Der Weg nach Hause

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Nachdenklich sah Tefiti aus dem Fenster und betrachtete die vorbeirasende Landschaft. Cian schlief im Sitz neben ihr bereits wieder, sein Kopf lag an ihrer Schulter. Tefiti war ja auf der einen Seite wirklich froh, dass der Jüngere teilweise so sorglos lebte, weil ihr das zeigte, dass sie ihn gut beschützte. Aber sie war eifersüchtig auf dieses Leben, in dem man die Sorgen einfach auf eine andere Person schieben konnte.

Für sie hätte diese Person nach ihrer Familie ihr Gefährte sein sollen, doch das hatte sich ja erledigt. Meistens hatte sie ja auch kein Problem damit die Probleme zu Händeln, die Starke in ihrem winzigen Rudel zu sein und ihren Schützling zu beschützen, doch Wild schien etwas in ihr geweckt zu haben, was sie bisher kaum kannte.

Sie war zwar am Anfang skeptisch und vorsichtig gewesen, doch er hatte ihr etwas gezeigt, dass sie bisher so nur von ihrer Familie kannte. Er hatte sich um sie gekümmert. Und nun verwirrte er sie. Dass er sich vorgestellt hatte war etwas, dass sie niemals erwartet hätte, aber er hatte es getan und war dabei so nett gewesen.

War es so, wenn man einen Gefährten hatte? Mit dem richtigen bestimmt, aber nach Tefitis Meinung war das eher die Ausnahme. Liebesbeziehungen, wie sie sie erst bei den Menschen gesehen hatten, waren deutlich seltener und wurden im Rudel selten gezeigt. Die meisten Paare waren zu streitsüchtig. Der Gefährte war eben nur der, mit dem man die höchste Chance auf perfekte, starke Kinder hatte, die auch Werwölfe wären.

Das machte das Ganze immer und immer wieder so kompliziert und sorgte für Spannungen. Wahre Liebe gab es nicht oder eben nur selten. Mi den Jahren wurde es besser und man konnte den Eindruck gewinnen, dass man in einer ganz normalen Familie lebte, dass die Eltern eine ganz normale Ehe führten.

Es war Verblendung das zu glaube, denn auch wenn in vielen Fällen Freundschaft oder wirklich Liebe daraus wuchs, die Risse des Anfangs konnte man nie wieder kitten. Besonders heftig erwischte es bei so etwas Omegas. Die hatten nur in den wenigsten Fällen eine ordentliche Erziehung und noch seltener eine Natur, die ihnen riet sich zu wehren.

Sie wählten eher der Freitod, als ihrem Gefährten zu sagen, dass ihnen etwas nicht passte. Daran starb niemand, aber der Gefährte würde keine Kinder mehr bekommen dürfen. Die Gefahr, dass dieses Kind behindert wäre, war unglaublich hoch. Da kannte auch niemand Spaß.

Würde jemand, dessen Gefährte verstorben war, versuchen ein Kind zu bekommen, so würde das Rudel diesen jagen und töten. Das wohl schlimmste Verbrechen in ihrer Gemeinschaft, denn man tötete nicht nur den, der es getan hatte, sondern auch das Kind. Dieses hatte in der Gemeinschaft keine Chance, der Tod war humaner.

Außenstehende würden es nicht verstehen, aber behinderte Werwölfe waren niemals akzeptiert, von niemandem. Und ein Nichtwerwolf konnte vergessen, dass er irgendwie auch nur beachtet werden würde. Er würde ignoriert werden, von allem und jedem.

Tefiti holte tief Luft, wollte sich so wieder für ihr normales Leben wappnen. Es war unwahrscheinlich, dass sie Wild noch einmal treffen würde, auch wenn sie sich das eigentlich wünschte. Sie wollte ihn wieder sehen. Er brachte in ihr eine Seite zum klingen, die sie so noch nicht kannte.

Aber trotz allem, da war immer noch Lukas, den sie ja auch liebte. Sie wusste, sie hatte tiefe Gefühle für den Menschen, doch ihre Erziehung und ihr Wissen über Menschen sperrte sie für dieses Beziehung. Sie konnte sich einfach nicht auf einen Menschen einlassen, so gerne sie diesen auch hatte. Das konnte nicht gut ausgehen.

Wild war zwar auch niemand, den sie ihrer Erziehung nach zu nahe kommen sollte, doch es war nicht so schlimm. Immerhin war das noch immer ein Werwolf und auch wenn er ein Streifer war, er war keiner der Menschen, die sie ja jagte.

Sie hoffte, dass der andere mit diesen keine Probleme kriegen würde. Es hatte ja so ausgesehen, als wäre er schon häufiger mit diesen aneinander gerasselt. Sie selbst kannte die Jäger nicht, nur aus Erzählungen und den Medien, aber das schuf ihr kein besonders genaues Bild, obwohl sie die Informationen von beiden Seiten bekam.

Die Menschen feierten die Jäger als Helden, die die gefährlichen Bestien jagten und besiegten. So wurden sie auch in den Medien dargestellt. Als unbesiegbare Helden. Bei den Werwölfen berichtete man von Feiglingen, die sich nur zu häufig selbst bepissten und auf alles schossen, dass sich bewegte. Nur ein paar Name, Tefiti konnte sie an einer Hand abzählen, sprach man mit Respekt oder gar mit Angst aus.

Wie es dazu gekommen war, dass die Menschen der Meinung waren, sie müssten Werwölfe fürchten und jagen dass wusste bei den Werwölfen niemand mehr. Tefiti nahm aber auch an, dass dieses Wissen den Menschen ebenfalls verloren gegangen war. Ihre Vermutung war, dass das mit einem durchgedrehten Werwolf oder einem Racheakt der Werwölfe zusammen hing. Eigentlich war es ihr aber egal.

Als ihr Blick wieder aus dem Fenster schweifte, fragte sie sich wie das Leben als Streifer wohl war. Wie lebten Leute wie Wild? Streunten sie als Wölfe durch die freien Gebiete? Oder waren sie das, was die Menschen nur als Landstreicher wahrnahmen? Die auf der Straße lebten und hin und wieder bettelten oder nach Arbeit fragten?

Tefiti musste sich eingestehen, sie wusste es nicht. Wahre Streifer waren sie und Cian ja nicht, sie hatten einen festen Lebensraum und den wechselten sie auch nicht. Somit wären sie als Rudel klassifiziert, auch wenn sie nur zwei waren. Aber das wurde aus der Bewertung nicht sichtbar. Mehr als einer und sesshaft, das waren die einigen Kriterien für ein Rudel.

Würde jemand sie beide töten, würde in den Medien sicher nur auftauchen, dass er ein Rudel ausgelöscht hatte und nicht, dass es eigentlich nur zwei waren, von denen einer wirklich schwach war. So sehr sie auch hasste das zuzugeben, ihr Kleiner war nun mal jemand, der einfach von Natur aus schwach war.

Sie strich ihm leicht über das Haar, er grummelte und kuschelte sich zurecht. Tefiti lächelte. Egal wie schwach ihr Liebling auch wäre, sie würde ihn immer lieb haben. Wenn es nötig wäre würde sie ihn immer beschützen, solange es eben nötig war. Zu seinem Glück schien er einen guten Gefährten zu haben.

So konnte sie darauf hoffen, dass er an Alter starb und nicht an einem Angriff oder Selbstmord. Zu viele hofften auf Besserung durch ihren Gefährten, wurden enttäuscht und nahmen sich das Leben, ohne jemals Glück gekannt zu haben, weil Werwölfe es Omegas häufig nicht gönnten.

WolfsaugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt