Kapitel 3

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Niemand klatschte. Es wurde nie geklatscht, und wenn dann nur sehr spärlich. In den äußeren Distrikten wurde das nie als Belohnung angesehen zu den Spielen zu müssen. Lucille trat vom Mikro weg und schob uns ein bisschen weiter nach hinten. Der Bürgermeister stand wieder von seinem Stuhl auf und fing eine Rede über den Hochverrat an. Man sah die ganzen gelangweilten Gesichter in der Menge. Schon nach dem ersten Mal hören interessiert es einen nicht mehr. Ich sah zu Tatjana runter, die sich an mich klammerte. Mit großen Augen starrte sie zu mir hoch. Ich strich ihr über die Wange. „Keine Angst. Ich sorge dafür, dass du wieder zurück kommst!“ flüsterte ich. Sie schüttelte leicht den Kopf. „Das hättest du nicht tun dürfen.“ Sie legte ihren Kopf an meine Brust. Ich musste es tun. Was soll ich hier ohne sie? Sie ist die einzige, die mich mag und nicht verurteilt oder ähnliches. Der Bürgermeister beendete seine Rede des Hochverrats und trat wieder ab. Normalerweise wäre jetzt der Händedruck zwischen den beiden Tributen gewesen, aber da wir uns die ganze Zeit schon im Arm hielten fiel der aus. Die Hymne fing an zu spielen und ich wendete meinen Blick wieder auf die Menge. Ganz hinten stand Tatjanas Familie. Ihr Vater sah uns beide mit ernstem Blick an und ihre Mutter tröstete gerade Tatjanas Geschwister. Als die letzten Töne der Hymne zu hören waren bildete sich eine Schar von Friedenswächtern um uns und führte uns ins Gerichtsgebäude. Sie zogen Tatjana aus meinem Arm und brachten sie in einen Raum. Ich wurde in den daneben verfrachtet. Ein einzelner Stuhl stand drin, auf den ich mich setzte. Normalerweise wäre jetzt die Zeit, wo man eine Stunde hätte sich von seiner Familie und Freunden zu verabschieden. Wenn ich etwas davon hätte. Ich setzte mich also auf den Stuhl und wartete darauf, dass diese Stunde um ging. Ich hörte alle paar Minuten eine Tür aufgehen und zwischendurch jemanden weinen. Wahrscheinlich waren es all die Leute, die sich von Tatjana verabschieden wollten. Ich dachte eigentlich schon , dass die Zeit um ist und mich die Friedenswächter holen, doch als ich zur Tür sah war es kein Friedenswächter. Es war Tatjanas Vater. Er räusperte sich leicht und trat ein. „Ich ähm... vielen Dank, Erik. Ich weiß, was du vor hast und ich bin dir sehr dankbar. Du bist... ein guter Mensch, auch wenn es nicht so scheint.“ Wow. Das hatte ich jetzt nicht erwartet. Ein Kompliment und dann auch noch von Tatjanas Vater. „Ich werde mein bestes geben, sie zu euch zurück zu bringen. Das verspreche ich.“ Ich stand auf und hielt ihm die Hand hin. Er nahm sie und zog mich in eine Art Umarmung. Zweimal klopfte er mir kräftig auf den Rücken, bevor er wieder von mir zurück trat. Er nickte noch einmal kurz, bevor er sich umdrehte und ohne weiteres den Raum verließ. Verwirrt blieb ich wieder alleine zurück. Das hätte ich wirklich nicht erwartet. Tatjanas Familie konnte mich noch nie leiden. Schon klar keiner kann mich leiden, aber besonders ihr Vater nicht. Er meinte immer ich sei nicht gut genug für sie und sie hätte was besseres verdient. Und jetzt kommt er an, als wären wir gute Kumpel. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Das kann doch nicht richtig sein. Sobald er weg war kamen auch schon zwei Friedenswächter und holten mich wieder raus. Aus dem Nebenraum wurde eine komplett aufgelöste Tatjana rausgezogen. Sobald sie mich sah lief sie auf mich zu und ich nahm sie in meine Arme. Doch wir hatten keine Zeit stehen zu bleiben, denn die Friedenswächter stießen uns an, damit wir weiter gingen. Sie brachten uns zum Bahnhof, wo schon ein Haufen Menschen auf uns warteten um Fotos von uns zu machen. Sobald wir da waren wurden wir von einer Welle von Blitzlichtern und schreienden Menschen überrollt. Ich zog Tatjana zu mir und verdeckte sie so gut es ging, damit sie nicht alle so aufgelöst sahen. Ich selbst setzte meinen kalten Blick auf, damit keiner merkte, was ich gerade wirklich fühlte. Der Weg zum Zug fühlte sich viel länger an, als er aussah. Doch als wir in den Zug einstiegen, schlossen sich die Türen sofort hinter uns und  beschützen uns so vor den vielen Kameras. Auch die Stimmen waren nur noch dumpf zu hören. Ich atmete leicht aus und schaute Tatjana an, die sich aus meinem Arm befreit hatte. Ich nahm ihre eine Hand und sah sie bedauernd an. Schnell wischte sie sich mit ihrer anderen Hand über die Augen. „Kommt schon. Hier lang.“ Ich wendete meinen Blick auf Lucille, die plötzlich neben uns stand. „Ihr wollt doch nicht das ganze leckere Essen verpassen, oder?“ fragte sie und sah zwischen uns hin und her. Sie drehte sich wieder um und machte mit ihrer Hand eine Bewegung, dass wir ihr folgen sollen. Mit kleinen Schritten stöckelte sie ins nächste Abteil. Tatjana und ich sahen uns noch einmal kurz an, bevor wir ihr folgten.

Die Tribute von Panem - Panik & CurrbiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt