Kapitel XXIV - Hoffnungsschimmer?

195 15 8
                                    

Eine Hand strich langsam aber sicher über meine Stirn, von da aus weiter herunter zu meinem Haar, welches es dann langsam zur Seite strich und damit spielte. Das letzte woran ich mich erinnerte war, wie ich aus diesem Lager herausgetragen wurde.

Langsam öffnete ich die Augen und schaute in das schönste Augenpaar, in das ich je geguckt hatte. Er grinste auf mich hinab und gab mir einen leichten Kuss auf die Stirn. Seine Lippen hatten noch einen kurzen Moment auf meiner Stirn geruht, ehe er sich zurückgezogen und erneut angefangen hatte, mit meinen Haaren zu spielen.

»Noah. . .«, murmelte ich, aber meine Zunge fühlte sich wie ein toter Klumpen in meinem Mund an.

»Shhh, es ist alles gut, Prinzessin«, raunte er, und nahm meine Hand in seine.

»Ich hatte . . . ich war so . . . es tut mir leid . . .« Ich konnte keinen vernünftigen Satz bilden, da sich alles so komisch anfühlte.

»Wo bin ich?«, fragte ich. Ich hatte so viele Fragen, jedoch war ich so benebelt, dass ich keine weitere Frage über die Lippen brachte.

»Im Krankenhaus, seit gestern, dir geht es gut, bis auf . . .«, er verstummte, und im Augenwinkel sah ich, wie sein Kiefer zuckte.

Schlagartig erinnerte ich mich an Robert . . . an die Spritze, die mir verpasst wurde, an die Wunde meines Armes . . . Ich blickte auf meinen Unterarm und sah, wie sie mit einem dicken Verband umhüllt war.

»Du wärst eigentlich Zuhause, aber wir waren uns nicht sicher wegen des Medikamentes, was dir verabreicht wurde. Deswegen wollten wir dein Blut untersuchen lassen . . .«

»June, wo ist June?« Er schaute mich an, aber irgendwas war anders. Irgendwas an seinem Blick war total anders.

»Alyssa«, fing er an und legte seine Hand auf meine Wange. Schlagartig überkam mich eine Welle der Gänsehaut. Tränen bildeten sich in meinen Augen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt sagt man ja bekanntlich.

»Nein, Nein, Nein«, murmelte ich und versuchte seine Hand abzuschütteln.

»Oh mein Gott, Nein!«, schrie er schon beinahe und wurde ganz hippelig.

»Sie lebt . . . ihr geht es gut«, sagte er, und sofort entspannte ich mich. Verhindern konnte ich leider nicht, dass die Tränen flossen. Es waren jedoch Tränen der Erleichterung.

»Wo ist sie?« Ich musste sie unbedingt sehen.

»Zuhause. Wir haben sie ebenfalls im bewusstlosen Zustand gefunden. Großvater konnte sie nur schwer aufhalten, sie wollte dich unbedingt sehen«

»Ihr geht es aber gut, oder?«

»Ja«, hauchte er und gab mir einen Kuss auf die Wange

»Ich werde den Ärzten Bescheid geben, dass du wach bist.«

Als Noah wieder im Zimmer in Begleitung von einem Arzt war, hatte ich mich wieder sammeln können.

»Das wird eine hässliche Narbe geben«, stellte der Arzt fest, und deutete auf meinen Arm. Na super, jetzt würde ich auch noch eine widerliche Narbe an den schlimmsten Tag meines Lebens erhalten. Super, wer erinnerte sich denn nicht gerne daran, wie er fast von einem psychopathischen Vampir in Stücke gerissen wurde?

»Ich denke, Sie können dann ohne weiteres gehen. Sie müssen sich gut kurieren. Ich denke in zehn Tagen können Sie erneut herkommen, um die Fäden ziehen zu lassen.«

»Wie viele Stiche sind es denn?«

»Fünfzehn. Vielleicht sollten Sie eine Therapie in Anspruch nehmen . . .«

Na super toll, jetzt dachte der Doc auch noch, ich hätte einen psychischen Klacks.

»Ich werde gut auf sie aufpassen, Doc. Vielen Dank für alles«, fiel Noah ihm ins Wort. Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu. Er erwiderte es mit einem Lächeln.

»Na dann, gute Besserung«, sagte er an mich gerichtet.

-

»Wohin fährst du?«

»Zu mir, ich werde dich ganz bestimmt nicht alleine lassen«, sagte er und warf mir einen Blick zu.

»Aber . . . Ich sollte zu June . . .«

»Großvater ist bei ihr.«

»Aber . . .«

»Keine Diskussionen mehr, wir fahren zu mir.« Ich schaute aus dem Fenster und versuchte all das, was mir in den letzten vierundzwanzig Stunden passiert war, zu verdauen. Ich musste an Blakes Worte denken. Ich . . . ich hatte eine Familie da draußen, die mich zurückgelassen hatte. Ich sollte einen Bruder haben? Das alles war so verwirrend. So ein Unsinn, alles, was Blake mir erzählt hatte, könnte genauso gut gelogen sein. Aber . . . was, wenn nicht?

»Woran denkst du?«, fragte Noah, nachdem er mit dem Auto vor seiner Auffahrt angehalten hatte. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie schnell die Fahrt vergangen war. Ein vertrautes Gefühl machte sich in mir bereit, ich fühlte mich wohl.

»An alles«, antwortete ich schlicht. Es war ja auch einerseits die Wahrheit.

»Komm, wir gehen rein. Du musst dich schonen«, sagte er und nahm meine Hand. Er führte mich in das Haus hinein und steuerte direkt auf sein Zimmer zu. Alles war genauso, wie ich es hinterlassen hatte. Über seinem Bett hing immer noch der wunderschöne Traumfänger. Noah führte mich weiter in Richtung Bett und gab mir ein Zeichen, dass ich mich hinlegen solle. Ich zuckte kurz auf, denn die Naht meines Handgelenkes tat auf einmal weh.

»Hast du Schmerzen?«, fragte Noah und war auf der Stelle total angespannt.

»Es geht schon, die Naht tut nur ein bisschen weh.« Er hatte sich an die Bettkante gesetzt und führte seine Hand zu meiner Stirn.

»Ich hatte solche Angst um dich, das glaubst du mir gar nicht«, sagte er, und für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, seine Stimme wäre brüchig. Er hatte sich aber sofort wieder gefangen.

»Ich denke, wir müssen reden«, sagte ich. Ich würde verrückt werden, mit all den Informationen in meinem Kopf.

»Das Rudel sollte dabei sein. Was du getan hast, war saugefährlich. Dir ist schon klar, was hätte passieren können? Du bist so dickköpfig und . . .«

»Ella hatte recht, sie waren nicht meine Eltern. Ich habe so einiges herausgefunden, und ich bereue es nicht, dahin gegangen zu sein. Ich habe alle Antworten, die ich haben wollte.«

»Was willst du mir damit sagen?«

»Bei all dem, woran ich mich erinnere, kann ich dir so viel sagen. Ich solle wohl einen Bruder haben. Weil er sich in eine Vampirin verliebt hatte, hat er wohl das ganze Rudel verraten. Irgendjemand hat wohl seinetwegen Blakes Sohn umgebracht. Irgendwas mit einem Kampf? Meine biologische Mutter hatte mich wohl deswegen weggegeben. Weil sie mich beschützen wollte, und Blake auf ewige Rache geschworen hatte. Mein Leben gegen seins.« Ich hielt einen Moment inne, ehe ich weitererzählen konnte.

»Meine Eltern . . . Mom und Dad, sie sind meinetwegen gestorben. Blake hatte mich wohl gesucht, als sie sich dann geweigert hatten, ihm mein Ort mitzuteilen, sind sie . . . hat er sie umgebracht. Blake meinte auch, dass sie von allem Bescheid wussten und . . .«

»Warte, wie, sie wussten von all dem Bescheid? Auch, dass du . . .«

»Ja, auch dass ich nicht ihr leibliches Kind bin . . . ich meine war . . .«

»Ihr Name ist Hazel, meine Mutter heißt Hazel . . .«

Noah erstarrte auf einmal und spannte sich an.

»Sie . . . hieß Hazel?«

Ich zuckte mit den Schultern.

»Ja, hat Blake so gesagt. Was hast du denn?«

»Alyssa, wir müssen sofort zum Rudel, ich glaube, ich weiß, wer deine Eltern sind und wo wir sie finden werden . . .«



Hoffe, dass es euch gefällt. Schönes verlängertes Wochenende wünsche ich euch.

Eure G. <3

Run (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt