Die Fahrt war wie im Fluge vergangen.
Auf einmal waren wir in der Gegend, die ich so gefürchtet hatte.
Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass mir die Fahrt nicht länger wie ein paar Minuten vorgekommen war.
Obwohl es mir viel lieber gewesen wäre, wir wären noch ewig gefahren und niemals dort, an diesem grässlichen Ort, angekommen.
Allerdings fuhren wir gar nicht durch das Viertel sondern querfeldein um es herum.
Da es fast mitten in der Prärie und weit außerhalb der Stadtmitte lag, befand es sich direkt vor einer Reihe großer Hügel, die fast wie kleine Berge aussahen.
Und diese Berge fuhren wir gerade im Schatten der Bäume hinauf.
Die fast lautlosen Fahrzeuge schlichen ganz langsam hinter einen größeren Hügel, vor dem einem das Viertel fast wie ein Tal vorkam.
Und dann hielten wir plötzlich an, obwohl wir noch weit von dem Terroristenlager entfernt waren.
Mir ist letztes Mal schon aufgefallen, dass ihr Lager eigentlich mehr eine umgebaute Industrie war.
Es war genauer gesagt riesig.
Wie sollte man dort den Anführer finden?Wie auf Kommando wurden die Türen aufgerissen und Connor befahl uns aus den Wägen zu steigen.
Erst als ich mit den anderen draußen stand, fiel mir auf, dass nur zwei Fahrzeuge hier oben auf dem Hügel standen.
Wo waren die anderen?
Bevor ich mir weiter darüber Gedanken machen konnte, versammelten sich schon alle vor Connor.
„Schnappt euch die Ferngläser aus den Fahrzeugen und macht Wachen vor dem Lager ausfindig." erklärte er uns.
Er befahl jedem der Soldaten, wo sie sich positionieren und was sie überwachen sollten.
Bis auf mich.
Mir hatte er gar nichts gesagt.
Während die anderen zu den Fahrzeugen gingen, um sich die Ferngläser zu holen und dann ihre Position einnahmen, stand ich unschlüssig vor Connor.„Du bleibst bei mir." sagte er an mich gewandt und holte ebenfalls ein Fernglas.
Er nahm mir meine Waffe ab, die ich krampfhaft in der Hand hielt und schmiss sie zur Seite.
Dann griff er meine Hand und zerrte mich in Richtung Hügelspitze.
Bevor wir vor dem Abgrund standen, der hinunter zu dem Tal mit dem Lager führte, gab er mir zu verstehen mich auf den Boden zu legen.
Ich tat, was er mir befahl und wir robbten uns auf dem Bauch vor, bis wir auf den höchsten Punkt des Berges ankamen und hinunter auf das Viertel blicken konnten.
Man konnte von hier oben, sogar auf die Dächer der höheren Häuser hinab schauen.
Dort erkannte ich dann auch die anderen Fahrzeuge.
Sie standen mit den Panzern und ihren Humvees im Schutz dieser Häuser und waren noch meilenweit entfernt von den Terroristen.„Schau durch das Fernglas und sag mir, ob du Menschen sehen kannst."
flüsterte Connor, der nah neben mir ebenfalls auf dem Bauch lag.
Ich setzte das Glas an und stellte es scharf, sodass ich nun jedes einzelne Schlagloch der Straße begutachten konnte.
Ich stelle die Vergrößerung etwas zurück und suchte das Gebäude.
Dabei konnte ich jeden einzelnen Blick von Connor auf mir spüren.
„Und was siehst du?" flüstert er mir ins Ohr, was mir eine Gänsehaut beschaffte.
Am liebsten hätte ich jetzt aufgeschaut, nur um in Connors Augen blicken zu können, da ich die Nähe seinen Gesichtes an meinem spüren konnte.
Stattdessen versuchte ich mich auf das Lager zu konzentrieren.„Ich sehe die Lagerhalle und das Loch im Zaun, durch das wir das letzte Mal gefahren sind. Sie haben es noch nicht repariert."
„Perfekt. Dann können wir dadurch ein paar Soldaten hinein schmuggeln. Siehst du noch den Notausgang, durch den wir geflohen sind?"
Ich suchte das Gebäude nach diesem Ausgang ab, brauchte allerdings eine Weile bis ich ihn schließlich fand.
„Ja ich sehe ihn. Er ist unbewacht."
„Gut."
Ich nahm das Fernglas von meinen Augen und sah zu Connor.
Er fischte gerade sein Funkgerät aus seinem Gürtel.
Dabei betrachtete ich sein Profil.
Die kantigen Gesichtszüge, seiner ausgeprägten Wangenknochen und diese vollen Lippen, die ich jetzt am liebsten geküsst hätte, würde er nicht gerade den Colonel kontaktieren, der unten auf Informationen wartete.„Colonel, hören sie mich? Hier ist Connor." sprach er in das Gerät.
Es ertönte ein Knacken und dann die dunkle bekannte Stimme unter einem Rauschen.
„Ja, ich höre sie Connor. Wie ist die Lage?"
„Neben dem Hauptgebäude befindet sich eine kleinere Lagerhalle, die von einem meterhohen Zaun abgegrenzt wird. In diesem Zaun befindet sich ein Loch und Adriana konnte in der Nähe einen unbewachten Notausgang ausfindig machen." berichtete Connor.
„Gute Arbeit. Was schlagen sie vor?"
„Ihre Einheiten sorgen am Haupteingang für Ablenkung, während ich mit meiner ,voraussichtlich unbemerkt, durch den Notausgang in das Gebäude gelange."
„Hört sich gut an. Halten sie mich auf dem laufenden Connor. Over and out." Mit diesen Worten beendete der Colonel das Gespräch und das Rauschen des Funkgerätes verebbte.Lächelnd sah Connor mich an.
„Gut gemacht."
„Ich hab doch gar nichts gemacht." lächelte ich.
„Doch. Allein, dass du hier neben mir bist, gibt mir das Gefühl von Stärke und zeigt mir, für was ich kämpfe."
Connor drückte seine Lippen auf meine und ich versank kurz in diesem Moment, bis wir von dem Funkgerät unterbrochen wurden.
Die anderen Soldaten gaben Connor über die Lage bescheid.
Sie meldeten Überwachungskameras am Haupteingang und an der Lagerhalle.
Außerdem standen mehrere Terroristen um das Lager herum und wachten über ihre Umgebung.
Connor gab diese Informationen dem Colonel weiter und wir gingen dann zu den Fahrzeugen zurück.
Ich schnappte mir meine AK wieder, obwohl ich sie am liebsten liegen gelassen hätte, und stellte mich mit den anderen Männern vor Connor auf.„Gute Arbeit Männer. Macht euch startklar. Wir kehren zu den anderen zurück."
Damit stiegen wieder alle in die Geländewägen, die sich sogleich in Bewegung setzten und die bergige Landschaft verließen.
Weiterhin versteckt und weit genug entfernt, um von den Terroristen gesehen zu werden, fuhren wir wieder hinab in das Viertel.
Von Weitem konnten wir bereits die restlichen Soldaten und den Colonel erkennen.
Sie warteten bereits auf unsere Ankunft.Wir standen wieder alle in Reihen.
Der Colonel berichtete uns noch einmal alle Wachposten, Notausgänge und Kameras.
Außerdem erklärte er den anderen Connors Plan.
Sie wollten mit den Panzern am Haupteingang für Ablenkung sorgen, während Connors Einheit von hinten hineinstürmt und ich zusammen mit Daniel und Lucas die Notausgänge bewachte.
Ich versuchte jedes seiner Worte aufzufassen, doch eine neue Welle der Angst überrollte mich.
Krampfhaft hielt ich meine Waffe in der Hand.
Ich spürte das kalte und raue Material in meinen Händen.
Vorsichtig legte ich einen Finger an den Abzug, nur um ihn gleich wieder wegzuziehen.
Meine Waffe war noch nicht geladen, doch ich verspürte trotzdem sofortige Abneigung, den Abzug zu betätigen oder sie auch nur zu halten.
Plötzlich spürte ich eine warme Hand, die nach meiner griff und sie sanft drückte.
Es war Daniel, der neben mir stand und mich warm anlächelte.
Er musste sicher genauso viel Angst haben und doch versuchte er mich aufzumuntern.
Ich wollte ihm ebenfalls ein Lächeln schenken, wobei es gequälter aussah, als ich eigentlich wollte.
Dabei fiel mir wieder die Freude ein, die ich verspürte, als ich ihn und Lucas bei unserer letzten Rückkehr wieder sah.
Dies brachte meine Mundwinkel doch nach oben und ich hoffte wir würden das hier genauso überstehen, wie den Überfall auf die Basis.
Bei dem Gedanken daran musste ich mir ein Würgen unterdrücken.
Ich war dort tatsächlich bereit gewesen, auf Menschen zu schießen.
Aber das ist noch nicht einmal das Schlimmste, denn ich wusste, ich würde das heute, jetzt in wenigen Minuten, genauso tun.
Ich würde auf Menschen schießen und sie vielleicht sogar töten.
Und dieser Gedanke machte mir Angst.
Ich hatte vor mir selbst Angst.Und daran war die Maschine schuld.
Sie hatte dafür gesorgt, dass ich zu so etwas fähig bin, obwohl mein Verstand gerade schrie, dass so etwas unmenschlich ist.
Eigentlich könnte ich nicht einmal die Männer töten, die mich angefasst und fast vergewaltigt hatten.
Normalerweise würde ich dies niemals schaffen.
Doch die Maschine hatte dafür gesorgt, dass ich gerade kampfbereit und entschlossen wieder in den Humvee stieg und mit meiner Einheit in den Kampf zog, um Menschen zu töten.
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Survive
ActionEs herrschte Krieg in der USA. Terroristen wollen den Präsidenten stürzen und einen Gottesstaat aus den Vereinigten Staaten Amerikas machen. Die gewöhnliche Bürgerin Adriana steckt mitten drin. Fast wäre sie gestorben, wenn nicht der gutaussehende...