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Es war kalt.
Es war düster.
Am Himmel zogen Wolken vorbei, die von dem eiskalten Wind angetrieben wurden.
Ich kuschelte mich in meinen dicken schwarzen Mantel und vergrub meine Nase im Schal.
Meine Hände waren eiskalt und ich bließ immer wieder meinen warmen Atem in sie hinein, aber es half nur kurzeitig und dann fühlten sie sich wieder an wie eingefroren.
Irgendwann nahm Connor einfach meine Hand und umschloss sie mit seinen warmen Händen, bevor er meine Hand in seine Anzugtasche steckte und sie dort mit seiner umschloss.
Wie konnten seine Hände bei der Kälte nur so warm bleiben?

„Daniel war nicht nur ein verdammt guter Soldat. Er war auch ein Freund und ein Held. Er hat mir das Leben gerettet und mit seinem eigenen bezahlt.
Er war mein Schutzengel und derjenige, dem ich mein Herz geschenkt habe. Er war für mich mehr wert, als alles andere in meinem Leben und hat mir all das gegeben, was ich verloren hatte.
Liebe, Geborgenheit und eine Familie.
Ich hoffe du kannst nun deine Familie wieder sehen und bist jetzt endlich befreit, von dieser grausamen und kaputten Welt. Ich liebe dich, Daniel.", beendete Lukas unter Tränen seine Grabesrede für Daniel und damit die gefühlt hundertste Rede, die heute für einzelne Soldaten vorgetragen wurden.
Sie war zwar kurz, aber das reichte, um mir Tränen die Wangen runterlaufen zu lassen.
Daniels Familie kam vor Jahren bei einem Terroranschlag ums Leben und außer uns kannte ihn niemand.
Genauso wie Lukas und viele andere Soldaten, die hier heute begraben wurden.
Es hatte keine drei Woche gedauert, bis die Beerdigung vor der Tür stand.
Als wir vor fast vier Wochen zurück zur Basis kamen, wurden wir sofort in Zimmer gebracht, versorgt und lagen erst ein mal ein paar Tage flach.
Der Präsident persönlich hat mit jedem von uns gesprochen und seinen ergiebigsten Dank und sein Beileid ausgesprochen und die Beerdigung so schnell wie möglich organisieren lassen.
Er meinte wir wären die Helden Amerikas, aber ich fühlte mich nicht so.
Ich fühlte mich wie eine einfache Bürgerin, die durch Zufall in diesen ganzen Scheiß hineingeraten war und Dank tausend Schutzengel wieder lebend rausgekommen war.
Und ein paar dieser Engel, waren Connor, Bill, Lukas und Daniel.
Und zwei davon sind nun tot.
Deshalb kann ich mich nicht wie ein Held fühlen. Denn ich habe diese Schuldgefühle, diese beißende Angst und Trauer, sowie diese schrecklichen Bilder, die ich nie mehr aus meinem Kopf bekommen werde.
Und ich weiß, dass ich nicht die einzige bin.
Zwei Mitgefangene in dieser dunklen Gefühlswelt stehen neben mir, auf einer Beerdigung tausender gefallener Helden, und starren mit leerem Blick den Präsidenten an, der nun das Wort erhob und zu der Menge aus Angehörige und Freunde der Opfer dieses Krieges sprach.

„Dies hier alles waren Krieger.
Krieger, die für ihr Land in die Schlacht zogen und sie auch für uns beendeten.
Einige von ihnen stehen hier direkt vor mir." begann der Präsident seine Rede und sah dabei zu Connor, Lukas und mir und den anderen überlebenden Soldaten des Militärs, die in unserer Reihe standen.
„Ich bedauere den Verlust sehr und jeder von ihnen wird in unseren Herzen weiterleben und niemals in Vergessenheit geraten. Wir haben dunkle Stunden und Tage erlebt, die sie versucht haben mit ihrem Leben zu erhellen. Und auch wenn wir im Moment nur Wolken sehen, haben sie doch für ein Licht gesorgt, das irgendwann zu Tage treten wird und unsere Gesichter und den Boden unseres Landes erstrahlen lassen wird. Und an diesem Tage werden wir an sie zurück denken und ihnen für das danken, was sie uns ermöglicht haben. Denn sie waren Helden.
Mein herzlichstes Beileid an jeden hier Anwesenden." mit diesen starken und wundervollen Worten schritt der Präsident von dem Podest.
Connor drückte meine Hand, die er noch immer in seiner Tasche wärmte, und als ich zu ihm aufsah, erkannte ich, dass ich nicht die einzige war, die weinte.
Eine einzelne Träne verließ Connors Auge und rann seine Wange hinab, während er starr auf den Priester starrte, der wieder auf das Podest trat.

„Lasst uns nun eine Schweigeminute für alle gefallenen Soldaten, Freunde und Familienmitglieder einlegen."
Und nun stand für eine Minute die Welt still. Zumindest kam es einem so vor, denn es war wortwörtliche Stille eingekehrt. Sogar das Schluchzen und Schniefen aus der Menge hatte für diese Minute aufgehört und das einzige was man hörte, war der pfeifende Wind.
Und dann war die Minute vorbei und die Trauerfeier offiziell mit einem Kreuzzeichen und einem "Danke" des Priesters beendet.
Viele machten Anstalten zu gehen und verließen den riesigen Platz oder stellten sich zu den Gräbern ihrer Verstorbenen, auf denen noch nicht mal Kreuze standen, da sie noch nicht rechtzeitig aufgestellt werden konnten.
Anstelle dessen waren die Gräber nur mit provisorische Schildern, auf denen die Namen der Opfer standen, versehen.

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