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Mein schöner Schlaf hielt nicht lange an. Unsanft wurde ich durch ein Husten aus meiner Traumwelt gerissen.
Ich musste etwas blinzeln, um zu realisieren, wo ich gerade war.
Connor schlief dicht neben mir und hatte einen Arm um mich gelegt. Am liebsten würde ich diesen Moment jetzt genießen, Connor so nah bei mir zu haben, doch nicht wen irgendwer vor Husten fast erstickte.
Endlich begriff auch mein Gehirn, das vom Schlaf noch ganz benebelt war, dass das Husten von Bill kam.

Ich schreckte hoch und war sofort hell wach.
Ich hätte mir sonst nichts dabei gedacht, allerdings hörte sich dieses Husten nicht gut an und er hörte nicht mehr auf. Ich muss sofort nach ihm sehen.
Ungeschickt wand ich mich unter Connors Arm hervor und kletterte zu Bill.
Die Lampe des Ganges, direkt über ihm, tauchte ihn in ein grelles Licht indem die vielen Schweißperlen glitzerten, die sich über sein ganzes Gesicht zogen. Er war klatschnass und das Haar klebte an seiner Stirn.
Außerdem hustete er immer noch ununterbrochen.
Warum hustet er soviel? Was ist mit ihm los?
Ich muss irgendwas tun. Nur was?
Mir fiel der Erste-Hilfe-Kasten ins Auge, der noch immer offen neben Bill lag. Ich kramte ein Tuch heraus und tupfe damit Bills Stirn ab.
Er glühte förmlich.
Warum glüht er? Was ist nur mit ihm los? Vor allem, was mache ich jetzt?
Plötzlich krümmte er sich zusammen und bekam einen heftigen Hustanfall.
Es hörte sich widerlich an.
Als würde er kotzen und dabei fast ersticken.
Meine Sorge um ihn stieg weiter an und ich wurde immer angespannter.
Gerade hatte er sich wieder beruhigt und nahm seine Hände von seinem Mund.
Doch was ich dann sah, raubte mir den Atem.
An seinen Händen und an seinen Lippen war Blut. Er hatte Blut gehustet!

Heilige Scheiße, wieso hustet er Blut?
Verdammt, verdammt. Was mach ich jetzt? Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut.
Connor war nun auch aufgewacht​.
Als er mich sah, sprang er sofort auf und musterte Bill kritisch.
„Was ist passiert?" seine Augen vergrößerten sich, als er das Blut sah.
„Ich weiß nicht. Auf einmal fing er an stark zu husten. Es wurde immer schlimmer und jetzt hustet er Blut. Connor er hustet Blut." schrie ich wie eine hysterische Verrückte.
Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Schnell zog Connor mir das Tuch, das ich krampfhaft festhielt, aus der Hand und wischte ihm das Blut von Lippen und Händen ab.
Vor Schreck fuhr Bill herum und blinzelte uns aus halb geschlossenen Augen an.
Er öffnete seinen Mund und es schien, als wolle er etwas sagen. Doch stattdessen begann​ er wieder zu husten.
Connor hielt ihm schnell das Tuch hin und er hustete noch mehr Blut hinein.
„Scheiße. Er hat innere Verletzungen. Die Kugel hat wohl doch mehr verletzt." erklärte Connor mir, als er meinen besorgten Blick sah. Und somit sprach er das aus, was ich schon vermutet hatte, mir aber nicht eingestehen wollte.
Innere Verletzungen. Das bedeutet nichts Gutes.

„Er müsste so schnell wie möglich operiert werde. Ansonsten wird er das nicht durchstehen."
Diese Worte waren schrecklich. Ich wollte das nicht glauben, obwohl ich wusste, dass das Militär uns nicht rechtzeitig erreichen wird. Ich war mir nicht sicher, wie viel Zeit vergangen war, aber sicher war es nicht mehr, als eine Stunde in der wir geschlafen hatten.
„Aber die Einheit kommt doch erst in ein paar Stunden. Was machen wir denn jetzt?"
Ich war sichtlich frustriert.
„Wir können gar nichts machen." Connor nahm meine Hand in seine und drückte sie fest, während wir beide auf den leidenden Bill starrten.
Ich konnte dieses Husten nicht mehr ertragen. Mir kam es so vor, als würde bei jedem Husten sein Tod näher kommen.
Bill wird sterben.

Das Blut auf dem Tuch und die Zeit hat sein Todesurteil unterschrieben. Und das Schlimmste: Wir konnten nichts tun. Ich fühlte mich absolut nutzlos und wollte irgendwas machen, um ihm zu helfen.
Es konnte doch nicht sein, dass er neben uns sterben wird und wir einfach nur hier stehen und ihm beim Sterbeprozess zusehen.
Ich konnte das nicht glauben.
„Wir müssen doch irgendwie helfen können." Ich riss meine Hand aus Connors und fuhr herum.
Haareraufend drehte ich mich von Bill weg. Ich konnte ihn im Moment nicht ansehen.
Doch Connor drehte mich wieder zu sich und legte dann beruhigend eine Hand auf meine Schulter.

„Wir können ihm nur beistehen Adriana. Und das werden wir. Wir werden ihn unterstützen, die Ruhe bewahren und hoffen."
Sein Blick war flehend. Wie konnte er in so einer Situation überhaupt so ruhig sein? Ich war total aufgebracht, obwohl ich mich beruhigen wollte. Ich konnte noch nie jemanden beim Sterben beistehen.
Wie soll ich das überhaupt tun, wenn ich das Chaos selbst bin?
Okay. Ich sollte runterkommen.
Bill braucht uns jetzt. Wir müssen für ihn da sein. Aber dazu müsste ich erstmal selbst die Kontrolle bewahren.
Connor sah mich immer noch durchdringend an. Ich nickte. Ich werde nicht durchdrehen.
Mein Blick viel zurück auf Bill. Er hatte aufgehört zu husten und lag jetzt ganz still da. Die Hände mit dem blutigen Tuch hatte er um seinen Bauch gelegt.
Seine Augen waren nicht geschlossen. Er war bei Bewusstsein und sah uns an. Sein Blick war verbissen und etwas ängstlich. Er wusste selbst, dass er nicht mehr auf Hilfe hoffen konnte.

„Ich...Ich werde sterben, richtig?" krächzte er. Seine Stimme war fast weg und es war nur noch ein heißeres
Flüstern.
Connor legte seine Hand auf Bills Schulter und senkte den Blick. Keiner von uns wollte es aussprechen.
Kaum merklich nickte Bill und schloss dann seine Augen.
An seiner Stelle würde ich total durchdrehen, doch er blieb ruhig. Wahrscheinlich war er schon zu schwach dafür.
Schwer atmend lag er nun da und rührte sich kein Stück.
Connor und ich setzten uns gegenüber von Bill auf den Boden.
Ich wusste nicht wie lange wir da saßen, wahrscheinlich mehrere Minuten, doch es kam mir vor wie Stunden.
Da saßen wir nun und sahen Bill beim Sterben zu. Wie lange wird es wohl dauern? Hoffentlich nicht zu lange. Er hat sichtlich Schmerzen und das warten quälte jeden von uns.
Plötzlich riss er seine Augen auf und bekam einen weiteren Hustenanfall. Er krümmte sich und japste nach Luft.
Er kam fast nicht mehr zum atmen.
Connor reagierte sofort und richtete ihn auf.

Weiteres Blut kam aus seinem Mund und er schnappte nach Luft. Danach lies sein Husten nach und er sank erschöpft in Connors Arm zurück.
Sanft legte er ihn auf die Bank, während ich ihm tröstend die Hand drückte.
„Sein Puls wird immer schwächer."
Es würde nicht mehr lange dauern und vom Militär war nichts zu sehen. Ich hatte kein Zeitgefühl, aber hatte dennoch die Hoffnung gehabt, sie würden noch kommen. Doch ich fürchte es ist zu spät.
Bill rührte sich wieder eine Zeit lang gar nicht.

Und dann ergriff er auf einmal meine Hand und stammelte irgendetwas, was ich nicht verstand. Wir beugten uns näher zu Bill hin, um besser hören zu können.
„Ich darf nicht sterben." Auf einmal wurde seine krächzende Stimme lauter und schneller.
„Ich kann doch meine Frau und unser Kind nicht allein lassen. Sie...Sie brauchen mich doch." Er wurde panisch und seine Hand hielt meine krampfhaft fest.
Scharf zog Bill die Luft ein und kniff die Augen zusammen. Er hatte wahrscheinlich starke Schmerzen.
„Ich... Ich darf nicht sterben. Sie brauchen mich ... Ich brauche sie." Zahlreiche Tränen liefen seine Wangen hinunter.

„Ich weiß nicht mal, ob es ein Junge oder Mädchen ist. Ich werde mein Kind nie sehen. Ich... ich werde nie ein Vater sein können." flüsterte er.
Es ist so schrecklich, ihn so zu sehen. Sein Anblick trieb auch mir die Tränen in die Augen.
Seine Worte schmerzten.
Ich konnte ihm nicht mal etwas sagen, was ihn aufmunterte, weil es nichts gab. Keiner konnte das verhindern.
„Es tut so weh. Bitte macht das es aufhört." keuchte er pausenlos.
Das Morphium hatte anscheinend nicht lange angehalten.
„Hey, Kumpel. Alles wird gut. Wir kümmern uns um deine Familie.
Wir werden dafür sorgen, dass sie aus Amerika rauskommen und ein anständiges Leben in Europa führen können." versuchte Connor ihn zu beruhigen.
„Versprochen?" fragte Bill etwas erleichtert über Connors Worte.
„Versprochen!" kam meine Stimme ruhig aus meinem Mund. Er sah so verzweifelt aus und hatte mehr Angst um seine Familie, als vor dem Tod. Ich drückte seine Hand und war plötzlich total entspannt.
„Wir werden dafür sorgen, dass es ihnen gut geht." Connor legte seine Hand auf Bills Arm und lächelte ihn an.

Zufrieden nickte er. Langsam wurde seine Atmung wieder kontrollierter und es sah so aus, als würden die Schmerzen nachlassen.
„Hey Kumpel, danke für alles." Ich könnte schwören, dass Connor bei diesen Worten gegen die Tränen kämpfte. Auch ich wollte was sagen, doch ich brachte nichts raus. Ich wollte mich auch bedanken. Irgendetwas zu ihm sagen, doch es war, als drücke jemand gegen meinen Brustkorb.
Bill lächelte Connor zu.
„Passt auf euch auf und stellt keinen Blödsinn an." Weitere Tränen flossen ihm über die Wangen. Ich schaffte es immerhin ihn auch anzulächeln.
Dann schloss er die Augen. Sein Griff um meine Hand wurde lockerer und ich konnte spüren wie er sich entspannte.
Sein Atmen wurde immer langsamer, bis er dann ganz aussetzte.

Wir warteten eine Weile.

Ich hoffte er würde noch ein Lebenszeichen von sich geben.
Ich suchte nach Connors Hand und drückte sie so fest es ging. Auch er drückte meine.
Er prüfte Bills Puls und schüttelte dann kaum merklich den Kopf.

„Er ist tot."

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