Ein nötigen Gespräch

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Cian klammerte sich an eines der Sofakissen. Er saß im Wohnzimmer auf dem breiten, bequemen Sofa und starrte aus dem großen Fenster in den Abend hinein. Es regnete und der scharfe Wind sorgte dafür, dass die schweren Tropfen immer wieder gegen die Scheibe flogen.

Die klatschenden Geräusche wären für Cian nichts neues mehr. Sie passierten eben und es war eine der wenigen Gelegenheiten,  bei der die Menschen nichts Gegner die Natur machen konnte. Sie konnte den Regen nicht stoppen, ihn nicht aus ihren Ersten hinaus halten.

Er hob das Kissen höher und vergrub seine Nase in dem weichen Teddystoff. Diese Kissen hatte Tefiti besorgt, weil Cian als kleiner Junge im Möbelhaus sie nicht mehr loslassen wollte. Cian erinnerte sich nur dumpf daran, doch die Kissen liebte er noch immer. Er wusste, dass auch Tefiti sie liebte. Immerhin hatte sie zwei davon in ihrem Bett.

„Hey, Kleiner.“ Tefiti stellte zwei dampfende Tassen auf den Tisch und der Duft nach Kräutern erfüllte den Raum. Sie mischte die Kräuter für den Tee selbst und sie sammelten sie auch selbst. Cian liebte diese Ausflüge, die sie schon seit Jahren machten, meist um Vollmond herum. So verbargen sie auch ihre Wandlung.

Der Geruch des Tees erinnerte Cian immer an die unbeschwerten Tage im Wald. „Was ist los?“ Tefiti setzte sich neben ihn und nahm ihn in den Arm. Er genoss die Wärme und saß Wissen, dass sie auf eine Antwort warten würde, bis er antworten wollte.

Sie löste nur kurz einen Arm um ihre Tasse zu nehmen und einen Schluck zu trinken, ehe sie diese wieder zur Seite stellte und ihm über die Haare strich. Cian spürte die sanften, benahm geisterhaften Finger auch auf seinem Gesicht. Da sie ihn aber beruhigten und ein Gefühl der Ruhe gaben, ließ er es zu.

„Es ist alles so komisch. Heute morgen war doch noch alles gut. Und jetzt? Jetzt verstehe ich mich selbst nicht mehr. Ich meine klar, ich bin immer noch ich. Ich hasse die Schule, verstehe die Menschen nicht und mag noch immer Kräutertee. Aber…“ Er bracht ab, doch Tefiti sagte dazu gar nichts, sondern wartete nur geduldig darauf, dass er weiter sprach.

„Ich kriege den Mann nicht mehr aus meinem Kopf. Wann immer ich ein paar Momente Ruhe habe, sofort muss ich an ihn denken. Was ist an ihm denn so anders? Er ist doch auch nur ein Mann. Gut, er sieht umwerfend aus, aber… Hilf mir. Ich bin so verwirrt.“

„Oh Kleiner.“ Tefiti drehte seinen Kopf, legte ihre Stirn an seine und strich mit den Fingerspitzen seitlich sein Gesicht Rauf und runter. „Du hast dich das erste Mal in deinem Leben verliebt, mein Kleiner. Da fühlt man sich so verwirrt.“ Sie ließ ihn los und drehte sich um Tisch.

Cian starrte seine Adoptivmutter an. Verliebt. Er. In einen Mann. Er bemerkte sofort, dass ihn das mit einem Mann überhaupt nicht störte. Aber das mit dem verliebt, dass störte ihn dann doch etwas.

„Aber… nein. Ich will das nicht.“ Nun war es an Tefiti, die gerade wieder nach ihrer Tasse griff, verwirrt zu sein. Über die Schulter sah sie ihn an, in ihrem Blick war ganz klar eine Frage formuliert.

„Wieso willst du denn nicht verliebt sein? Es ist toll verliebt zu sein, auch wenn man am Anfang eben so verwirrt ist. Das legt sich und dann ist es eines der schönsten Gefühle auf dieser Welt.“ Sie trank ein paar Schlucke und lehnte sich dann wieder in die weichen Kissen des Sofas.

„Weil er doch ein Mensch ist.“ Tefiti lachte und Cian konnte nicht verstehen warum. Sie gab Lukas doch aus demselben Grund keine Chance. Wieso lachte sie ihn denn dann aus?

„Er ist kein Mensch. Er ist einer von uns. Und ich habe ihm unsere Nummer gegeben. Er scheint doch nett zu sein und er hat nach dir gefragt.“ Sie lächelte ihn an, als sie sich wieder beruhigt hatte.

„Aber ich will doch auf meinen Gefährten warten.“ „ Hey, Kleiner.“ Tefiti lehnte sich zu ihm und strich diesmal mit der ganzen Hand über seine Wange. Unter seinem Kinn hielten ihre Finger an und hoben sein zuvor gesenktes Gesicht wieder an.

„Das weiß ich doch. Ich habe auch nicht gesagt, dass du diesem Mann küssen sollst oder mit ihm ins Bett gehen sollst. Leo wirkte nett auf mich und er schien sich ehrlich für dich zu interessieren. Geh doch einmal mit ihm aus. Wenn es dir nicht gefällt, dann macht es eben nicht nochmal.“

Cian sah nur Ehrlichkeit in ihren Augen. „Bist du auch mal mit jemandem weggegangen, der nicht dein Gefährte ist?“ Tefiti warf den Kopf in den Nacken und lachte wieder, diesmal bekam sie sich nicht so schnell wieder ein.

„Nicht nur einmal. Ich bin gerne mit Jungs weggegangen, vor allem, wenn sie aus einem anderen Rudel kamen. Wann immer wir Besuch hatten, bin ich immer bei den Jungs aus den anderen Rudel gewesen. Und ich war durchaus auch gerne mit den Mädchen tanzen.“

Tefiti erinnerte sich noch gut an das Leben im Rudel und sie hatte Cian immer wieder davon erzählt. Dabei natürlich auch von den Treffen zwischen den Rudel, die immer mal wieder stattfanden.

Dabei trafen sich zwei oder mehr Rudel auf dem Gebiet von einem dieser Rudel. Sinn und Zweck war es, dass man eine höhere Chance hatte seinen Gefährten zu finden. Nur selten fand man diesen im eigenen Rudel und alleine wären diese Besuche zu gefährlich gewesen.

So ging ein guter Teil des Rudels, aber immer alle, die ihren Gefährten noch suchten, und sahen sich in den anderen Rudeln um. Es gab immer ein Fest mit großem Lagerfeuer, gutem Essen und vielen Geschichten. Es gab auch immer Alkohol und Musik begann auch immer zu laufen. Es war eine Atmosphäre der Gesellschaft, doch die Omegas wurden davon ausgeschlossen.

Das war auch der Grund warum Cian sich nicht an die Feste erinnern konnte. Jeder, egal wie alt, nahm an dem Fest teil, nur die Omegas nicht. Er war zu diesem Zeitpunkt sogar eingesperrt worden, damit er auch ja nichts von den Festen mitbekam.

Tefiti nahm aber an, dass es noch einen anderen Grund für dieses Verhalten gab, dass in so vielen Rudeln an der Tagesordnung war. Man fürchtete dem Omegas zu verlieren. Sie mochten nicht kämpfen können und waren nicht besonders mächtig, aber sie waren die Mädchen für alles und meistens auch die Boxsäcke des Rudels. An ihnen ließ man seine Aggression aus.

Hätten ihre Gefährten sie aber gefunden, hätten sie ihre Partner mitgenommen und beschützt, allein aus den Instinkten heraus. Wie sich das später entwickelte war nie abzusehen. Das Problem mit Omegas und ihren Gefährten war zum einen das Stigma, dass sie umgab, und dass man sie immer beschützen musste.

Leute dachten von Omegas eben als denen, die sich nicht wehren konnten und viel Rudel sahen es sogar als Schande einen solchen als Gefährten zu haben. Tefiti sah es anders. Ein Omega war liebevoll und unterstützte seinen Partner in allem, was dieser tat. Viele Gefährten mit einem anderen Tang dachten nicht einmal an sowas, die versuchten ihren Kopf durchzukommen, mit allen Mitteln. Daher waten Werwolf Pärchen häufig streitlustig und andere Leute fragten sich, wie diese Paare funktionierten.

„Und ich soll wirklich mit ihm ausgehen? Was wenn er mich so behandelt, wie unser altes Rudel?“ „Dann finde ich dich und wir suchen uns eine neue Stadt zum Leben.“ Beruhigte Tefiti ihren Schützling und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.

Die Versicherung von Tefiti ihn nicht allein zu lassen war etwas, dass Cian wirklich gebraucht hatte. Er wusste, ohne ihre Schutz wäre er verloren und es machte ihm Angst, sie zu verlieren. Daher fragte er bei allem lieber nach und Tefiti unterstützte, dass er so misstrauisch war. Als Omega war saß leider nötig.

WolfsaugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt