Kapitel VI - Monster

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Ich spürte einen kalten Lappen auf meiner Stirn, überall wirres Gerede. Ich nahm alle Worte wahr, jedoch drang kein Einziges zu mir durch. Mein kompletter Brustkorb war wie weggeätzt. Alles tat weh, meine Zunge war wie ein toter Klumpen in meinem Mund.

"Sie wird wieder, Noah. Das verspreche ich dir."

"Was ... was wenn sie das alles nicht akzeptieren wird?"

"Das ist ihre Bestimmung. Das kann sie nicht ändern. Das ist das, was sie ist."

"Sie wird sich nicht unter Kontrolle halten können. Das wird niemals gut gehen! Wären diese Typen nicht an diesem Abend dagewesen, dann ..."

"Was dann, Noah? Du hast ihr Leben gerettet! Wenn du sie an diesem Abend nicht gerettet hättest dann ..."

"Dann hätte ich sie weiterhin von der Ferne aus beschützen können! Sie hatte mich in diesem Studio nicht einmal richtig wahrgenommen! Das hätte genauso bleiben müssen! Blakes Männer werden nicht locker lassen ..."

"Wir werden uns die Tage schon sowohl um Blake, als auch um seine Männer kümmern. Alyssa ist hier in Sicherheit."

Ich war nicht mehr in der Lage weiterhin zuzuhören. Meine Kehle war sehr trocken, ich brauchte Wasser. Mir war warm, was passierte nur mit mir?

Ich versuchte meine Augen einigermaßen aufzuhalten und konzentrierte mich so auf das Zimmer in dem ich mich befand. Es war Noahs Zimmer. Über dem Bett befand sich ein Traumfänger.

Ich war nicht in der Lage auch nur einen Finger zu krümmen, doch plötzlich spürte ich ein starkes Ziehen in meinem Unterleib. Daraufhin fing es an, an meinem ganzen Arm Nadelstiche zu verteilen. Als würde sich jemand eine Nadel nehmen und in meinem Arm herumbohren.

"Noah .."

Ich versuchte laut genug zu sein aber es klappte nicht. Keine zwei Sekunden später hörte ich schon die Schritte, die auf mich zu kamen. Moment mal, waren sie nicht bereits im Zimmer? Ich hatte sie doch gerade eben noch klar reden hören.

Das Brennen fing von vorne an, und ich schrie mir die Seele aus dem Leib. Mir musste jetzt endlich mal jemand erzählen was hier los war, was mit mir los war.

"Shh, shh! Alyssa ich bin hier, es wird wieder."

Ich hörte Noahs beruhigende Stimme an meinem Ohr doch es half nicht. Nichts half, ich wurde bei lebendigem Leibe verbrannt. Ich krallte meine Finger in das Bettlaken und schrie. Ich spürte wie eine weitere Träne meine Wange verließ. Ich hielt es nicht mehr aus, und irgendein Impuls sorgte dafür, dass ich mir die Bettdecke vom Köprer riss und anfing hinauszurennen.

"Alyssa, bleib stehen, Noah du musst hinterher!"

Ich rannte immer schneller, ohne Wissen wohin. Die Häuser um mich herum verschwanden und stattdessen kamen immer mehr Bäume. Ich rannte ohne Schuhe, geschweige denn Socken. Jedoch spürte ich nicht einen einzigen Hauch von Schmerz, nur der, der sich durch meine Kehle gebohrt hatte.

Mir war nie im Bewusstsein, dass ich so schnell rennen konnte. Der kühle Wind, der mir ins Gesicht stieß, tat mir gut. Es war - wenn auch nur eine kleine - Abkühlung. Jedoch konnte ich nicht mehr, der Schmerz fühlte sich so an, als hätte sich jemand in mein Brustkorb verfangen, und würde sich versuchen unter meiner Haut zu befreien.

"Alyssa, warte! Warte!"

Ich hörte Noah schreien, doch auch dies erlosch und irgendwann hörte man nur noch das Heulen von Wölfen.

Und dann passierte das Unglaubliche. Ich spürte jede Ader in meinem Körper, das Blut stieg und meine Muskeln zogen sich zusammen, es fühlte sich so an als würde ich explodieren. Und dann war ich nicht mehr ich. Schneeweiße Pfoten, ich sah schneeweiße Pfoten. Ruckartig blieb ich stehen und schaute mich um. Ich wollte schreien doch es ging nicht. Ich war ein Monster! Ich fing an zu heulen, und keine Sekunde später erschien eine schwarze Gestalt neben mir.

Ich spürte keinen Schmerz mehr, kein Brennen in der Kehle, keine pieksenden Nadelstiche. Ich war frei, doch ich war nicht mehr ich.

Der schwarze Werwolf kam langsam auf mich zu und auf einmal hörte ich Noahs Stimme.

Alyssa, geht es dir gut? Es ist bald vorbei! Bald hast du es geschafft. Ich verspreche es dir, bald ist es vorbei.

Ich fing an zu rennen, rannte auf allen vier Pfoten immer schneller und tiefer in den Wald, bis ich irgendwann an einen kleinen Teich kam. Das alles konnte doch nur ein schlechter Traum sein, doch an diesem Teich war alles so magisch. Der Mond schimmerte und reflektierte sich auf dem Wasser, überall waren kleine Glühwürmchen. Ich versuchte etwas von dem Wasser zu trinken doch ich konnte einfach nicht akzeptieren was ich war.

Ich kauerte mich auf dem Boden was voll mit Moos war, zusammen und schloss die Augen. Bitte lieber Gott, lass alles nur ein Traum sein. Nach wenigen Minuten verlor ich dann auch das Bewusstsein.

Ich wusste nicht, wie lange ich da lag. Aber ich spürte nur, wie mich jemand auf den Armen trug. Ich versuchte die Augen zu öffnen aber es hatte keinen Sinn. Sie fielen sofort wieder zu. Meine Arme hingen leblos hinunter und ... moment! Hatte ich da gerade Arme gesagt? Ich ... ich war wieder ein Mensch!

"Noah ..."

"Hey ... es ist alles gut."

Irgendwann spürte ich das warme Bett unter mir und ließ mich fallen. Ich spürte nur noch, wie mir jemand einen kalten Lappen auf die Stirn lag.

"Noah, sie ist sehr erschöpft. Ihr Körper muss sich ausruhen. Das alles war nicht leicht für sie. Lass uns in mein Arbeitszimmer gehen."

Ich hörte die Schritte, die das Zimmer verließen. Jedoch hörte ich ihr Gespräch immernoch einwandfrei.

"Großvater, sie sah so wunderschön aus. Weiß wie Schnee, weiße Augen. Du hättest diese Angst in ihren Augen sehen sollen. Sie hat sich gehasst, ihre Gedanken, sie denkt sie ist ein Monster. Du kannst dir nicht vorstellen in was für einem Zustand ich sie gefunden habe. Was wenn irgendjemand von Blakes Männern sie gefunden hätte? Sie wäre aufgeschmissen. Sie war ... oder besser gesagt ist so hilflos. Seit dem ersten Moment, wo ich sie gesehen habe, hat sie mich verzaubert. Ich habe so oft versucht mich von ihr fernzuhalten. So gehofft, dass sie die Falsche ist. Sie hat diesen ganzen Schmerz nicht verdient, sie ist noch viel zu jung für all das."

"Sohn, hör auf dir Vorwürfe zu machen. Du hast dieses Mädchen gerettet."

"Aber Großvater, sag mir wie es jetzt weitergehen soll. Sie ist ein Werwolf. Das wird sie nicht so einfach akzeptieren, es ist beinahe unmöglich."

"Sie wird, sie muss! Das ist ihre einzige Chance!"

Ich wollte das alles nicht mehr hören. Ich war das nicht, ich wollte das nicht sein. Das ist doch alles nur ein schlechter Witz! Es gibt keine Werwölfe! Ich musste mit ihm reden, und das sofort.

"Noah?"

Auf mein Gehör war in letzter Zeit viel Verlass. Denn sofort hörte ich die eiligen Schritte und nach einigen Sekunden sah ich die groben Umrisse von Noah.

"Du bist wach", sagte er.

"Was ist hier los? Was  ist mit mir los? Ich ..."

"Shh, hör zu. Ich werde dir alles erzählen, aber du musst dich ausruhen. Deine erste Verwandlung hat viel Energie in Anspruch genommen und ..."

Er hatte aufgehört zu reden, setzte ich an die Bettkante und nahm mich in die Arme. Die Tränen flossen immer unkontrollierter. Das alles war kein Traum, es war die pure Realität. Ich war kein Mensch, ich war ein Wolf. Ein Werwolf. Ein Monster. Immer wenn man denkt, dass es nicht schlimmer werden kann, kann es immer schlimmer werden. Zuerst der Umzug, der ganze  Verlust, und jetzt das. Das war erst der Anfang, und mir war klar, dass es noch viel schlimmer werden wird. Dies ist der Beginn eines gefährlichen Weges.

Okay, jetzt ist es soweit! Jetzt geht es wirklich richtig los!! Ich hoffe wie immer, dass es Euch gefallen hat! Wie immer würde ich mich über ein Vote und Kommentare freuen!
Lasst es Euch gut gehen und bis zum nächsten Mal! ♡♡♡

Eure G. <3

Run (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt