Kapitel 36

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Mit großen Augen sah sie auf und entdeckte dann mich. Zitternd schaute sie mich verzweifelt an, dann auf den blutigen Pfeil in ihrer Hand.  Ich schaute neben Tatjana, wo das Mädchen, sich mühsam aufstämmte und wegrannte. Sie hatte sie nicht getötet. Aber immerhin verletzt. Kurz sah ich Curry an, bevor wir dann beide losrannten. Ich zog Tatjana mit mir, die immer noch nur zitternd da stand. Curry sammelte den Bogen und Köcher vom Boden auf und rannte weiter hinter uns her. Am Waldrand blieben wir stehen und schauten zurück auf die Mitte. Das reinste Schlachtfeld. Überall lagen tote und noch immer wurde aufeinander eingeprügelt. Und inmitten des Gemetzels war Tobi, der sich gerade mit einem kleinen Jungen um einen Rucksack raufte. „TOBI!“ schrie Curry neben mir, woraufhin dieser zu uns rüber schaute. Diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte der kleine Junge, um den Rucksack aus Tobis Hand zu ziehen. Doch bevor er wegrennen konnte, packte Tobi ihn am Bein, sodass er stolperte und hinfiel. Schnell rappelte sich Tobi auf, drückte den Jungen mit einen Fuß auf den Boden und zog ihm den Rucksack aus der Hand. Sofort rannte Tobi auf uns zu und überließ den Jungen den Karrieros, die noch allesamt in der Mitte waren. Kaum war Tobi bei uns angekommen, flitzte er an uns vorbei und auch wir setzten uns wieder in Bewegung. Wir rennen weiter, bis der Wald uns vor den andern Tributen verbirgt, dann fallen wir in einen leichten Trab, den wir bestimmt eine Weile durchhalten können. In den nächsten Stunden wechseln wir zwischen Dauerlauf und Gehen, um so viel Strecke wie möglich zwischen uns und unseren Gegnern zu legen. Noch wagen wir es nicht, anzuhalten und den Inhalt unserer Rucksäcke zu untersuchen. Aber wir werden auf jeden Fall Wasser brauchen, doch wir konnten auf unserem Weg nichts finden. Es war irgendwie schön hier zwischen den Kiefern. Es war zwar kalt, aber wir waren noch immer von dem ganzen Laufen aufgewärmt. Aber ich fühlte mich hier irgendwie wohl. Unbeobachtet. Doch es war natürlich nur eine Illusion, denn wahrscheinlich konnte man uns in diesem Augenblick auf dem Bildschirm sehen. Nicht die ganze Zeit, aber ab und zu. Am ersten Tag gab es so viele Tode anzuschauen, dass ein paar Tribute, dje durch die Wälder wandern nicht viel hermachen. Aber wir werden schon häufig genug gezeigt, damit die Leute wissen, dass wir am Leben sind, unverletzt und in Bewegung. Am Eröffnungstag, wenn die ersten Verluste einlaufen, geht es bei den Wetten immer besonders hoch her. Aber das ist kein Vergleich damit, was los ist, wenn das Feld auf eine Handvoll Spieler zusammengeschrumpft ist. Es war später Nachmittag, als wir die Kanonen hören. Jeder Schuss steht für einen toten Tribut. Offenbar ist das Töten am Fühllhorn endlich zu Ende. Die Leichen des Gemetzels werden erst dann eingesammelt, wenn die Mörder weg sind. Am Eröffnungstag feuern sie die Kanonen sogar erst dann ab, wenn die ersten Kämpfe allesamt vorüber sind, weil sie kaum einen Überblick über die Todesfälle behalten können. Keuchend genehmigen wir uns eine Pause, während wir die Schüsse zählen. Eins... zwei... drei... und noch einer und noch einer bis neun.

Die Tribute von Panem - Panik & CurrbiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt