Kapitel VIII - Einsamkeit

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Wie durch ein Wunder hatte ich die restliche Nacht sehr gut geschlafen. Was mich aber hauptsächlich am meisten beruhigt hatte, war Noahs regelmäßiger Herzschlag. Es klang so melodisch, so beruhigend, ja, es war beinahe hypnotisierend.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war die andere Bettseite, wo sich eigentlich hätte Noah befinden sollen, leer. Ich stieg aus dem Bett und ging ein paar Schritte auf das überdimensionale Fenster zu. Als ich jedoch genauer hinausschaute, schnappte ich entsetzt nach Luft. Ich sah, wie die Regentropfen auf ein Blatt einer Pflanze fiel. Das mag jetzt total bescheuert klingen, aber es war wie in Zeitlupe. Ich wusste nicht, wie man das anders beschreiben sollte, aber ich sah alles.

Ich sah genau, wie dieser einzige Tropfen auf das grüne Blatt fiel, und dann langsam zu Boden tropfte. Ich sah alles so, als würde ich durch eine Kamera gucken, die eine fantastische Auflösung hatte. Ich ließ meinen Blick durch den Garten schweifen. Jeder einzelne Gegenstand, den ich normalerweise nie so genau betrachtet hatte, sah so anders aus. Es war einfach nur magisch.

Ein Gespräch unterbrach meinen Gedaneknfluss, vermutlich unterhielte sich Noah wieder mit seinem Großvater. Das mit dem Supergehör war wiederum etwas kritisch. Klar, es war toll, alles zu hören. Aber dennoch sollte man nicht unbedingt alles hören, was besprochen wird.

Langsam ging ich in die Richtung, von der die Stimmen kamen und traf kurze Zeit später im Wohnzimmer Noah und seinen Großvater.

"Guten Morgen", nuschelte ich und schaute mich um. Ich wusste nicht warum, aber irgendwie war mir das alles total unangenehm.

"Guten Morgen, Schätzchen", sagte Noahs Großvater.

"Brauchst du irgendwas?", fragte Noah.

"Ich ... wo ist denn hier das Badezimmer?"

Noah begleitete mich zum Badezimmer, dies tat er allerdings stumm.

"Wenn du noch irgendwas anderes brauchst, sag bescheid."

Gerade als ich das Badezimmer betreten wollte, hielt er mich an meinem Oberarm fest.

"Ach ja, es kann sein, dass du möglicherweise Veränderungen an dir sehen wirst. Aber das ist normal."

Veränderungen? Was hatte das zu bedeuten? Ich riss meinen Oberarm aus seiner Hand und betrat eilig das Badezimmer. Auf dem Boden befand sich ein großer weißer Teppich, und allgemein wurde hier erneut mit der weißen Farbe gespielt. Es sah wunderschön aus, zu meiner Linken befand sich ein großer Waschbecken, über ihm ein Spiegel. Rechts befand sich eine große Regendusche und eine Toilette. Vor mir befand sich ein großer Ganzkörperspiegel, auf den ich langsam zuging.

Mein Haar war um einiges länger geworden und überhaupt, meine dunkelbraunen Haare hatten jetzt einen Schwarzton angenommen! Meine Lippen waren voller und hatten eine natürliche Rötung. Meine Haut war auch bräunlicher geworden und meine Brüste waren auch gewachsen! Um Gottes Willen, ich war ein komplett anderer Mensch. Was mich aber am meisten schockierte, waren meine Augen. Sie hatten nämlich einen dunkelblauen Ton angenommen.

Langsam führte ich meine Hand in Richtung Haar, und langsam tastete sich meine Hand zu meinem Gesicht hoch, wo es dann an meiner Wange ruhte. Ich schweifte mir über meine vollen, kirschroten Lippen. Ich stellte mich ins Profil und betrachtete mich. Ich wusste nicht warum, aber es gefiel mir auf irgendeine Art und Weise. Ich ging zum Waschbecken und wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser um einen klaren Kopf zu bekommen. Nachdem ich dann mit allem fertig war, ging ich aus dem Badezimmer und ging in Noahs Zimmer, was ich ja irgendwie unter Besitz genommen hatte.

Ich setzte mich auf den Schaukelstuhl, der sich direkt neben dem Fenster befand und fing an zu wippen. Was meine Eltern wohl gerade machten? Letztes Mal konnte ich mir noch eine Ausrede ausdenken, aber dieses Mal? Ich werde sie wahrscheinlich nie wieder sehen. Aber ich konnte es nicht, ich musste zurück gehen! Ich hatte meine Mutter so sehr vermisst, ihre tollpatschige Art, wie sie sich immer Sorgen um mich gemacht hatte. Ich hatte meinen Vater vermisst, die Zeiten, wo wir alle am Esstisch saßen und über jegliche Sachen gelacht hatten. Ich vermisste Lennox, es war alles einfach so schrecklich. Unkontrolliert kullerte mir eine Träne die Wange entlang. Kurze Zeit später hörte ich Schritte im Flur, sie kamen auf das Zimmer zu, indem ich mich befand.

Run (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt