In den nächsten Tagen bestand Tracy's Leben eigentlich nur aus Training, Schlafen und Essen. Ihr war klar geworden, dass sie auch wenn sie ganz gut war in den Kämpfen, niemals gegen jemanden, wie Fire gewinnen könnte und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann hatte sie eine riesige Angst davor, gegen sie zu kämpfen. Sie waren nun seit etwas über einer Woche bei den Ferox und es konnte wohl nicht mehr lange dauern, bis sie auf das brutale Mädchen treffen würde. Diese Angst war so dämlich, aber wenn sie sich an die anderen Initianten erinnerte, die bis jetzt gegen sie gekämpft hatte, rann ihr Angstschweiß von der Stirn. Genau deshalb trainierte sie seit drei Tagen jeden Abend nach dem Abendessen und bereitete sich darauf vor. Ihr Ehrgeiz zu gewinnen war größer denn je.
Auch wenn sie dafür etwas von ihrer Freizeit hergeben musste. Sie hatte mehr von den Ferox, wenn sie bestand.
„Wieso kommst du heute nicht mit uns? Das wird bestimmt sehr lustig. Alle gehen da hin", redete Kim auf sie ein. „Die Party's der Ferox sind berühmt und berüchtigt. Sie eilen ihrem Ruf voraus. Du kannst das doch nicht einfach so sausen lassen."
Tracy seufzte, als Kim beleidigt das Gesicht verzog. Sie wäre ja wirklich gerne dabei. Nur wollte sie das Training nicht ausfallen lassen. Es war wichtig. Sie war bei weitem noch nicht gut genug, um gegen Fire zu gewinnen. Sie musste trainieren.
„Tut mir Leid, Kim. Ich schwöre dir, dass ich das nächste Mal mitkommen werde. Aber nicht heute. Okay? Nicht während der ersten Phase. Ich will das wirklich hinbekommen. Es war schon immer mein größter Wunsch, es bei den Ferox zu schaffen. Versteh das bitte", Tracy sah ihre Freundin flehend an und Kim stieß frustriert ein Seufzen aus.
Natürlich konnte sie Tracy verstehen, aber es wäre ihr lieber, wenn sie dabei sein würde.
„Na gut. Aber versprochen?", versicherte sich Kim und blickte Tracy fest in die Augen.
Tracy kicherte, hielt ihre rechte Hand auf ihr Herz und die linke nach oben: „Ich schwöre es dir!"
Kim grinste und verschwand in der Dusche, um sich für die Party, auf die sie nun alleine mit Daniel gehen würde, fertig zu machen.
Tracy zog sich ihre Trainingssachen an und lief dann in Richtung Sporthalle. Auf dem Weg band sie sich ihre braunen Haare zu einem hohen Zopf zusammen und richtete nochmal ihre Kleidung, bevor sie die Halle betrat. Wieso sie das tat wusste sie gar nicht. Im Trainingsraum war ja schließlich niemand. Ihre Wasserflasche stellte Tracy auf eine Bank, die an der Wand stand. Dann fing sie an sich einzulaufen. In den letzten Tagen hatte sie sich gesteigert und während sie bei ihrem ersten Training, dass sie alleine absolviert hatte nur acht Runden gemacht hatte, wärmte sie sich mittlerweile wieder mit 20 Runden auf. Ausdauer war schon immer ihre Stärke, aber schnell war sie auch.
Sie bewegte sich geschmeidig und atmete gleichmäßig. Trotzdem kam sie nach wenigen Runden zum schwitzen. Aber das war gar nicht schlimm. Es machte ihr schließlich auch Spaß. Sport war ihre Leidenschaft. Bedauerlicherweise musste sie zugeben, dass sie nicht alles konnte. Aber wer konnte das schon?
>Eric, zum Beispiel<, flüsterte eine kleine Stimme im Hinterkopf ihr belehrend zu. Aber was dachte sie denn da? Eric war auch nicht perfekt.
>Denke ich jedenfalls.<
Nach dem Aufwärmen begann sie damit, an den riesigen Boxsäcken alle Tritte und Schläge, die sie hier gelernt hatte zu wiederholen. Die Boxsäcke bewegten sich kaum, so schwer waren sie. An dem rauen Stoff schliff sie sich beim Schlagen leicht die Hände auf, aber sie ignorierte es. So zart besaitet war sie ja jetzt auch nicht.
Als sie sich sicher war, dass sie alles richtig konnte, hörte sie endlich auf und fing an sich in der Halle umzusehen. Mittlerweile waren sie bestimmt seit über einer Stunde hier drinnen und nun wollte sie am Ende noch ein paar Liegestütze machen. Sie wusste, dass das sicherlich nicht die richtige Reihenfolge war, aber sie war nicht gut in Liegestütze und wollte es nun endlich schaffen mehr als nur mickrige drei Stück hin zu bekommen.
Sie stütze sich mit ihren Händen auf dem Boden ab und spannte ihren Körper an. Immer wieder versuchte sie die Arme langsam zu knicken und sich nach kurzer Zeit wieder vom Boden hoch zu stemmen. Dabei schnaufte sie laut auf und ihr Herzschlag ging unruhig.
„Was soll das werden, wenn es fertig ist?!", schallte plötzlich eine herrische Stimme hinter ihr und erschrocken drehte sie sich aus ihrer Liegestütze um, sodass sie augenblicklich auf ihrem Hintern landete. Verärgert schnaubte sie und sah in das Gesicht ihres Anführers. Als ihr klar wurde, dass er ihre mehr, als nur peinlich Performance gerade gesehen hatte, lief sie rot an und schaute betreten zu Boden.
Eric sah sie immer noch abwartend an. Sie sollte wohl wirklich antworten.
„Liegestütze", flüsterte sie. Was war denn jetzt? Wieso war sie so schüchtern? Er sah sie immer noch mit skeptischen Blick an.
„Liegestütze?'Das kannst du deiner Oma erzählen. Das war von Liegestützen meilenweit entfernt", schnauzte Eric.
Jetzt fand sie ihren Mut auch wieder und fauchte: „Na wenn du es so viel besser kannst, dann mach du es doch. Na los!"
„Denkst du etwa, ich lasse mich auf einen Wettbewerb mit einer mickrigen Initiantin ein? Wieso sollte ich? Außerdem, denk doch mal nach. Würden die mich hier behalten, wenn nicht nicht mal eine Liegestütze ordentlich machen könnte? Nein. Also sag du mir nicht, was ich zu tun oder zu lassen habe."
Hart schluckte Tracy. Scheiße! Was hatte sie sich denn da schon wieder eingebrockt?
„Es ist dann auch spät. Ich geh mal wieder zurück", versuchte sie sich raus zu reden und wollte sich schon auf in Richtung Tür machen, da packte Eric sie fest am Oberarm und zog sie mit einem Ruck zurück.
„Keine Chance. Du zeigst mir jetzt zehn vernünftige Liegestütze. Vorher kommst du hier nicht raus!"
Tracy presste ihren Kiefer fest zusammen und presste durch die zusammengekniffenen Zähne hervor: „Wir haben aber gerade kein Training."
Eric's Gesicht zierte mittlerweile ein fieses Grinsen, bevor er sie mit einem Mal nach unten auf den Boden drückte und schrie: „Denkst du, das interessiert mich? Das ist ja wohl peinlich, dass jemand mit so viel Potential keine Liegestütze kann! Das werden dann wohl zwanzig Liegestützen."
Was hatte er gesagt? Ich hatte Potential? Ich wusste nicht, weshalb, aber aus irgendeinem Grund schmeichelte mich das wirklich.
„Bilde dir ja nichts drauf ein. Im Gegensatz zu den anderen Flaschen kann man ja kaum noch schlechter dastehen."
Tracy war es egal. Er hatte gesagt, dass sie Potential hatte. Ihr kleines, unschuldiges und inneres Ich sprang gerade vor Freunde auf und ab und ihr Wille diese Liegestützen hinzubekommen stieg plötzlich um das doppelte. Es war doch egal,was er danach gesagt hatte. Er dachte, sie hätte Potential!
„Jetzt mach schon!", motzte Eric ein weiteres mal und Tracy begab sich wieder in die gleiche Position, wie davor. Erneut versuchte sie sich langsam zu Boden sinken zu lassen und sich dann ebenso langsam wieder
hoch zu drücken. Dabei zitterten ihre Armmuskeln ununterbrochen und ihre Handflächen begannen zu schwitzen, wodurch ihre Hände ständig über den Boden rutschte.
Als sie das unterdrückte Lachen über sich hörte, wurde ihr Gesicht zu einer beleidigten Grimasse.
„Hör auf zu lachen!", keuchte sie angestrengt. „Die Initianten sind nur so gut, wie ihre Trainer. Wenn wir also nichts können, ist das auch deine Schuld."
Eric's Lachen verstummte auf der Stelle: „Willst du damit etwa sagen, dass ich mit dafür yerantwortlich bin, dass Devon eine totale Niete ist, die sich lieber KO schlagen lässt, als zu kämpfen? Und das ich etwas dafür kann, dass Abby sich nicht wehren kann oder, dass Kevin die Schläge nicht richtig ausführt? Ich bin nicht dafür verantwortlich, wenn diese Rotzgören nicht zuhören können!"
„Kann schon sein, dass du nichts für Devon's Unfähigkeit zu Kämpfen kannst, doch die anderen hätten eine bessere Chance, wenn du sie nicht nur auslachen würdest, sondern ihnen auch Ratschläge gibst, wie sie es besser machen können. Aber Nein. Der Anführer-Eric, der Ich-bin-viel-besser-als-alle-anderen-Eric und der Ausbilder-Eric ist sich natürlich viel zu fein dafür. Wir sind alle hier hergekommen, um vollwertige Ferox zu werden. Wir wussten, dass es nicht leicht ist, alles zu lernen, aber wir wussten auch, dass wir es schaffen können. Doch du machst alles kaputt mit deiner Sturheit und... und... argh!", fluchte Tracy und ihr Gesicht lief dabei rot an.
Eric schluckte. Mit so etwas hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Das sich eine Initiantin gegen ihn stellte und ihre Meinung sagte, war nun wirklich noch nie geschehen. Dann aber keimte wieder Wut in ihm auf. Was fiel diesem Mädchen eigentlich ein? Wie konnte sie es wagen, auch nur ein Wort gegen ihn zu sagen?!
„Okay... dann zeig mir, dass du auf das, was ich sage auch hören und reagieren kannst. Also! Wie bereits gesagt: Du kommst hier nicht raus, bevor du keine zwanzig Liegestütze gemacht hast."
Sie zog trotzig ihre Augenbrauen zusammen, doch als sie den Blick von Eric sah, entschied sie sich, dass es wohl besser war, auf ihn zu hören. Unwillig begann sie erneut mit den Übungen und sie kam sich mittlerweile unglaublich dämlich dabei vor.
„Okay.. Du willst also, dass ich dir sage, was du falsch machst?", meinte ihr Ausbilder und Tracy hörte immer noch eine Spur Ärger aus seiner rauen Stimme heraus. „Deine Arme müssen auf Schulterhöhe sein. Dein Bauch, du musst ihn anspannen und nicht so locker da hängen lassen."
Tracy machte alles so, wie er es ihr sagte und rutschte dann auch nochmal ihre Beine zurecht.
„Weiter runter", hörte sie seine nächste Anweisung, als sie ihre Arme wieder knickte.
„Aber dann liege ich auf dem Boden", protestierte sie empört.
„Tust du nicht. Da ist noch massig Platz!"
Alles, was er sagte, machte sie ganz genauso und sie spürte auch, dass es nun noch schwerer wurde. Trotzdem! Sie würde nicht aufgeben. Nicht jetzt. Nicht vor ihm. Sie, Tracy Levine, würde das verdammt nochmal schaffen!
Ihre Arme begannen zu zittern, als sie gerade mal die siebte Liegestütze machte. Jetzt fing Eric an sie anzufeuern, er sagte ihr, dass es nicht mehr viel war, und dass sie das schon hinbekommen würde. Tracy glaubte zwar nicht so recht an das, was er sagte, aber sie fragte sich vor allem, was aus dem strengen, gemeinen Eric geworden war. Vielleicht war er betrunken? Wer wusste das schon?! Jedenfalls schien es zu wirken, denn sie nächsten 10 klappten wieder ohne Probleme.
„Komm schon, Kleine. Das packst du. Nur noch drei. Du weißt, dass ich dich davor hier nicht gehen lassen", murmelte er neben ihr. Er hatte sich neben wie gehockt und beobachtete sie mit einem verbissenen Gesichtsausdruck.
Tracy lief der Schweiß in Tropfen von der Stirn. Niemals hätte sie gedacht, dass Liegestütze so schwer sein konnten. Aber mit Eric, der aufpasste, dass auch alles richtig gemacht wurde, war das wohl auch keine allzu großes Wunder.
So richtig bekam sie die letzten drei dann auch gar nicht mehr mit. Natürlich. Jeder einzelne Muskel im Arm- und Bauchbereich tat ihr weh, doch es war ihr egal. Sie hatte es ihm gezeigt! Und wie! Sie hatte ihm gezeigt, dass sie nicht schwach war.
Eric grinste sie an: „Na siehste? Geht doch." Dann wurde er wieder ganz ernst. „Und erzähl, keinem von diesem Training, ich dürfte dir außerhalb des regulären Trainings eigentlich gar nicht helfen. Ich darf dich ja nicht bevorzugen oder so einen Scheiß."
Tracy nickte abgelenkt. Sie würde es keinem erzählen. Außerdem war sie noch viel zu beschäftigt damit, ihr selbstgefälliges Gesicht zu verbergen. Sie schwitze sie, wie ein Schwein und so fühlte sie sich auch. Ihr war viel zu warm. Schnaufend sog sie ihre Jacke aus und stand dann nur noch in ihrem kurzen Top da, das mehr zeigte, als verdeckte. Sie drehte sich von Eric weg und bückte sich, um ihre Flasche aufzuheben. Dabei präsentierte sie ihrem Anführer unbewusst ihren Hintern. Diesen schien das aber gar nicht zu stören. Stattdessen starrte er darauf und murmelte leise etwas in seinen nicht vorhandenen Bart.
„Was?", wollte Tracy wissen und blickte ihn verwirrt an.
Eric schluckte stark und lenkte schnell ein: „Das heißt 'Wie bitte' und nicht 'Was'."
„Wie auch immer. Ich bin dann weg. Bis morgen."
Tracy stolzierte aus der Trainingshalle und fragte sich innerlich, was sie da ritt. Wo kam denn plötzlich dieser Mut her? Er war immer noch ihr Trainer. Das durfte sie auf keinen Fall vergessen! Egal. Morgen wäre er sowieso wieder der gleiche, kalte Mann, den sie hier am ersten Tag kennengelernt hatte. Und dann wäre alles wieder beim alten.
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Tracy Levine
FanfictionTracy Levine wächst bei den Candor auf, weiß aber schon seit sie klein ist, dass sie dort gar nicht hinpasst. Mit 16 Jahren trifft sie die endgültige Entscheidung und wechselt zu den Ferox, wo sie den strengen, aber doch gutaussehenden Anführer Eric...