Kapitel 15

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--- Eric POV ---

Er stand am Rand und sah den beiden Mädchen oder auch Frauen dabei zu, wie sie gegeneinander kämpften. Eric wollte sich nicht eingestehen, wie nervös er war. Für andere war es vielleicht nur eine Initiantin, die dort auf der Matte kämpfte, aber für ihn war es Tracy. Zugegeben, sie konnte sich wehren, aber gegen Tris gewannen nicht viele und sie war noch lange nicht so weit. Trotzdem hielt sie sich für den Anfang ganz gut. Beide hatten schon Schläge einstecken müssen und Eric konnte genau sehen, wie wütend Tris deshalb war. Tracy war wohl doch keine so leichte Gegnerin, wie sie gedacht hatte, stellte Eric mit einem leichten Schmunzeln fest und es machte ihn auch ein wenig stolz.

Dennoch wunderte er sich über Tris' Wut. Normalerweise war sie nicht so schnell zu reizen und erst recht nicht bei so etwas vollkommen banalem. Andererseits hatte er auch keine Ahnung, was Tracy genau zu Tris gesagt hatte. Das sollte er vielleicht später mal aus einer der beiden herauskitzeln.

Als ein lauter Aufschrei zu hören war, sah er ruckartig wieder klar und blickte zu der Matte. Kurz erwartete er, dass Tracy sich verletzt hatte, doch das was er sah, erstaunte ihn. Tris saß leicht zitternd auf dem Boden, während Tracy scheinbar irritiert zu ihr runter sah. Tris war so angreifbar, doch es war, als könnte er Tracy's Gedanken bis zu ihm herüber schreien hören. Sie wollte niemanden schlagen, der wehrlos da saß und sich nicht rühren wollte oder auch konnte. Doch scheinbar war Tris gerade vollkommen egal, das Tracy wohl Mitleid mit ihr hatte und nicht auf ihre Trainerin zustürmte und diesen Kampf ganz einfach beendete. Eric konnte sehen, wie sich ein zorniger Schleier über ihr Gesicht zog, bevor sie aufsprang und Tracy zu Boden schlug.

Eric's Herz setzte kurz einen Schlag aus, als er beobachtete, wie seine Initiantin überfordert zu Boden ging. Auch bei den weiteren Schlägen hatte sie keine Chance. Er konnte sich nicht regen, so verwirrt war er. Was passierte dort gerade?
Erst als er sah, dass sich Tracy nicht mehr regte und Tris nicht aufhörte zuzuschlagen, bewegte er sich und stürmte auf sie zu.

„Tris!", schrie er sie an und versuchte sie wegzuziehen. Doch diese wehrte sich zu trat noch einmal auf das Mädchen ein. Was stimmte nur nicht mit ihr. Sie musste sich schon zusammenreißen können. Das was sie hier gerade trat, war gefährlich. Gefährlich für sie, weil sie gegen Regeln verstoß und auch gefährlich für Tracy. Blut floss ihr von der Stirn und sie schien schwer zu atmen.

„Sie hat mich in den Bauch getreten!", wütete Tris und schien währenddessen leise zu schluchzen.
„Na und?!", keuchte Eric, während er versuchte sie noch weiter von der Initiantin wegzuziehen. „Ihr habt gekämpft! Du hast nicht aufgepasst und hattest eine schlechte Deckung! Das ist nicht ihre Schuld!"
„Aber...", wimmerte sie und ließ sich wieder zu Boden sinken.

„Tris!", schrie plötzlich eine Stimme und rannte auf die beiden zu. Four, erkannte Eric und ließ die Trainerin los. „Was ist hier passiert? Hast du sie etwa angepackt?!"
Four kniete sich zu seiner Freundin und nahm sie in den Arm, während er Eric fassungslos und zornig ansah.
Eric schnaubte empört: „Ich soll deine Freundin angepackt haben? Spinnst du?! Halt sie mal selbst besser unter Kontrolle! Wenn sie noch einmal die Kontrolle verliert und einen meiner Initianten anpackt, dann melde ich sie! Tracy war bewusstlos und deine Freundin schlägt weiter auf sie ein!"

Eric atmete schwer, während Four zuerst ihn und dann Tris musterte.
„Tris", murmelte er ihr leise zu. Diese drückte sich nur noch näher an ihn. „Das hast du doch nicht wirklich gemacht."
„Ich wollte das nicht. Es tut mir so Leid."

Eric seufzte und drehte sich dann um. Er konnte Tracy dort nicht so einfach liegen lassen. Außerdem hatte sich diese immer noch nicht bewegt.
Ihre Arme hatte sie über ihrem Kopf und ihre Beine waren an den Bauch gepresst.
Vorsichtig kniete er sich neben sie und hob sie in seine Arme. Sie war ein ziemliches Fliegengewicht, musste er feststellen. Sie war sogar noch leichter, als sie sowieso schon aussah. Das machte es Eric aber noch leichter, sie nun in die Krankenstation zu tragen.

Mit einem Blick auf das Paar, das immer noch auf dem Boden saß, meinte Eric noch leise: „Ich bringe Tracy auf die Krankenstation."
Tris sah mit roten Augen auf: „Sag ihr, dass es mir Leid tut."
„Vielleicht solltest du ihr das lieber selbst sagen."
„Sie wird mir nicht zuhören", erwiderte Tris.
„Ein Versuch ist es wohl wert", meinte Eric. „Oder nicht?"

Damit verließ er die Trainingshalle und lief durch die Gänge in Richtung der Krankenstation. Seine Augen schweiften immer wieder zu dem Mädchen auf seinem Arm. Sie war so hübsch. Viel schöner, als diese ganzen Tussis, die viel zu viel Schminke auf ihr Gesicht geklatscht hatten. So wie Lauren zum Beispiel.

Frustriert stieß er etwas Luft aus. Noch gestern Nacht hatte er vollkommen betrunken mit dieser Schlampe geschlafen und nun schwärmte er innerlich von einem Mädchen, das das komplette Gegenteil war, als wäre er ein verliebter Teenager. Er musste sich nun wirklich mal klar werden, was er wollte. Also ganz klar war, dass er sicher nicht Lauren oder eine ähnliche Frau wollte. Generell waren ihm schon seit längerer Zeit diese ganzen One Night Stands zu unpersönlich und eintönig geworden. Einfach langweilig. Er wusste gar nicht genau, seit wann er das schon so sah. Nun, wenn er darüber nachdachte, war es seit er Tracy kannte. Das war aber doch sicher nur Zufall. Oder?

Kurz sah er wieder zu Tracy, die immer noch nicht aufgewacht war. Tris hatte sie wirklich ziemlich stark erwischt. Das würde nicht noch einmal passieren. Das würde er nicht zulassen. Das konnte er gar nicht zulassen!

Er beschleunigte seine Schritte und beeilte sich, um endlich in die Krankenstation zu kommen. Sie musste nicht noch länger vor sich hin bluten. Es war sowieso schon zu viel gewesen.

Als er endlich durch die Tür der Eingangstür lief, kam ihm sofort eine Junge Ärztin entgegen. Sie machte einen besorgt wirkenden Eindruck, als sie einen Blick auf Tracy warf und dann stumm auf eines der Betten wies. Eric sah ihr innerlich nervös, äußerlich vollkommen kalt dabei zu, wie sie seine Initiantin untersuchte. Sie leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe in ihre Augen und sah sich dann sie Wunden an. Sie hatte an ihren Händen und Armen Abschürfungen und einige blaue Flecken. An ihrem Kopf war eine kleine Wunde, aus der aber sehr viel Blut floss. Die Ärztin desinfizierte sie und tupfte sie dabei mit einem Tuch ab.

„Das muss genäht werden", murmelte sie und machte sich dann sofort ans Werk. Eric sah ihr nun skeptisch dabei zu.
Am Ende lag Tracy mit einem schneeweißen Verband um den Kopf im Bett. Eine kühlende Salbe war schon aufgetragen worden.
„Ich weiß nicht, wann sie aufwachen wird. Du kannst hier bleiben, falls du das willst. Es kann aber auch noch einige Stunden dauern", meinte die Ärztin mit einer professionellen Stimme.
„Ich...", machte Eric. Er war unentschlossen. Sollte er hier warten? Alles in ihm schrie JA, doch hätte er hier gewartet, wenn es eine andere Intiantin gewesen wäre? Wohl eher nicht.
Die Ärztin seufzte: „Ich kann auch jemanden zu dir schicken, wenn sie aufwacht."
Eric nickte unwillkürlich und ohne überhaupt darüber nachzudenken.
„Ja. Das wäre gut."

Die Ärztin nickte und verließ sofort den Raum. Eric wollte eigentlich auch schon verschwinden, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Sein Blick wanderte wieder zu dem Mädchen, das vollkommen regungslos und mit geschlossenen Augen auf dem Bett lag. Sie sah so friedlich aus. So unschuldig und jung. Was ihn allerdings störte, waren sie Verbände, die ihm ganz genau zeigten, dass sie nicht nur schlief, sondern wirklich bewusstlos war.

Eric trat näher an ihr Bett heran und strich ihr mit einer leichten Bewegung eine ihrer schokoladenbraunen Haarsträhnen aus dem Gesicht, bevor er mit seiner Rückhand von der Stirn zu ihrer Wange strich. Ihre Haut war noch viel weicher, als sie eigentlich aussah.

Merkwürdigerweise spürte er auch, wie Tracy's Körper auf seine Berührung reagierte. Ihre Wangen färbten sich etwas rot und sie bekam auf den Armen eine Gänsehaut. Vielleicht war ihr aber auch nur kalt? Vorsichtig zog er ihr die weiße Decke über den Körper und beugte sich dann leicht vor, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu geben.

Er war so ein Weichei geworden, dachte er sich, als er die Station verließ. Ein Mädchen auf die Stirn zu küssen und sie zuzudecken. Und überhaupt! Was er sich für Sorgen um sie machte. Aber dieser Kuss, auch wenn er nicht auf die Lippen gewesen war, hatte sich so gut angefühlt, musste er sich eingestehen. Am liebsten würde er es nochmal wiederholen. Aber vermutlich hätte sie ihn weg geschubst, wenn sie wach gewesen wäre. Sie hätte ihn angeschrien und er hätte wohl auch die ein oder andere Ohrfeige kassiert.

Als er in seiner Wohnung war und sie Spuren des gestrigen Abends wieder vor Augen hatte, konnte er gar nicht anders, als sich zu schämen. Was hatte er hier denn nur getan? Er hatte mit Lauren geschlafen! Obwohl sie nichts mehr für ihn war. Nur noch eine Kollegin und mehr auch nicht.
Überall flogen seine Klamotten herum und bei genauerem Hinsehen, konnte er auch Laurens Slip ausfindig machen, der sich inmitten des Chaos befand.

„Hey Baby", säuselte eine Stimme und Eric riss seinen Kopf ruckartig nach oben. Lauren! War sie etwa den ganzen Tag hier drinnen gewesen? Was hatte sie hier zu suchen? Er hatte ihr doch gesagt, sie solle verschwinden.
„Was tust du hier?", seine Stimme klang wütend, doch sie ignorierte es einfach mal wieder.
„Ach Baby!", kicherte sie, trat einen Schritt auf ihn zu und schmiegte sich an ihn. „Ich wollte hier bleiben und dich überraschen. Wie wäre es, wenn wir genau das gleiche machen, wie gestern Abend? Ich werde dich von vorne bis hinten verwöhnen. Und natürlich auch an etwas tiefer gelegenen Stellen, versteht sich."

Dabei kicherte sie, wie ein Schulmädchen und presste sich noch viel näher an ihn heran. Aber anders, als gestern fiel es ihm heute nicht schwer, ihr zu widerstehen. Sie war so billig und ekelhaft. Wie hatte er das bis jetzt noch nicht erkennen können? Tracy hätte sich niemals so benommen, schoss es ihm durch den Kopf.
„Lauren!", wollte er schon anfangen, wurde aber von ihrer schockierten Stimme unterbrochen: „Ist das etwa Blut auf deinem Shirt?"

Sie sah ihn dabei aus große Augen an: „Hat sich mein großer, starker Bär etwa verletzt?"
War das widerwärtig!
„Nein. Das ist Tracy's Blut. Sie hat ganz schön stark was abbekommen und ich hab sie in die Krankenstation getragen"; erwiderte er genervt. Weshalb erzählte er ihr das eigentlich? Das konnte ihr doch im Prinzip egal sein.
Lauren verzog das Gesicht und wich etwas von ihm weg: „Du hast das Blut von dieser kleinen Schlampe an dir?"

Das war zu viel: „Schlampe? Wenn hier einer eine Schlampe ist, dann bist das ja wohl du. Du bist so billig und leicht zu haben, dass es schon eklig ist. Ich will gar nicht wissen, mit wie vielen Typen du schon in der Kiste warst. Tracy ist aber keine Schlampe! Sie ist so viel mehr wert, als du! Und jetzt verschwinde endlich aus meiner Wohnung! Da war nie etwas zwischen uns, ist nichts und es wird auch niemals etwas sein, hast du das kapiert?!"

Lauen sah ihn empört an: „Aber..."
„Kein Aber!", schrie er zurück. „Verschwinde endlich!"
Sie fluchte laut, nahm ihre Sachen und drehte sich dann nochmal um: „Du bist ein Arschloch!" Damit schlug sie ihm ins Gesicht und verließ dann mit einer filmreifen Drehung seine Wohnung,, wobei sie seine Tür extra laut zuschlug.
Eric rieb sich nur seine Wange. Laurens Schlag war mehr, als lasch gewesen. Null Stärke war darin wiederzufinden. Deshalb würde vermutlich auch keine Anschwellung zurückbleiben.

Planlos sah er sich um. Laurens Slip lag immer noch da. Mit gerümpfter Nase nahm er ihn zwischen zwei Finger und schmiss ihn in den Mülleimer. Weg. Endlich weg.
Mit einem Seufzen legte er sich nun auf sein Bett. Obwohl er relativ spät aufgestanden war, war es trotzdem ziemlich anstrengend gewesen. Er war so müde und darum war es auch kein Wunder, dass er schon nach ein paar Minuten, in denen er nur an die Decke gestarrt hatte, einschlief.


Er wachte erst zwei Stunden später wieder auch, als ihn ein lautes Klopfen aus dem Schlaf riss. Wütend kniff er die Augen zusammen: „Verpiss dich, Lauren!"
„Ich bin nicht Lauren. Aber du kannst sie mir ja gerne Mal vorstellen", rief eine amüsierte Stimme zurück.

Nun stand Eric auf und lief zur Tür, um diese zu öffnen. Vor ihm stand ein relativ kleiner Mann mit Glatze und nicht mal einem Ansatz von Muskeln.
„Wer bist du und was willst du?", wollte Eric mürrisch wissen. Er hatte jetzt keinen Nerv für unwichtiges Zeugs!
„Josie schickt mich. Ihre Patientin ist aufgewacht. Terry oder Tessa. Ach... was weiß ich. Jedenfalls soll ich dir Bescheid sagen."
Eric riss die Augen auf: „Tracy?"
Der Mann legte seinen Kopf von einer auf die andere Seite und schien zu überlegen, bevor er nickte: „Ja. Tracy könnte es eventuell auch gewesen sein. Und das mit dieser Lauren meine ich ernst. Ist die scharf?"
Eric's Blick lag kalt auf seinem Gegenüber. Das war ja wohl nicht sein ernst. Er griff nach dem Schlüssel, der neben der Tür hing und schloss dann von draußen ab.

„Lange braune Haare, manikürte Fingernägel und sie schmeißt sich an jedes männliche Wesen ran. Sieh mal im Speisesaal nach. Wenn sie da ist, kann man die Schlampe nicht übersehen", meinte er abfällig und ließ den Mann dann stehen, der vor sich hin grinste und tatsächlich in Richtung Speisesaal davon lief.





Tracy LevineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt