Kapitel I - Run

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Ich spürte, wie mein Herz immer schneller schlug, spürte wie der Puls in meinen Adern bebte. Meine Beine wollten nicht mehr, jedoch ließ ich nicht locker. Ich erhöhte die Geschwindigkeit auf dem Laufband auf 18.

Dieses Gefühl während ich lief war unbeschreiblich. Ich fühlte mich frei, unabhängig. Mittlerweile lief ich schon seit 30 Minuten. Meine Lungen wollten nicht mehr, ich spürte wie sie kurz davor waren schlapp zu machen.

Seit ungefähr vier Monaten trainierte ich jetzt regelmäßig im Studio. Was sollte ich auch sonst machen? Seitdem wir umgezogen sind verbrachte ich meine Zeit nur noch im Studio, und das täglich. Ich konnte mich mit dieser neuen Stadt einfach nicht anfreunden. Eine Möglichkeit hier Freunde zu finden war sehr gering. Ich besuchte trotz des Umzugs immer noch meine alte Schule. Ich hatte damals die Entscheidung entweder mitten im Halbjahr, oder zum zweiten Halbjahr zu wechseln. Ich entschied mich für keines der beiden Alternativen.

Also hieß es ab jetzt jeden Morgen in der Früh aufzustehen, damit ich es rechtzeitig schaffen konnte. Ich versuchte so wenig Zeit wie möglich meinem neuen Wohnort zu verbringen. Meine Eltern verstanden mich überhaupt nicht. Sie finden die neue Kleinstadt sehr schön. Oftmals gab es Diskussionen im Hause, jedoch ließ ich irgendwann einfach nach. Denn es hatte einfach keinen Sinn. Wir redeten nur aneinander vorbei. Ich hatte mir selber geschworen, dass ich sobald ich die Möglichkeit hatte, auszuziehen. So lange würde es nicht mehr dauern, nur noch sieben Monate. Sieben Monate in der Hölle. in der Zwischenzeit würde ich meine aufgestaute Wut auf dem Laufband auslassen. Ich war nie der Typ Mensch, der sich auf Konfrontationen einließ. Immer ließ ich die Wut woanders heraus.

Ich betätigte die "Cool down" Taste auf dem Laufband und wurde von Minute zu Minute immer langsamer. Ich schnappte mir mein Handtuch und wischte den Schweiß der sich an meiner Stirn gesammelt hatte, ab. Im Augenwinkel konnte ich sehen, dass mich ein merkwürdiger Junge die ganze Zeit betrachtete. Ich ignorierte es jedoch wie immer und lief - besser gesagt ging - die letzten Sekunden meiner Laufzeit weiter. Es war nicht das erste Mal, schon des öfteren hatte ich es bemerkt; seine Blicke galten nur mir. Nur konnte ich nicht deuten, ob sie etwas positives oder negatives zu bedeuten hatten.

Anschließend schnappte ich mir meine Wasserflasche und begab mich in Richtung Umkleidekabine. Ich war froh hier wenigstens eine Beschäftigung gefunden zu haben, welche mich einigermaßen glücklich machte. Ich wechselte meine Sportleggings durch meine schwarze enganliegende Hose, und mein Sporttop durch meinen grauen Kaputzenpulli um. Meine Haare ließ ich mir offen über die Schultern fallen und zog mir meine Kaputze über meinen Kopf. Nachdem ich mir dann meine Sneakers angezogen und mir meine Sporttasche geschnappt hatte, begab ich mich in Richtung Ausgang.

Es war spät, kurz vor elf. Jedoch störte es mich überhaupt nicht. Draußen nieselte es, und ich liebte es. Das war genau mein Wetter - Minusgrade, Regen, Gewitter - ich liebte das Gewitter. Das Geräusch des Donners, den Blitz, einfach alles. Ich lief an einer Gruppe Jungs vorbei, vielleicht Mitte 20. Ich roch den Alkohol, den sie konsumierten bis hier hin. Obwohl ich einen etwas größeren Bogen um sie machte war der Geruch nicht zu überriechen.

Wie dem auch sei, ich blieb ruhig und ging mit schnellen Schritten an ihnen vorbei. Es war jedoch nichts neues, dass mich das Unglück magisch anzog. Zumindest seitdem wir umgezogen waren.

»Hey Süße, lust dich zu uns zu gesellen? Wir haben auch alles was das Herz begehrt« , sagte einer der Jungs. Reflexartig drehte ich meinen Kopf in die Richtung woher die Stimme kam und schaute die Jungs an, machte Anstalt, etwas zu sagen, entschied mich aber dagegen. Stattdessen schenkte ich ihnen nur Blicke, die einen Mix aus Verwirrung und Erstauntheit trugen. Danach machte ich kehrt und ging meine Strecke weiter.

Plötzlich packte mich jemand an meinem Arm und zog mich zurück.

»Fass mich nicht an du Dreckskerl, fass mich nicht an« , schrie ich und versuchte vergebens mit den Beinen um mich herum zu schlagen in der Hoffnung irgendetwas sinnvolles treffen zu können.

Run (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt