Die Regeln der Beta

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„Was ist los Kleiner? Du bist ja vollkommen durcheinander.“ Sie kam sofort zu ihm, legte die Hände um sein Gesicht und sah ihm in die Augen. Cian öffnete den Mund zum Antworten, doch er war zu Verwirrt und sich zu erklären. Aber etwas anderes fiel ihm ein. „Kaffee… Mann… draußen.“

Das war für Tefiti zwar nicht als Grund für irgendwas ausreichend, aber sie bemerkte, das serviert erstmal einen Moment brauchte um sich zu fangen. Schnell strich sie ihre Schürze glatt und trat ins Café. Sie nahm den Kaffee, stellte Milch und Zucker auf die Untertasse und trug sie zu dem Mann nach draußen.

Der sah sie an, als sie auf ihn zu kam, doch sie konnte in seinen Augen sehen, dass ihm das nicht passte. „Ihr Kaffee.“ „Wo ist der Junge von gerade eben?“ In der Stimme lag ein tiefes Grollen, ähnlich dem von einem entfernten Gewitter.

Tefiti stellten sich die Nackenhaare auf. Dieser Mann war ein Werwolf. Nun, da sie es wusste, roch sie es auch ganz deutlich. Das Grollen ließ sie einen Drang fühlen zu antworten, doch dank ihrem Rang als Beta konnte sie dem wiederstehen.

Er war nicht nur ein Werwolf, sondern auch ein Alpha, das bewies die Alphastimme hinreichend. Einem Befehl in dieser Stimme musste man eigentlich gehorchen. Es gab zwei Ausnahmen. Die Erste traf Tefiti. Ein Beta musste es nicht, fühlte aber den Drang es zu tun.

Die zweite Ausnahme trat nur selten in Kraft, denn die meisten Alphas befahl ihren Gefährten nichts in der Alphastimme. Ein normaler Befehl tat es in den meisten Fällen ja auch.

„Was willst du von ihm?“ Tefiti gab sich keine Mühe das Knurren in ihrer Stimme zu verstecken. Sie sah keinen Sinn darin. Der Werwolf sollte ruhig merken, dass sie ihn bedrohte, und Menschen fühlten sich einfach nur ängstlich, wenn sie es hörten.

„Ich muss dir nicht sagen, was ich tun will. Du magst eine Beta sein, aber besiegen würde ich dich in jedem Fall.“ Nun sah Tefiti rot. „Nun. Versuche es, aber ich werde alles tun um ihn vor dir zu beschützen. Und wenn ich dabei sterbe.“

Das saß. Auch der Alpha wusste, Mörder waren nicht gerne gesehen. Es gab er schon so wenige Werwölfe, da mussten sie sich nicht gegenseitig auch noch umbringen. Mörder wurden ausgestoßen und geächtet, waren Rudellos.

„Er gehört zum selben Rudel wie du.“ Tefiti hielt es nicht für nötig etwas zu sagen und das war es auch nicht. Er wusste es eh, es war mehr eine Feststellung gewesen. Zudem hatte sie nicht vor ihm auf die Nase zu binden, dass ihr Rudel eben nur aus ihnen Zweien bestand.

„Was willst du von ihm?“ Sie vermied es aus gutem Grund seinen Namen zu nennen. Cian war kein häufiger Name und wenn er die Schulen absuchen würde, würde er ihn sicher schnell finden.

Das war auch einer der Gründe gewesen, warum Tefiti so weit mit dem Welpen geflohen war. Wäre sie zu nah an ihrem alten Rudel geblieben, hätten die sie sicher wieder zurück geholt. Das wollte sie auf jeden Fall vermeiden. Cian sollte kein Leben voller Leid haben.

„Willst du mich allen Ernstes von meinem Gefährten fern halten, Frau?“ Dieses Mal war das Knurren, genau wie das, was Tefiti kurz vorher in ihre Stimme gelegt hatte, eine offene Drohung. Sie achtete aber nicht darauf, sondern kümmerte sich darum das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen.

Zunächst Mal erklärte das, warum Cian so durch den Wind war. Er war noch keine 18, hatte seinen Gefährten somit auch nicht erkennen können. Aber die Gefühle, die auf einen Schlag eingesetzt haben dürften, die hatte er natürlich auch und die verwirrten ihn jetzt natürlich.

Er dürfte ja nicht mal wissen, dass der Mann auch ein Werwolf war. Gerochen haben konnte er es nicht, Omegas hatten als Menschen keine verstärkten Sinne. Ihm dürfte der Geruch nach Freiheit und Wildnis daher nicht aufgefallen sein.

Na toll. Es war eh schon alles so kompliziert und dann musste ausgerechnet jetzt auch noch der Gefährte des Kleinen auftauchen. Der bewies wirklich das beste Timing.

Sie atmete tief durch. Es würde Cian immerhin auch nicht helfen, wenn sie nun schon begann seinen Gefährten zu hassen. Er spürte sowas immer und das würde ihm die nächste Zeit noch schwerer machen. Das war aber das Geentert von dem, was sie wollte.

„Nein, Alpha.“ Den Titel spuckte sie aus wie ein Schimpfwort. Elf Jahre lang hatte sie dieses Wort nicht mehr als Anrede benutzt und nun musste sie das wieder ändern. Es passte ihr gar nicht, doch für Cian würde sie es tun.

„Ihr habt euren Gefährten vollkommen aus der Bahn geworfen. Er weiß noch nicht einmal, dass sie der seine sind. Und sie werden es ihm auch nicht sagen!“ Der Befehl ließ den Mann knurren. Er griff sie nur nicht an, weil sie mitten in der Stadt waren.

Sie wären beide schneller Tod, als sie schauen konnten. Und es würde sie dann auch keine Mühe kosten auch noch Cian umzubringen. Nur dieses Wissen hielt den Alpha zurück. Normalerweise griff jeder Wolf alles an, was ihn von seinem Gefährten fern hielt.

„Sie werden es ihm bis zu seinem achtzehnten Geburtstag nicht sagen. Sie dürfen um ihn werben. Sie dürfen mit ihm ausgehen. Sie dürfen meinetwegen auch mit ihm vögeln. Aber solange er selbst es nicht merkt, werden sie stillschweigen bewahren.“ Der Alpha knurrte.

Ihm passte das natürlich gar nicht. Es wäre für ihn viel einfacher dem Jüngeren zu sagen sie sein Gefährten und ihn dann flach zu legen. Nun musste er sich aber ernsthaft bemühen.

„Wieso sollte ich mich daran halten?“ „Weil ich ansonsten den Jungen für die drei Jahre an einen Ort bringen werde, wo sie ihn nicht finden werden. Wenn sie nicht um ihn werben und ihn erobern, dann sind sie kein würdiger Gefährte.“

Es war die einzige Drohung, die ihm gegenüber Wirkung zeigen würde. Er wusste, er durfte sich in die Rudelinternen Beschlüsse nicht einmischen. Würde also das Rudel beschließen seinen Gefährten wegzuschicken, dürfte er nichts dagegen tun.

„Ich akzeptiere die Bedingungen.“ „Schwöre darauf.“ Der Schwur eines Alphas hatte große Bedeutung. Ihn zu brechen war für den betreffenden Alpha eine Schande und sie versuchten alles um das zu vermeiden. Er knirschte mit den Zähnen.

„Ich schwöre, meinem Gefährten nichts von dieser Tatsache zu erzählen, bis er seinen achtzehnten Geburtstag erreicht hat.“ Tefiti nickte zufrieden und zog die Rechnung sowie einen Stift hervor.

„Er heißt Cian, ist im Moment 15 Jahre alt und total verwirrt. Ich muss mich um ihn kümmern, bevor gleich der große Ansturm losgeht. Er wird also keine Zeit jetzt für dich haben. Das hier ist unsere Telefonnummer. Da kannst du ihn erreichen.“ Sie schrieb die Nummer in ordentlichen Zahlen auf die Rückseite der Rechnung.

„Leo. Gib den Rest ihm.“ Tefiti lächelte leicht, als er ihr den Schein gab und die Rechnung sorgfältig in seiner Brieftasche verstaute. Er schien ihn auf keinen Fall verlieren zu wollen.

„Ich bin Tefiti. Wird werden ja jetzt wohl häufiger miteinander zu tun haben. Ich wünsche dir einen schönen Tag Leo.“ Vor Tefiti innerem Augen erscheint das Bild eines Welpen.

Sie lächelte Kopfschüttelnd und ging wieder nach drinnen, wo sie zwei Geschäftsleute, die hier zu Mittag gerissen hatten, abkassierte. Erst dann konnte sie wieder zu Cian gegen, der noch immer im Mitarbeiterraum war.

WolfsaugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt