Kapitel XVII - June

236 17 18
                                    

Ich konnte nicht fassen, wo und vor allem mit wem ich mich gerade  im Wohnzimmer von Noah und Lucas befand. Nervös krallte ich mich an meinem viel zu langen Oberteil fest und versuchte die Ruhe zu bewahren. Nachdem Tante June mich beinahe umgerannt und mich dann einem Wasserfall voller Umarmungen getunkt hatte, hatte auch sie sich beruhigt und Platz genommen. Wenn es nach mir gehen würde, hätten wir auch gleich fahren können. Aber Tante June war stets überzeugt, Lucas – Noahs Großvater – und vor allem Noah persönlich kennenzulernen und sich bei ihnen zu bedanken.

Nun saßen wir Noah und Lucas direkt gegenüber und Tante June strahlte wie die klarste Sonne.

»Ich wollte mich bei Ihnen noch einmal persönlich bedanken, dass sie in Lyssas schweren Zeit für sie da waren. Das hätte nicht jeder getan.« Sie legt ihren Arm um meine Schulter und zog mich fest zu sich, um mir dann anschließend einen Schmatzer auf die Stirn zu drücken. Ich errötete auf der Stelle und mir wurde ganz warm. Ich sah im Augenwinkel wie Noah sich ein Grinsen zu unterdrücken schien.

»Es gibt nichts zu Danken, Ms Heavens. Ich bin sehr froh darüber, dass Noah und Alyssa sich kennengelernt haben. Außerdem sind dafür ja Partner d...« Lucas wurde erstens durch Noahs Stupser und meinem Hustenanfall unterbrochen.

»Was denn für . . .  Partner?«, brachte June es mit einem Grinsen heraus. Anschließend schaute sie mich fragend an.

»Na, Noah und Alyssa sind doch zusammen, oder etwa nicht?«

»Wie bitte?« Tante June schaute mich schockiert an. Ich stellte mir eine wütende Elfe mit einer Kettensäge in der Hand vor. Wie sie mir kreischend hinterherjagte, um mich dann kaltblütig in Stücke zu zerschneiden.

Ehe ich etwas sagen – und Noah oder Lucas das Missgeschick gerade biegen konnte, fing June schon an zu jubeln und fing an mich etlichen Fragen zu bombardieren. Irgendwann nach etlichen Versuchen June zu unterbrechen, gab ich es auf. Noah und ich schauten Lucas nur erstarrt an, bis June sich dann dazu entschloss, aufzustehen.

»Also, vielen vielen Dank für alles, ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen werden«, sagte Tante June und streckte Lucas und Noah die Hand aus. Gott, es ist einfach alles schief gelaufen, was hätte schief laufen können. Zu meinem optischen hatte June nicht einmal was gesagt, wahrscheinlich, weil sie so sehr auf Noah fixiert war. Hätte sie etwas gesagt, hätte ich wahrscheinlich sowieso gesagt, dass es eine Typveränderung wäre.

Die Fahrt zu Junes Haus verging nicht allzu lange. Da sie sich – genauso wie ich – in dieser Gegend null auskannte, hatte sie ein Navigationssystem benutzt.

»Also Lyssa, mit diesem Noah hast du dir aber auch einen Juwel ergattert, er sieht unheimlich gut aus«, sagte sie. Genau das hatte ich gemeint, als ich gesagt hatte, dass June und ich viel zu unterschiedlich waren. Sie war das komplette Gegenteil von mir, während ich den ruhigen Hundewelpen zu seien schien.

»June, bitte. Das wollte ich dir vorhin auch schon sagen, wir sind n . . .«

»Stopp, hör auf es zu leugnen! Das sieht doch jeder Blinder, dass ihr wie füreinander geschaffen seid! Hast du mal gesehen, wie er dich angeguckt hat?« Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass sie am Steuer wegen Sauerstoffmangel sterben würde.

»June, bitte! Tu mir einen Gefallen und hol zwischendurch auch einmal Luft!«

June grübelte für eine Weile, bis wir dann vor einem kleinen Haus aus Holz anhielten. Es war wesentlich abseits von der Stadt, aber eben auch nicht zu weit weg. Dennoch hatten wir nicht so viele Nachbarhäuser um uns herum. Es gefiel mir, weil man hier einfach mal seine Ruhe  haben konnte.

»Aussteigen bitte, wir sind da«, sagte sie, und stieg aus.

»Schätzchen, ich hoffe so sehr, dass es dir gefällt. Ab jetzt wirst du nie wieder alleine sein. Nur noch wir beide, wir kriegen das wieder hin.« Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln und gemeinsam betraten wir das Haus, das ich ohnehin schon umwerfend fand. Das Schloss harkte ein bisschen, aber nach ein paar Versuchen hatte June die Tür aufbekommen.

Run (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt