht mal wieso.
Ich habe sie keine drei Tage gekannt. Ich glaube es ist einfach, weil sie das gleiche Schicksal wie ich teilten.
Erst jetzt fiel mir auf, dass Lucas eine Soldatenuniform trug.
„Bist du jetzt ein richtiger Soldat?"
Er nickte.
„Daniel auch. Wir haben unsere Ausbildung abgeschlossen und wurden offiziell zu Soldaten ernannt." Er wollte stolz klingen, doch sein Blick sagte mir, dass er nicht so erfreut darüber war. Konnte ich auch verstehen. Wir wollte schon freiwillig Menschen töten?

„Ich will euer Gespräch ja ungern unterbrechen, aber ich würde jetzt gerne auf mein Zimmer." räusperte sich Connor.
Er musterte Lucas etwas kritisch, der jedoch nickte nur lächelnd und führte uns wieder durch tausend Gänge.
Unser Weg endete in einem Abteil mit mehreren Türen.
Er führte uns zur letzten, wo uns Daniel schon lächelnd empfang.
Auch er hatte Augenringe und sah alles andere als ausgeschlafen aus.
Anscheinend waren die letzten Tage für alle nicht leicht gewesen.
„Mensch Adriana, es ist ein Wunder, dass ihr noch lebt."

Auch er schloss mich in eine kurze Umarmung und nickte dann Connor lächelnd zu.
Dieser jedoch nickte nur mit einem düsteren Blick.
Wieso mag er die beiden nicht?
Daniel legte seinen Arm um Lucas.
„Wir zwei dachten schon wir würden
dich nie wieder sehen."
„Glaubt mir. Das dachte ich auch."
Ich musste breit grinsen.

„Also zu euren Zimmern... Oder besser gesagt Zimmer. Ihr müsst, aufgrund des Platzmangels, zusammen in eines. Aber keine Sorge ihr habt getrennte Betten und frische Sachen liegen im Schrank."

Ich zusammen mit Connor in einem Zimmer. Na, das konnte ja heiter werden.

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