Kapitel 40

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Vorsichtig setzte sie sich auf und blickte sich um. Die Menschen hatten immer noch ihre Blicke auf die Monitore gerichtet und schienen ihr keinen Funken Aufmerksamkeit zu schenken, während sie die Ergebnisse auszuwerten schienen. Ihre Mienen waren ernst und konzentriert, was Tracy extrem nervös machte. Hoffnungsvoll sah sie zu Eric, der ihre Hand ergriff und ihr von dem Stuhl auf half. Beruhigend lächelte er sie an und ließ sie schließlich wieder los. Die Stelle, an der er sie berührt hatte, kribbelte sanft. Sie schloss ihre Finger zu einer Faust und steckte ihre Hände in ihre Jackentasche. Hoffentlich konnte niemand sehen, dass sie zitterte. Nun konnte sie nichts mehr daran ändern. Gleich würde feststehen, wer ein vollwertiger Ferox werden würde. Tief atmete sie ein und versuchte sich zu beruhigen. Das war ja viel schlimmer, als ihre Simulationen gerade.


„Warte bei den andern Initianten. Ihr bekommt bald eure Ergebnisse", sprach die Frau sie an, die sie auch in den Raum geholt hatte. Tracy nickte ihr zu, grinste Eric an und verließ den Raum schließlich durch die Hintertür. Der Gang, durch den sie lief, führte zum Speisesaal. Sie drückte die Tür auf und betrat den großen Raum. Es schien, als wären alle Ferox anwesend. Sie trampelten laut, als Tracy ankam und einige klopften ihr anerkennend auf den Rücken. Sie lächelte ein wenig und kämpfte sich ihren Weg zu ihren Freunden durch. Mit flatterndem Herzen ließ sie sich neben Paige und Kim sinken. Die beiden schlossen sie begeistert in die Arme und wendeten ihren Blick zu der großen Leinwand, auf der man einige Daten sehen konnte.


„Was ist das?", wollte Tracy wissen und sah gespannt zu, wie einige Werte in die Höhe schossen.
„Das?", sicherte sich Paige ab und zeigte auf die Leinwand. Tracy nickte. „Wir können die Simulation des jeweiligen Initianten beobachten. Zwar nicht seine Ängste, aber immerhin seinen Herzschlag und die Zeit, die er bereits insgesamt in der Simulation verbringt und dort oben in der rechten Ecke, da ist die Zeit der momentanen Angst angezeigt."
„Konntet ihr das bei mir auch sehen?", fragte sie erstaunt und Paige nickte.
„Wie schnell war ich denn?"
„Irgendwas in der Nähe von zwanzig Minuten", schätzte Kim nun und lächelte ihr zu. „Du warst schnell."


Tracy nickte stumm und sah wieder auf die Zahlen, die sich stetig veränderten. Sie fragte sich, wie schnell die anderen bisher waren. Wer schneller war, als sie. Nervosität machte sich in ihr breit und sie spürte große Übelkeit in sich aufkommen. Sie wollte nicht rausfliegen und sie wollte auch nicht, dass ihre Freunde die Fraktion verlassen musste. Sie glaubte kaum, dass sie es nicht schaffte, aber dann kamen noch so viele andere Dinge auf sie zu. Sie würde einen Beruf wählen müssen, würde vermutlich eine Wohnung bekommen und was noch alles. So viele Dinge, die sich alle für sie erneuern würden. Dabei war sie gerade einmal sechzehn. Andererseits mussten alle Jugendlichen in diesem Alter solche Entscheidungen treffen. Sie hatte sich tatsächlich noch niemals darüber Gedanken gemacht, ob es so schlau war, eine Person so früh eine dermaßen wichtige Wahl treffen zu lassen. Ob man sich später noch umentscheiden konnte? Sie schüttelte den Gedanken daran ab. Das war gerade alles nicht wichtig! Sie musste erst einmal ihr Ergebnis bekommen und dann konnte sie sich weiter Gedanken über so etwas machen.


Die letzten Initianten waren innerhalb von etwa einer Stunde durch. Manche brauchten länger, manche kürzer, aber alle hatten eines gemeinsam. Sie hatten ein riesiges Lächeln auf ihren Gesichtern, das klar machte, wie glücklich sie darüber waren, es endlich geschafft zu haben. Jetzt hieß es wohl tatsächlich nur noch warten. Nachdem alle die Ansage bekommen hatten, dass die Ergebnisse nach dem Abendessen bekanntgegeben werden würden, machten sich die Initianten auf den Weg in ihren Schlafsaal. Einigen konnte man ansehen, dass sie schon wussten, dass sie es vermutlich nicht oder nur sehr knapp schaffen würden. Soviel Tracy wusste, konnten die Schlechtesten auch erst als Letzte entscheiden, welche Jobs sie machen wollten. Nur war das Problem, dass wohl jedes Jahr die gleichen Berufe übrig blieben. Wachen der Fraktionlosen oder am Zaun. Sie würden keine Wahl haben. Sie würden die Stellen nehmen müssen, die übrig waren. Anders ging es nicht. Einen Beruf voller Nachtschichten, keine Regelmäßigkeit im Alltag und die größte Gefährdung. Noch dazu eine grottige Bezahlung. Aber alles war besser, als das Leben eines Fraktionslosen zu führen.

Tracy LevineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt