Der Grund

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Der kleine, graue Wolf kauert auf dem Boden und hört das leise Tropfen, während er auf den Schmerz wartet, der nicht kommt. Cian faucht sich in seinem Inneren selbst an. Wieso hat er den Befehl nur missachtet, warum ist er nur trotzdem nach draußen gelaufen? Er wusste doch, wer da war und was sie wollten. Wieso also war er so dumm gewesen?

Erst als er sich sicher ist, dass dieser auch nicht mehr kommt, öffnet er flatternd die Augen und sieht seine Beschützerin über sich stehen. Um ihren Hals haben sich die Zähne des braunen Wolfs geschlossen und aus den tiefen Wunden tropft Blut auf den Boden. Die metallisch riechende Flüssigkeit trifft Cian an der Schnauze und er wimmert.

Als würde dieses Geräusch die Zeit wieder in Bewegung setzen, springt Leo nun selbst zu seinem Gefährten, verwandelt sich und schleift ihn wie einen Welpen weg von dort. Verzweifelt jault der Jüngere auf und will sich lösen, scheinbar um zu seiner Beschützerin zu gelangen, doch Leo hält seinen Gefährten fest.

Jetzt registriert auch Darco was er getan hat und löst sich von Tefiti, die zu Boden fällt. Ihr Brustkorb hebt sich kaum noch und aus ihrem Maul läuft ein schmaler Rinnsal Blut, bevor sie die Augen selbst schließt und ihr Brustkorb sich überhaupt nicht mehr hebt. Cian jault laut und vollkommen verzweifelt auf, während alle anderen es nicht fassen können.

Darco schwankt und bricht dann in sich selbst zu sammeln, scheint aber noch zu seiner toten Gefährtin kommen zu wollen, was Leos Beta verhindern zu wissen, in dem sie sich vor den toten Körper der Weißen stellen. Tefiti mag nicht zu ihrem Rudel gehört zu haben, doch sie hat sich den Respekt aller verdient, als sie den Gefährten des Alphas verteidigt und sie hat nur zu klar gemacht, dass sie ihren Gefährten nicht bei sich haben will, also werden sie ihr diesen letzten Wunsch erfüllen.

Cian heult noch immer verzweifelt und versucht sich vom Alpha loszureißen um zu seiner Adoptivmutter zu kommen, die doch immer mehr eine Mutter gewesen war als seine eigene. Leo gibt es auf, denn lange kann er den verzweifelten Omega nicht mehr halten und die Laute seiner Gefährten tun ihm fast körperlich weh.

Doch er denkt nicht daran seinen Gefährten alleine zu lassen, denn auch wenn sich das DarkWood gerade am äußerste Rand der Lichtung aufhält. Deren nun wohl sehr bald toter Alpha hatte immerhin versucht seinen kleinen Gefährten zu töten. Genau dieser Alpha knurrt den Omega noch immer röchelnd an, doch der scheint taub dafür.

Er schmiegt sich an den toten Körper der weißen Wölfin, der er doch so viel verdankt, jetzt sogar sein eigenes Leben. Denn er hegt keinen Zweifel daran, dass Darco ihn umgebracht hätte, hätte sich Tefiti nicht dazwischen geworfen. An den Hass, den er von Seiten des Alphas schon als Kind erfahren hatte, konnte er sich erinnern, eine der wenigen Erinnerungen an die Zeit in dem Rudel.

Leo dagegen sieht, wie sich sein Gefährte an die Wölfin schmiegt und weiß, dass die nächste Zeit für ihn sehr schwer werden wird, auch wenn Tefiti ihm die Erlaubnis gegeben hatte, seinem Gefährten ihre Verbindung zu offenbaren. Doch das Cian trauern würde war keine Frage, Leo wird ihm die Zeit auch ohne zu fragen gewähren und für seinen Omega da sein.

Doch jetzt will er erst noch einmal etwas anderes tun. Er wird wieder zum Mensch und tritt zu dem noch immer röchelnden Alpha, der ihm hasserfüllte Blicke schickt. Leo kann die darin enthaltenen Schimpfworte beinahe hören und ja, nun ist auch er überzeugt, dass es zwischen Tefiti und diesem Alpha nie eine Chance hätte geben können. Er scheint die Schuld immer bei anderen zu suchen, nie bei sich selbst und selbst nun, im Sterben liegend, wirft er noch mit solchen Blicken um sich.

„Wüsste ich nicht, dass du in wenigen Minuten eh sterben würdest, würde ich dich jetzt für den Angriff auf meinen Gefährten töten. Aber du wirst ja eh sterben, denn du hast deine eigene Gefährtin getötet, weil sie ihren Adoptivsohn beschützt hat. Soll ich dir noch etwas verraten? Du alleine hast sie von dir weg getrieben, niemand sonst.

Sie wollte dich nicht an ihrer Seite, weil sie Angst um ihre eigenen Welpen hatte. Ein zukünftiger Alpha, der einen Omega schlägt, der konnte in ihren Augen kein guter Vater für Welpen sein. Selbst wenn es ein anderer Omega gewesen wäre, einer den sie nicht hätte retten können, wäre sie vor dir geflohen. Sie wusste, dass du ihr Gefährte warst und sie hat es gehasst.

Und wenn es ein was gibt, gegen das sich eine Wölfin nicht wehrt, dann ihre Instinkte den Schutz ihrer Welpen betreffend. Geändert zu haben scheinst du dich auch nicht, auch wenn sie dir keine Chance mehr gegeben hätte. Sie hat dich gehasst, mehr als alles andere auf dieser Welt."

Der Schmerz in Darcos Augen ist genau das, was Leo sehen will, denn es ist der Schmerz der Erkenntnis. Darco erkennt, dass er alleine Schuld an seiner Situation ist und Leo ist ehrlich. Tefiti wird vermutlich von der Mondgöttin in ihr Rudel genommen werden, doch ob sie ihren Gefährten je wieder sehen wird ist fraglich. Sollte es passieren, bevor sie wiedergeboren werden würden, würde sie ihn nur erneut ablehnen.

Auch Darco versteht, dass er nur eine einzige Chance haben wird, diese wundervolle Frau je an seiner Seite zu haben und das ist, wenn sie beide noch einmal als Gefährten wiedergeboren werden. Ob die Mondgöttin das noch einmal zulässt ist allerdings fraglich, bedenkt man in welcher Tragödie es dieses Mal geendet ist. Mit dieser schmerzvollen Erkenntnis in den Augen verlässt das Leben selbige und er stirbt.

Nun liegen zwei tote Wölfe auf der Lichtung und das DarkWood zeigt sich mehr als nur nervös. Aber keiner aus dem Heimrudel findet das verwunderlich, immerhin haben sie nun niemanden mehr, der sie irgendwie anführt. Der einzige, der sich scheinbar ein wenig verantwortlich fühlt, verwandelt sich nun in einen Menschen. Aber weder sieht er aggressiv aus, noch nähert er sich dem Rudel oder den Leichen.

Seine braunen Augen huschen immer wieder von der Leiche seines Alphas zu Leo und zurück. „Ihr könnt nichts für Befehle, die euch gegeben wurden. Nehmt die Leiche, verschwindet und lasst euch hier nicht mehr sehen. Noch einmal werdet ihr unser Gebiet nicht lebendig verlassen." Meint der nur, sieht den Beta aber nicht einmal an.

Seine volle Aufmerksamkeit hat sein Gefährte, der sich noch immer an die tote, weiße Wölfin schmiegt. Es bricht ihm das Herz, seinen Gefährten so zu sehen, denn im Moment sieht er einfach nur aus wie ein kleiner Welpe, der seine Mutter verloren hat. Cian beginnt nun auch zu jammern und jetzt hält Leo es nicht mehr aus.

Er wird wieder zum Wolf und stupst seinen Gefährten immer wieder mit dem Kopf an, bis dieser seinen hebt und ihn ansieht. Leo stupst ihn auf die Beine, was dem Kleineren so gar nicht gefällt, doch da bleibt er unnachgiebig und letztendlich steht Cian. Ein Blick des Alphas an sein Rudel reicht und jeder weiß, was zu tun ist.

Während einige Krieger ihren Besuch überwachen, dass die auch ja verschwinden, werden sich die beiden Beta um die weiße Wölfin kümmern. Leo selbst packt seinen Gefährten wie einen kleinen Welpen am Nackenfell und bringt ihn nach Hause, wobei der kleine immer wieder strampelt und verzweifelt heult. Er vermisst seine Mutter und ist im Moment der kleine Welpe, der er die ersten vier Jahre seines Lebens nicht sein durfte.

WolfsaugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt