Kapitel 12

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--- Eric POV ---

Frustration machte sich in ihm breit, als er Tracy dabei zuhörte, wie sie ihm um die Ohren schmiss, wie ekelhaft er war. Er wollte es sich selbst nicht eingestehen, aber es tat weh, wenn sie so von ihm sprach. Sie hatte ja recht. Er hatte viele Frauen. Aber wenn sie noch besser, als sowieso schon darauf achten würde, wäre ihr auch aufgefallen, dass er seit sie hier war keinen Sex mehr mit einem dieser Flittchen gehabt hatte, die sich nur die Karriereleiter hoch schlafen wollten. Seit er sie kannte, hatte er nicht mehr mit Lauren, Michelle oder, wie auch immer die alle hießen geschlafen und das nur, weil sie da war.

Wie sehr hatte er sich gewünscht, sie vergessen zu können, aber immer in den ungünstigsten Momenten schlich sie sich in seinen Kopf und er schaffte es einfach nicht, sie zu ignorieren. Es bereitete ihm Schuldgefühle, wenn er eine Frau, die nicht Tracy war auch nur gerührte.

Was hatte sie nur mit ihm angestellt? Hatte er sich in sie verliebt? Das war doch gar nicht möglich. Ein Anführer verliebte sich nicht. ER verliebte sich nicht! Niemals! Aber was war dann mit ihm los? Dieses Mädchen ging einfach nicht aus seinem Kopf und er machte sich tatsächlich Sorgen um sie, wenn sie Kämpfen musste, oder wenn man sah, dass es ihr nicht gut ging. Und er hatte gute Laune, wenn sie lächelte. Nicht, dass er das auch zeigen würde. Nein, er musste Haltung bewahren. Er konnte es sich unmöglich leisten, mit einer Initiantin zu schlafen, sich in sie zu verlieben oder ähnliches. Oder doch?

Eric lenkte seinen Blick wieder auf Tracy, die ihn keuchend ansah. Sie hatte ihm gerade eine kleine Rede gehalten und langsam konnte man sehen, wie sie rot wurde. Scheinbar wurde ihr erst jetzt klar, dass er ihr Anführer war. Er hatte die Macht, sie einfach rauszuwerfen, ohne, dass sie sich dagegen wehren könnte.

Schwer schluckte Tracy und Eric konnte nicht anders, als auf ihre leicht geöffneten Lippen zu sehen, durch die sie zittrig ein und ausatmete. Konnte er es wagen?
Seine innere Stimme schrie ihn an, es zu lassen, doch es ging einfach nicht anders.

Leicht beugte er sich vor und ihre Lippen waren nur noch leicht von seinen entfernt. Ihre Augen wurden etwas größer, als sie scheinbar merkte, wie nah sie sich waren. Aber Eric konnte nicht mehr länger warten.
Schnell überwand er den letzten Abstand und presste seine Lippen auf ihr. Seine Lippen begannen zu prickeln, aber er traute sich nicht, sie zu bewegen aus Angst, sie würde ihn dann weg schubsen. In ihm stieg eine unbekannte Hitze hinauf und er hätte so gerne noch mehr gewagt, aber das würde sie wohl nicht zulassen. Außerdem konnte er jetzt unmöglich mehr machen. Sie hatte ihn schließlich gerade als widerlich bezeichnet.

Selbst von hier konnte er noch spüren, wie schnell ihr Herz schlug und es hätte ihn fast zum Lächeln gebracht. Aber auch nur fast. Als sie sich ihm mit ihren Lippen jedoch entgegen presste, wich er zurück. Er musste das noch stoppen, bevor es zu spät war. Es war sowieso schon gefährlich gewesen. Auch wenn momentan niemand hier war, hätte jederzeit jemand den Raum betreten können.

Unbemerkt schluckte er seine Unsicherheit runter und sah sie an, wie sie ihre Augen öffnete. Sein Herz war am rasen und er musste sich dazu durchringen, seinen Atem wieder zu beruhigen und seine kalte Miene auf sein Gesicht zu legen. Er würde sich nicht auch noch den Rest von seinem Stolz nehmen lassen. Dieses Mädchen hatte ihn so oder so schon vollkommen angreifbar gemacht.

Er musste das, was er hier, heute und in letzter Zeit angefangen hatte sofort beenden. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Was war denn da nur in ihn gefahren?

„Es ist schade, dass ich dich scheinbar so anekle."

Mit diesen Worten verließ er den Speisesaal und er musste sich wirklich Mühe geben, nicht die erste Person zu verprügeln, die ihm über den Weg lief. Es wäre wohl auch nicht sonderlich schlau gewesen, Max zu schlagen. Also war es gut, dass er seine Selbstbeherrschung nun langsam, aber sicher wiedererlangte.

Wütend auf sich selbst, Tracy, die Initianten, seine Kollegen, die Ferox, die Ken, die Amite, die Altruan, die Canodr und auf alle anderen, die es da draußen noch gab, stampfte er durch die leeren Gänge auf seine Wohnungstür zu. Dabei hatte der Tag doch so gut angefangen. Er hatte nur die Tür geöffnet und das mit Abstand netteste und schönste Gesicht hier im Hauptquartier geblickt.

Seufzend öffnete er die Tür. Er begann wieder zu schwärmen. Und wie konnte man das am Besten bekämpfen? Ganz genau. Mit schnellen, strammen Schritten ging er auf seinen Kühlschrank zu und öffnete ihn. Würde ihm Bier bei diesem Problem reichen? Zu sich selbst schüttelte er energisch den Kopf. Bier würde ihm bei diesem Problem nicht helfen. Er schnappte sich zwei Flaschen Wodka und lief damit auf seine Couch zu. Dort schaltete er den Fernseher an und sah sich einen der Showkämpfe an, die er vor ein paar Tagen aufgenommen hatte, weil er ihn nicht direkt hatte sehen können.

Seine erste Flasche hatte er bereits nach 30 Minuten leer und er wartete gar nicht lange, bis er die nächste öffnete. Der erste Schluck hatte vielleicht etwas ihm Rachen gebrannt, doch jetzt war davon gar nichts mehr zu spüren. Er trank es einfach, wie Wasser. Das war gar nicht schwer. Auch wenn er oft und viel Alkohol trank, merkte er nach einiger Zeit, wie seine Sicht verschwommener wurde und sein Gehirn vollkommen benebelt war. Regungslos saß er auf seiner Couch und stierte auf den Bildschirm, auf dem der eine Kämpfer dem anderen einen harten Schlag in die Magengegend verpasste. Das war ein Kampf. So was bekam man bei dem Training mit den Initianten nicht zu sehen. Das war ja mal sicher. Auch nicht, dass der Angreifer einfach weiter auf sein Opfer einschlug. Beim Training waren diese Kinder seiner Meinung nach viel zu zimperlich.

Er sah sich das noch eine ganze Weile an. Jedenfalls solange, bis es an seiner Tür klopfte. Ein Seitenblick auf seine Uhr zeigte ihm, dass es bereits spät am Abend war und er beschloss, das Klopfen zu ignorieren. Scheinbar war das aber nicht der Plan von der nervtötenden Person vor der Tür. Nach einer Minute wurde es ihm zu bunt und er stand schwankend auf. Kurz musste er sich sammeln, um wieder eine klare Sicht zu bekommen und als er auch wieder erkennen konnte, wo die Tür war, konnte er sich auch in diese Richtung bewegen. Kurz bevor er da ankam, klopfte es schon wieder und genervt rief er: „Ist ja schon gut!"

Dann öffnete er die Tür und sah erstaunt zu Lauren, die in einem langen, schwarzen Mantel vor ihm stand. Stirnrunzelnd sah er sie an. Lauren machte einen kleinen Schritt zu ihm.

„Ich dachte, ich mache es wieder gut. Weil ich dich heute morgen doch so angemotzt habe", säuselte sie und öffnete langsam ihren Mantel. Eric nahm das Ganze, wie in einem Rausch wahr. Auch, dass Lauren ihn an der Hand nahm und in sein Schlafzimmer führte, bekam er nur so halb mit. Aber es war Ablenkung von Tracy. Und das konnte er gerade wirklich gut gebrauchen.


--- nächster Morgen ---


Die Sonne war schon längst aufgegangen, als Eric am nächsten Morgen aufwachte. Lauren lag an ihn gekuschelt da, während er ihr den Rücken zugedreht hatte. Murrend rückte er von ihr weg und sah auf die Uhr neben seinem Bett. 8:34 Uhr. Seufzend ließ er sich wieder in sein Kissen sinken. Wann fing das Training nochmal an? Scheiße!

Senkrecht saß er im Bett. Er war zu spät. Zwei Stunden, um genau zu sein.
„Lauren!", schnauzte er die Frau neben sich an und stand auf, um in Richtung Bad zu gehen. Lauren regte sich leicht und setzte sich hin.
„Beweg dich", knurrte Eric. „Das Training hat schon angefangen."

Lauren seufzte leise, richtete sich aber ein wenig auf. Eric ging ins Bad und duschte sich schnell ab. Er war zwar spät, doch duschen musste er trotzdem. Das tat er jeden Morgen und er würde heute auch nicht damit aufhören. Das Wasser klärte auch seinen Kopf wieder und es machte ihn verrückt, dass er diese Schlampe da draußen in seiner Wohnung sitzen hatte. Was hatte der Alkohol denn bitte mit ihm angestellt? Wie bescheuert konnte man denn sein? Er wollte doch eigentlich mit diesen billigen Flittchen aufhören und gleich bei der nächsten Gelegenheit machte er sein Vorhaben wieder zunichte.

Als er die Dusche ausstellte und sich ein Handtuch um die Hüfte wickelte, bekam er erst seinen pochenden Kopfschmerz mit. Verdammter Wodka. Sich den Kopf haltend ging er zurück in sein Schlafzimmer, wo Lauren immer noch lag und ihn verlangend ansah.

„Ich hab doch gesagt, du sollst deinen Arsch aus meiner Wohnung schaffen!", meinte er sehr viel wütender, als noch davor. Vor allem ärgerte er sich aber darüber, dass er sie überhaupt reingelassen hatte.

„Wieso bist du so gemein zu mir?", jammerte sie und sah ihn mit einer Schnute an.
„Weil du immer noch hier bist!", wütete er. „Verschwinde, okay?"
„Was ist denn nur mit dir? Gestern Nacht war so schön und du zerstörst alles!"

Auch Lauren wurde nun lauter und sah ihn mit einer bösen Miene an. Schnaubend stieg sie aus dem Bett und stand nun ganz nackt vor ihm. Eric beachtete das gar nicht und zog sich um. Im Vorbeigehen drückte er nur ihren schwarzen Mantel in die Hand: „Das war nur eine Nacht. Denkst du etwa, ich empfinde etwas für dich?! Du bist nur ein Mittel zum Zweck. Also sei still, zieh dich an und verschwinde aus meiner Wohnung. Wir sind eh schon zu spät zum Training und das wird für uns beide ein Nachspiel haben. Also mach hinne!"

Lauren sah ihn mit Tränen in den Augen an, doch er hatte kein Mitleid mit ihr. Wozu auch? Eigentlich wollte er mit diesem Flittchen doch gar nichts mehr zu tun haben. Das alles hier war mehr ein Ausrutscher gewesen.

„Du bist das aller letzte, Eric!", schrie Lauren und hüllte sich in den Mantel. „Du wirst es noch bereuen, so mit mir gesprochen zu haben! Du wirst angekrochen kommen und um Entschuldigung flehen und so gütig, wie ich bin, werde ich dir verzeihen."

Damit verließ sie seine Wohnung. Eric starrte ihr fassungslos hinterher. Er wollte wirklich unbedingt wissen, was es war, was ihr so das Gehirn vernebelt hatte, dass sie wirklich dachte, er würde bei ihr um Entschuldigung bitten. Sie hatte wohl irgendwas falsches geraucht!


--- Trainingshalle ---

Als Eric die Trainingshalle betrat, schritt ihm sofort eine kleine, wütende Person entgegen.

„Du bist zwei Stunden zu spät Eric!", schnaubte Tris und hatte mahnend den Finger erhoben. Auch wenn Eric sie nicht so sonderlich leiden konnte, wusste er, dass dieses kleine Persönchen sehr gefährlich werden konnte, wenn sie sauer war.
„Es tut mir Leid", murmelte Eric notgedrungen. Tris war eine der einzigen Personen, bei denen er sich je entschuldigen würde. Eigentlich machte er das nie. Er wollte seinen Ruf schließlich nicht gefährden. Aber Tris war niemand, der durch die Gegend rufen würde, dass er einen Fehler gemacht hatte, oder dass er sich dafür entschuldigt hatte. Das war das Gute an ihr. Das Schlechte an ihr war ihr prüde Ader, ihre Freunde, ihr „Humor" und ganz besonders schlimm war Four.

„Ist schon okay. Und wo ist Lauren?"; wollte sie wissen und sah sich suchend um.
„Weiß nicht", erwiderte Eric und zuckte mit der Schulter. „Das wir zu spät sind, wird Ärger geben, oder?"
Tris nickte und lächelte dann aufmuntern: „Ich hab schon mit Max geredet. Soweit ich weiß, musst du nach dem Training zu ihm kommen. Aber deine Strafe ist nicht groß. Du musst nur die Ausrüstung für 'Capture the Flage' selbst sauber machen und die Patronen in die Pistolen tun. Das dauert nicht mal lange und du hast es verdient... nicht wahr?"

Eric stöhnte leise auf. Sauber machen musste er sie auch noch? Das durfte wirklich keiner erfahren. Das war unglaublich peinlich.

„Ich geh wieder zu Four. Du kommst ja dann hier auch alleine zurecht", Tris grinste ihn noch mal an und wollte sich gerade umdrehen, als ihr noch etwas einzufallen schien. „Tracy war vorhin nicht so freundlich zu mir. Sie muss nach dem Training noch 10 Extrarunden laufen."

Damit verschwand sie aus der Trainingshalle und Eric's Blick wanderte sofort zu Tracy, die Tris wütend hinterher starrte. Stirnrunzelnd sah er ihr zu, wie sie nun wieder mit voller Kraft gegen den Boxsack schlug. Wollte er wissen, weshalb sie so gereizt aussah?

Lieber nicht.





Tracy LevineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt