Kapitel 36

233 10 0
                                    

--- Eric POV ---


Es fiel Eric in den nächsten Stunden schwer, überhaupt einen klaren Gedanken zu fassen. In der Nacht war Tracy nicht bei ihm, sie schief im Schlafsaal der Initianten. Wie sie dachte, immer noch, um die Beziehung vor anderen zu verbergen. Dass es längst aufgeflogen war, wusste sie nicht. Eric hatte es bisher nicht über sich gebracht, mit ihr zu reden. Seine Augen waren starr nach oben an die Decke seines Schlafzimmers gerichtet. Die Arme hatte er hinter seinem Kopf verschränkt. In Gedanken legte er sich alle möglichen Worte zurecht, die er zu Tracy sagen konnte. Er musste mit ihr sprechen. Immerhin konnte er nicht ihr Leben riskieren für diese erst so frische Beziehung. Würde sie fraktionslos werden, hätte sie keine Chance mehr, jemals ein normales Leben zu führen und er konnte das nicht zulassen. Niemals würde es soweit kommen. Erst recht nicht wegen ihm.


Jede Rede, die Eric vorbereitete, schien ungeeignet. Es war vermutlich unmöglich, sich von ihr zu trennen, ohne dass sie verletzt war. Er wäre es auch, wenn sie ohne triftigen Grund mit ihm Schluss machen würde. Vielleicht war es ja genau das. Er musste ihr erklären, warum es so kam, wie es eben auch kommen würde. Es machte ihn verrückt, darüber nachzudenken. Mit jedem einzelnen Wort, dass er sich zurechtlegte, sah er Tracy's Gesicht vor sich. Schuld überkam ihn. Es war ein schreckliches Gefühl. Er wusste nicht, ob sie schreien oder weinen würde. Vielleicht würde sie gar nichts machen, sich umdrehen und für immer verschwinden. Er glaubte jedenfalls nicht, dass er von ihr Verständnis erwarten konnte. Eric konnte tatsächlich mit allem rechnen, außer eben Toleranz.


Schnaufend zog er seine Hände unter seinem Kopf weg und ließ sich tiefer in die Kissen sinken. Er musste wirklich schlafen, sonst würde er den morgigen Tag nicht überstehen. Wenn er nicht genug Schlaf hatte, wurde er meistens ziemlich übellaunig. Ihn selbst störte dieser Charakterzug, weil er sich dadurch oft wie ein Kleinkind fühlte. Erwachsene Menschen sollten ihre Wut nicht an anderen auslassen, nur weil gerade etwas nicht so lief, wie es sollte. Andererseits: Es machte teilweise ziemlich viel Spaß.


Obwohl er in dieser Nacht versuchte, durchzuschlafen und sich nicht von seinen Gedanken wachhalten zu lassen, schreckte er doch immer wieder auf. Dementsprechend mürrisch war er auch am nächsten Tag. Im Speisesaal konnte er Tracy mit ihren Freunden beobachten. Sie lachte herzlich mit ihnen über einen Witz, den Cole scheinbar gemacht hatte. Kurz überkam ihn Eifersucht. Ob sie sich jemand Neuen suchen würde, wenn er sich von ihr trennte? Er schluckte schwer und versuchte seine krampfartige Miene aufzulösen, als seine Freundin in seine Richtung sah und ihm ein kurzes Lächeln zuwarf. Tracy war niemand, der sich gleich dem Nächstbesten an den Hals warf. So hoffte er zumindest. Er sollte wirklich etwas mehr Vertrauen zu ihr haben.


Er versuchte ihr ebenfalls zuzulächeln, ließ es aber augenblicklich bleiben, als er einen stechenden Blick in seinem Rücken spürte. Er musste sich nicht umdrehen, um nachzusehen, wer es war. Niemand außer Max würde ihn so belauern, wie diese Person hinter ihm es gerade tat. Er fühlte sich unwohl und bewacht. Das war er nicht gewohnt und wenn er so darüber nachdachte, dann musste er sagen, dass er dieses Gefühl mehr hasste, als jedes andere Gefühl, das er je hatte.


Vorsichtig und möglichst beiläufig wendete er seinen Blick von Tracy's Tisch ab und ließ ihn weiter durch den Raum schweifen. Eric glaubte eigentlich nicht, dass er Max damit täuschen könnte, trotzdem war es ein Versuch wert. Immer wieder ließ er seine Augen an einem Fleck im Speisesaal verharren und sah dann weiter. Schließlich richtete sich seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Essen.

Tracy LevineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt