Kapitel XVI - Träume

250 19 21
                                    

Ich versuchte meinen unregelmäßigen Atme unter Kontrolle zu bekommen, war wie erstarrt und traute mich immer noch nicht, die Augen zu öffnen. Nur hatte ich leider keinen anderen Weg, ich musste sie öffnen. Immerhin hätte ich dann – wenn auch nur eine sehr kleine – Chance, mich zu verteidigen. Kurz bevor ich mich aufrappeln und mich meinem Gegner stellen wollte, spürte ich etwas, das mein Gesicht berührte.

Die Panik in meinem Körper hatte eindeutig die Oberhand gewonnen, denn plötzlich fing ich an zu quieken und stand urplötzlich auf, nur um mir gleich darauf ein Stock zu schnappen, der sich praktischer Weise neben mir befand. Kurz bevor ich ausholen wollte, erkannte ich einen pechschwarzen Wolf vor mir. Urplötzlich breitete sich ein wohliges Gefühl in mir aus und meine Muskeln schienen sich zu entspannen. Keine zwei Sekunden später stand auch schon Noah persönlich vor mir. Immer noch angespannt, ließ ich den Stock fallen und atmete erleichtert aus.

»Na, hab ich dich erschreckt?« Er stand lässig vor mir und schaute mich mit seinen dunkelbraunen Augen an.

»Hör auf mit dem Unsinn, das ist nicht witzig. Kann man hier denn nicht mal ein paar Minuten für sich haben?« Ich war gereizt, sehr sogar. Keine viertel Stunde war ich aus diesem Haus raus und schon wurde ich verfolgt. Seine Miene neutralisierte sich wieder und er starrte mich ausdruckslos an.

»Ich wollte mich nur entschuldigen«, sagte er und schaute auf seine Füße.

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, es ist okay. In ein paar Tagen wirst du mich sowieso los, von daher.« Ebenfalls wandte ich meinen Blick ab und starrte nun ins Leere.

»Ich kann dich niemals loswerden«, antwortete er, so leise, dass ich mir nicht einmal sicher war, ob er mit sich selbst gesprochen oder es tatsächlich an mich gerichtet war. Egal wie sauer ich manchmal auf ihn war, ich würde lügen wenn ich sagen würde, dass ich nicht etwas außergewöhnliches für ihn empfand. Es war einfach etwas anderes, es war nicht mit dem Verliebtsein zu vergleichen, es war so als wären wir aneinander verbunden. Noah war für mich da, als ich ihn wirklich gebraucht hatte. War dabei, als ich meine Verwandlung durchgemacht hatte, dabei, als meine Eltern gestorben waren. Ich war ihm einfach ein Dankeschön schuldig.

»Hey, ich wollte mich nochmal bedanken – für alles – was du für mich gemacht hast. Das hätte nicht jeder getan. Du hast mich bei dir aufgenommen, als es mir dreckig ging. Du bist echt . . . ein guter Mensch.« Wie immer tat er das, was er immer tat. Nickte mir trocken zu und fing ein neues Thema an. Mein Gott, der benimmt sich ja so, als wäre er hochschwanger.

»Das Wetter sieht sehr übel aus, und du siehst nicht gerade so aus, als wäre dir sehr wohl bei dem Wetter. Jedenfalls bist du kreidebleich. Wir sollten zurück gehen.« Wie immer war Widerspruch für mich sinnlos, da es bei Noah nichts brachte. Ich hatte einfach keine Lust, ihm aufs Neue zehn Mal zu erklären, wie sehr ich solch ein Wetter liebte. Also willigte ich ein und wir marschierten wieder zurück. Außerdem hatte ich sowieso viel zu tun, immerhin musste ich noch meinen ganzen Kram zusammenräumen.

Nachdem wir dann stillschweigend aus dem Wald herausgelaufen waren, ging ich sofort in Noahs Zimmer und schnappte mir meine Tasche. Ich gab mir keine große Mühe dabei, die Sachen alle sorgfältig zu falten, sondern schmiss sie einfach hinein. Kurz betrachtete ich das eingerahmte Foto meiner Familie und strich über das Glas hinüber. Danach landete es – wie alles andere auch – in meiner Tasche, die ich dann zumachte und auf den Boden bereitlegte

Lennox kam auf mich zu und schmiss sich – nach vielen vergebenen Versuchen – auf das Bett und legte seinen Kopf auf meinen Schoß. Ich kraulte ihn ein wenig und legte mich dann selber auf das Bett und schloss für einen eigentlich kurzen Moment die Augen.

Ich musste wohl eingenickt sein, denn ich spürte, dass ich mich nicht auf der Decke, sondern unter der Decke befand. Ich öffnete verschlafen die Augen und versuchte etwas um mich herum zu erkennen. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und erkannte eine Gestalt neben mir – schreckte für einen Moment kurz auf – aber erkannte dann im Nachhinein, dass es Noah war. Aber was machte er in diesem Bett? Hatte er mich zugedeckt? Hatte er mich etwa beim schlafen beobachtet?

Run (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt