Der Morgen danach

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Tefiti spürte den Reif, der sich in den frühen Morgenstunden auf ihrem Fell gesammelt hatte, auf ihrer nackten Haut genau in dem Moment, indem der Mond hinter dem Horizont unterging und sie somit wieder in ihre menschliche Gestalt wechselte. Auch die beiden anderen Werwölfe wurde wieder zu Menschen und Tefiti wusste nicht, ob sie es wirklich wagen sollte und den Grauen ansehen sollte.

Sie hörte, er schlief noch. Sowohl sein Atem, als auch sein Herzschlag waren so ruhig, dass sie sich sicher sein konnte, dass er noch schlief. Sie bräuchte nur ein wenig den Kopf zu drehen und schon würde sie den Grauen sehen, doch irgendwas in ihr sperrte sich dagegen. Was es war wusste sie nicht, aber sie würde sich einfach ansehen und dann weitersehen.

Vorsichtig stand sie auf und ging zu der Bodenspalte, in der ihr Gepäck lag. Darin hatten sie auch ihre Klamotten versteckt, die sie nun hervor und über zog. Dadurch, dass ihre Haut nass und klamm war, klebten die Stoffe daran. Ihr war das Gefühl bekannt, sie wusste, sobald sie Sonne wärmen würde, würde es trocknen.

Zudem hatte sie kein Problem damit, wenn die Klamotten eben mal klebten. Im Moment war es etwas frisch und sie vermisste ihr wärmendes Fell, doch das behob sie schnell, indem sie ein kleines Feuer entzündete. Ihr Gepäck, das sie nun ebenfalls hervor holte, enthielt alles, was sie nun brauchte.

Die Teekanne aus Metall füllte sie mit Wasser und Kräutern, bevor sie sie einfach direkt in die Flammen stellte. In das wechselnde Spiel der züngelnden Lichter schauend dachte sie über den Streifer nach. Was hatte er denn nun gewollt? Er war ganz ruhig gewesen, hatte sogar für sie gejagt.

Nun warf sie doch einen Blick auf die nackte Gestalt des Mannes und wurde automatisch rot. Der Mann war gut gebaut, besser noch als sie es in Erinnerung hatte. Viele in ihrem Geburtsrudel waren aufgepumpt, zwar auch unglaublich stark, aber ihren Nerv für Schönheit hatten die nie getroffen. Dieser hier schon.

Er war muskulös, keine Frage, aber er sah nicht so aufgepumpt aus. Trotzdem schien sein Körper vor Kraft nur so zu vibrieren und er strahlte eine Macht aus, die sie irgendwie faszinierte. Selten hatten sie in ihren menschlichen Gestalten wirklich eine starke Ausstrahlung. Es war einfach zu gefährlich, man schrie dann einfach Werwolf.

Aber nun machten auch seine viele Narben Sinn. Es gab nun einmal Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Werwölfe zu jagen. Sonderlich erfolgreich waren die damit nie, aber das war für die Werwölfe nur ein Vorteil. Ein Streifer hätte aber größere Probleme sich zu verteidigen und das sah man diesem auch an.

Trotzdem, Tefiti war beeindruckt. Er musste unglaublich stark sein, um so viele Narben davon getragen zu haben und trotzdem in jede Auseinandersetzung siegreich zu bleiben. Der adere musste ein Krieger in seinem Rudel gewesen sein oder gleich ein Alpha. Warum also war er ein Streifer?

„Hey, du." Tefiti schreckte aus ihren Gedanken hoch, sah auf und wurde rot. Der Mann stand vor ihr, nackt. Sie hatte die perfekte Aussicht auf seine besten Teile und auch wenn Werwölfe nicht prüde waren, so war Tefiti die Situation unangenehm. Sie hatte schon lange keinen so intimen Kontakt zu einem Mann gehabt, das war nun einfach etwas viel.

Der Mann bemerkte ihre Röte und schien sich darüber zu wundern, sagte aber zu Tefitis Erleichterung nichts. Das brauchte sie nun wirklich nicht auch noch. Sie sah wieder auf und genau in sin Gesicht, wollte auf keinen Fall von seinem Körper abgelenkt werden.

„Kann ich etwas Tee haben?" Das überraschte Tefit nun, denn sie hatte mit allem gerechnet. Von Drohungen über eine Erklärung oder das lautlose Verschwinden des Grauen, aber nicht mit einer Frage nach Tee. „Hm... sicher."

Sie holte die Kanne aus dem Feuer und goss die beiden Becher voll, die eigentlich für Cian und sie gedacht waren. Nun, der Kleine hätte bestimmt auch kein Problem damit sich mit ihr einen Becher zu teilen, sie hatte nämlich nur zwei dabei. Den ersten reichte sie dem Mann, den zweiten behielt sie selbst und sah hinein.

„Darf ich eure Namen erfahren?" „Um... ich heiße Tefiti und der Kleine Cian." Tefiti wusste nicht woher, aber sie hatte das Gefühl, als könne sie dem anderen vertrauen. Ihr Leben würde sie ihm vielleicht nicht anvertrauen, auch wenn ihr klar wurde, dass sie dies in gewisser Weise gerade getan hatte. Sie hatte ihm ihre Namen verraten, würde das an ihr Geburtsrudel gelangen, könnte das ihr Todesurteil sein.

„Ich heiße Wild." „Dann kommst du aus dem Norden, oder? Hier sind solche Namen ja eher selten." Er nickte und Tefiti nahm das auch als Grund, warum er kein Problem damit hatte hier nackt vor ihr zu sitzen. Sicher, Werwölfe waren resistenter gegen Kälte als Menschen, aber die aus dem Norden eben noch mehr als die übrigen.

Sie brauchten es aber auch. Soweit Tefiti wusste waren die Winter im Norden kalt, hart und lang. Es wäre ihr trotzdem lieber, wenn der Mann Klamotten anhätte, denn dann müsste sie nicht ständig aufpassen, dass sie ihm nicht in den Schritt sah. Besonders gut gelang ihr das nicht und sie musste sich jedes Mal wieder losreisen, denn er war nun mal genau das, was sie als schön bezeichnete.

Das wissende Lächeln auf seine Lippen machte das Ganze nicht besser, denn so konnte sie ihm auch nicht ins Gesicht sehen, also starrte sie einfach in ihren Becher. Dabei lagen ihr so viele Fragen auf der Zunge, doch die Aura des anderen schüchterte sie zu sehr ein. Für sie als eigentliche Beta war das ein seltsames Gefühl.

Zudem hatte sie das Gefühl, würde sie den Mund aufmachen, würde sie etwas ganz anderes fragen, als sie eigentlich wollte. Das sollte auf gar keinen Fall passieren. Das wäre garantiert etwas, was auf Sex hinauslaufen würde und auch wenn sie eigentlich nicht abgeneigt war, der Kleine konnte jeden Moment aufwachen.

Sie hob ihren Becher und trank einen Schluck. „Ich sollte nicht fragen, aber... darf man erfahren, warum eine Beta mit einem Omega getrennt von ihrem Rudel ist?" „Sicher, wenn du mir verrätst, was jemand mit einer solchen Ausstrahlung ohne Rudel macht." Es folgte Schweige von beiden Seiten. Keiner wollte es dem anderen verraten.

Gebrochen wurde das Schweigen von Cian, der sich aufsetzte, streckte und dann zu der Spalte tappte um sich anzuziehen. Da er noch müde war, war er dabei laut und Tefiti war froh darum. Das Schweigen war doch unangenehm gewesen. Angezogen, wenn das T-Shirt auch auf links, und gähnend ließ er sich neben Tefiti fallen.

„Tee." Tefiti war das bereits gewöhnt. In der Nacht hatte er sich müde gespielt, daher würde er auch die Heimfahrt wieder verschlafen. Es war jedes Mal das Gleiche. Daher sagte sie schon gar nichts mehr, sondern gab ihm einfach den Becher.

WolfsaugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt