Vollmondausflug

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Tefiti streckte sich und atmete die kühle, frische Luft ein, die hier herrschte. Der winzige Bahnhof war für den echt kleinen Ort gebaut worden, da dieser sonst keinerlei Verkehrsanbindung hatte. Aber genau das war der Grund, warum Tefiti und Cian hier waren. Der Ort war abgelegen, wurde aber hin und wieder von Wanderern genutzt, sodass kein Rudel das Gebiet beanspruchte.

Die ab und an herum streifenden Wölfe waren kein Grund für die Menschen nach Werwölfen zu suchen, auch wenn man genau deshalb nicht zu Vollmond wandern ging. Deshalb waren Cian und Tefiti schon so früh am Morgen hier, sie wollten nicht, dass jemand sie ansprach und sich an sie erinnerte und nach ihnen suchen würde.

Schnell liefen sie an den paar wenigen Häusern vorbei, über die Felder und Weiden zum Wald. Unter den Bäumen war es nochmal frischer, wenn auch nicht unbedingt schlecht und für die beiden Werwölfe fühlte es sich instinktiv nach Heimat an. Ein Wald war eine Voraussetzung für die meisten Werwölfe, Stadtwölfe waren verlacht.

Das war zwar peinlich für Cian und Tefiti, aber solange Cian ein Schüler war, war es begründbar. Aber auch sie fühlten sich wohler, wenn sie von Natur umgeben waren. Allerdings verstand Cian auch, dass es einfach nicht möglich war dauerhaft im Wald zu leben ohne das Misstrauen von jemandem auf sich zu ziehen.

Dafür genossen sie die Zeit, die sie einmal im Monat im Wald verbringen konnten. Sie zelteten immer am selben Fleck und zu dem liefen sie gerade auch wieder. Da sie schon so lange immer wieder zu diesem Ort kamen, hatte sich ein schmaler Trampelfpad gebildet, der durch teilweise echt dichtes Gebüsch führte.

„Tefiti." Die ältere blieb stehen und sah ihren Schützling an, der verlegen mit den Füßen scharte. Ihm war ganz klar unangenehm, was er ansprechen wollte, doch das war für Tefiti nicht wirklich überraschend. Er schien schon den ganzen Morgen so extrem aufgeregt und geschlafen hatte er auch nicht so ruhig wie sonst. Tefiti hatte damit gerechnet, dass er sie ansprechen würde, da er sich im Wald auch besonders sicher fühlte.

„Was wird passieren, wenn du deinen Gefährten findest?" Tefitis Blick wurde weich und liebevoll. „Das werden wir dann sehen. Aber ich werde dich auf jeden Fall weiter beschützen und wenn das meinem Gefährten nicht passt, dann hat er Pech gehabt. Ich werde nicht zulassen, dass dir das typische Leben eines Omegas droht. Das kann jeder mal ganz schön vergessen."

„Und wenn mein Gefährte mich zu so einem Leben zwingen will?" Tefiti ging auf ihn zu und schloss ihn fest in ihre Arme. „Ich werde nicht zulassen, dass dich irgendwer so behandelt. Ob das mein Gefährte oder deiner ist, ist mir egal. Ich werde dich beschützen, egal was kommt." Sie löste sich wieder und sah in an.

„Lass uns weitergehen." Sie läuft leichtfüßig voraus und Cian weiß, dass sie sich genauso freut wie er, wieder im Wald zu sein. Seine Nase fängt die vertrauten, aber immer wieder aufregenden Gerüche des Waldes auf. Schon allein von den Gerüchen, die seine für Vollmond doch sensibleren Sinne, aufnahmen, konnte er bestimmen, welchen Monat sie hatten. Jeder hatte ganz charakteristische Gerüche und Wölfe verbanden damit noch mehr als Menschen.

Vor allem das frische Gras, sowie die Frühlingsblüten und erste Beeren machten den Geruch aus und zeigten ihm an, dass sie Anfang Mai hatten. Es verschob sich jedes Jahr, je nachdem wie das Wetter war, doch es war sehr einfach einzuteilen. Aber auch die Kräuter, die Tefiti für den Tee sammeln wollte, konnte er riechen.

Tefiti war schon an ihrem Lagerplatz angekommen, eine Lichtung mit weichem Gras und einer kleinen Felsspalte im Boden, in der sie ihre Rucksäcke und Klamotten verstauen würden. Würde irgendwer doch vorbei kommen und Gepäck sehen, würde man sofort wissen, dass sie Werwölfe waren.

Im besten Fall würde man glauben, dass die Werwölfe sie angegriffen und vertrieben hatten und man würde nach ihnen suchen. Aber darauf wollten sie sich beide nicht verlassen, sondern lieber auf Nummer sicher gehen. Tefiti hatte bereits ihre Schuhe ausgezogen und stand nun barfuß auf dem Gras, das sanft ihre Fußsohlen kitzelte.

Cian wartete nicht lange, sondern tat es ihr gleich, stellte seinen Rucksack zu seinem und legte sich einfach auf die Wiese. Er sah zum blauen Himmel, schloss dann die Augen und beschloss einfach etwas vor sich hin zu dösen. So konnte er etwas von seinem Schlaf nachholen und Tefiti würde schon Bescheid sagen, wenn sie etwas von ihm brauchte.

Er hörte, wie sie über die Wiese streifte, wie die Grashalme an ihren Beinen entlang schliff. Nichts davon breitete ihm Sorgen, auch nicht, als sich ein paar Gerüche verstärkte. Sie schien ein paar der Kräuter, die sie sammeln wollte, eh schon gefunden und gepflückt zu haben. Den Geruch kannte er nur zu gut. Kleines Schwertlilienkraut, ein eigentliches Unkraut, aber in wundervolles Kraut für Tee, denn es gab einen fruchtigen, aber herben Geschmack.

Es gab es nur im Frühjahr, meist nur im April und Mai, daher versuchte Tefiti so viel wie möglich davon zu sammeln, wenn es gerade wuchs. Aber das kannte Cian bereits und daher ließ er sie einfach machen. Immerhin liebte auch er die Tees, die sie zusammen mischte, da würde er ihr da nicht reinreden.

„Hey, Kleiner. Steh mal auf und hilf mir. Pause machen können wir auch heute Abend noch." Cian wurde von Tefiti, die ihn glücklich anstrahlte, immer wieder in die Seite gepikst. Er murrte, setzte sich dann aber doch auf und streckte sich. Tefiti hatte eine Dose in der Hand, in der sie die kleinen Pflanzen zusammen sammelte.

Er stand auf, folgte seiner Nase und suchte somit nach dem Kraut, dass sie gerade sammelten. Würde er über etwas anderes stolpern, würde er das auch einsammeln, aber das machte Tefiti genauso. Die summte fröhlich vor sich hin. Sie liebte den Wald und Kräuter und besonders liebte sie den Gedanken daran, wie der Geruch der Kräuter in ihrer Wohnung hängen würde.

Dann würde es zumindest für eine Woche in ihrer Wohnung nach Kräutern und Wald riechen, nicht nach Stadt und Haus. Das engte sie ein und das war, was ihnen als Werwölfen so zuwider war. Sie waren geboren um frei zu sein, nur um eingesperrt in einem Käfig zu leben. Die Stadt oder gar ein Raum wurde als eben solch ein Käfig empfunden.

Wenn sie sich an die Häuser der Werwölfe zurückdachte, in denen sie aufgewachsen war, erinnerte sie sich an die Bauweise, die einen Drang nach Freiheit ausdrücken, die sie in menschlichen Häusern nie gesehen hatten. Es gab in den meisten Häusern im Untergeschoß nur eine einzige Wand, nämlich die, die das Bad abgrenzte. Der Rest war ein großes Zimmer. Oben waren die Zimmer abgetrennt, aber immer mit Blick auf die Natur und mit großen Fenstern.

Sie schüttelte den Kopf, sie wollte nicht mehr an die Vergangenheit denken. Sie war hier, in der Gegenwart und das war gut so. Sie wollte sich nicht mehr an die Vergangenheit erinnern, die so schmerzhaft war, weil sie immer Cian leiden sehen musste und so lange nichts tun konnte. Sie wurde dann immer so traurig und wütend auf sich selbst.

Sagt mal, findet ihr die Geschichte eigentlich kitschig? Ich bin mir dabei nicht so ganz sicher.

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