Der Vollmond

2.6K 144 3
                                    

Die silberweiße Wölfin lag zufrieden auf der Wiese, genoss den kalten Nachtwind, der ihr Fell zerzauste. Der deutlich kleinere, dunkelgraue Wolf tollte herum, jage aufgescheuchte Insekten und wälzte sich immer wieder in besonders gut riechenden Pflanzen. Tefiti schmunzelte, auch wenn man ihr das in ihrer Wolfsgestalt nicht ansah.

Sie freute es, dass Cian so gelöst war und sich benahm, wie seine Instinkte es ihm sagten. Sie hatte ihn doch etwas Kopfbetont erzogen, auch wenn ihr das nach wie vor sinnvoll erschien. Wenn er nur ein wenig mehr auf seine Instinkte hören würde, wäre das Leben für ihn leichter, aber diese Grenze zu finden war schwer.

Ein leises Geräusch ließ ihr Ohr zucken, sie hob den Kopf von den Pfoten, auf denen sie den Kopf liegen hatte, und sah sich um. Die Quelle des Geräusches hatte sie schnell lokalisiert, es kam aus dem Wald und bewegte sich langsam auf sie zu. Ein einzelnes Tier, vielleicht in weiterer Werwolf, von der Größe würde es hinkommen. Da er sich gegen den Wind näherte, bekam sie keinerlei Duftnote von dem Tier.

Cian bemerkte, dass etwas nicht stimmte, als Tefiti auf die Beine sprang und den Waldrand beobachtete. Schnell lief er zu ihr und verkroch sich hinter ihr. Tefiti reagierte nicht darauf, sie sah weiter der möglichen Bedrohung entgegen. Die Geräusche wurden lauter, die Quelle der Geräusche näherte sich.

Die Zweige der Büsche, die den Waldrand säumten, begannen sich zu bewegen und schließlich trat ein Wolf durch das Gebüsch. Er war auf jeden Fall deutlich älter als Tefiti, die sich ein Knurren verkniff. Der andere schien sie zunächst nicht angreifen zu wollen, ihn zu provozieren erschien ihr als schlechte Idee.

Der Wolf, ein Mischgrauer, dessen Fell von Narben durchzogen war, näherte sich vorsichtig, mit gesenktem Kopf. Er senkte ihn nicht weit genug, als das man es als Unterwerfung ansehen könnte, aber es war ganz klar als Deeskalation gemeint. Tefiti ließ ihn näher kommen, bis er zwei Meter vor ihnen einfach stehen blieb.

Der andere Wolf sah sie an, legte sich dann hin und schloss die Augen. Tefiti war sich nicht so sicher, wie sie nun darauf reagieren sollte. Die Streifer, wie die Wölfe ohne Rudel genannt wurden, waren häufig verstoßen und daher potenziell gefährlich. Als gefährlich stufte sie den Grauen ein, schon allein der Narben wegen.

Aber er schien eigentlich nur Gesellschaft zu wollen, er schien friedlich. Das sich so etwas jeden Moment ändern könnte, dass wusste sie auch gut genug. Aber erstmal beschloss sie nichts zu tun und den anderen einfach hier zu dulden. Sie legte sich wieder hin, den Kopf auf die Pfoten, sah den Grauen aber die ganze Zeit an.

Cian war verunsichert und legte sich neben Tefiti. Die drehte den Kopf und leckte ihm kurz über den Kopf, sah dann aber wieder zu ihrem Besucher. Den schienen die Blicke der Wölfin nicht zu stören.

Tefiti überlegte, ob sie den anderen kannte, fand aber niemanden, der zu dem Wolf gepasst hätte. Er interessierte sie, einfach weil er so ein Mysterium war. Bisher war niemand bei ihnen geblieben. Streifer hatten sie immer mal wieder getroffen, da sich hier eine Art Flur befand. Man konnte ein weites Stück Land überwinden ohne ein Territorium zu betreten. Das bevorzugten Streifer natürlich.

Langsam begann Cian wieder z spielen, wen auch deutlich vorsichtiger als vorher. Er erinnerte sich an seine Zeit im Rudel, die letzte Zeit, in der er mit einem anderen Wolf als Tefiti zusammen Vollmond erlebt hatte. Schon damals hatte er sich nicht getraut zu spielen, weil er ja eh bestraft werden würde. Tefiti hatte ihn zwar immer zu Sete genommen und dann doch mit ihm gespielt, aber er hätte nur zu gerne mit den anderen Welpen gespielt.

Nun war die Angst in ihm, dass dieser Wolf ihn auch bestraften würde und das ließ ihn zu jeder Zeit einen Angriff erwarten. So spielte er so weit wie möglich von dem anderen Wolf weg und so leise wie es nur ging.

Tefiti wand ihm den Kopf zu und sah ihn auffordernd an. Er wusste, sie wollte, dass er ganz normal spielte, doch er traute sich einfach nicht. Die Angst saß zu tief in ihm, war zu fest verwurzelt. Die würde auch nicht mehr so schnell weggehen, wenn sie überhaupt je verschwinden würde.

Ein Geräusch ließ beide zu dem Grauen sehen, der langsam aufstand, sich streckte und dann wieder im Wald verschwand. Tefiti sah dem anderen hinterher und dann fragend zu Cian. Der legte fragend den Kopf schief und begann dann eine Motte zu jagen, die er gerade aufgescheucht hatte.

Tefiti legte zufrieden den Kopf auf ihre Pfoten, ließ die Augen aber aufmerksam offen. Der Graue verwirrte sie und beschäftigte sie noch immer. Warum war er bei ihnen gewesen um dann mehr oder weniger sofort wieder zu verschwinden? Was hatte er damit bezweckt? Sicher, er hatte sich ihnen gezeigt, aber er hatte sie nicht eingeschüchtert oder ähnliches. Tefiti verstand es einfach nicht.

Solange nicht noch etwas passieren würde, sollte es aber in Ordnung sein, so wie es war. Sorgen machte sie sich aber trotzdem noch, also ließ sie den Wald nicht aus den Augen. Sie wollte auf keinen Fall verpassen, wenn der Kerl tatsächlich meinte zurück kommen zu müssen. Irgendwas was an dem Mann komisch, dass hatte sie sofort gespürt, nur konnte sie ihren Finger nicht so richtig darauf legen.

Es raschelte erneut in den Büschen und sofort waren Tefitis Sinne wieder auf voller Konzentration. Sie fing an sich zu fragen, was an diesem Abend los war, denn das sie einen Streifer trafen war zwar nicht selten, aber sie trafen nie mehr als einen. Man hielt sich einfach voneinander fern, außer man suchte Streit. Sie hoffte nur, dass niemand Streit mit dem Grauen suchte und diesen zu diesem Platz verfolgt hatte.

Dann hätte dessen Verhalten aber auch einen Sinn. Klar, es war sicherer zu dösen wenn jemand, wenn auch Fremdes aber ungefährliches, aufpasste, als sich einfach irgendwo hinzulegen. Das konnte aber nach hinten losgehen, wenn der Bewacher in Gefahr geriet, denn dann konnte er dem Dösenden in den Rücken fallen.

Es würde Sinn machen sich vorher zu verziehen, so wie der Graue es getan hatte. Tefiti spannte sich an, bleib aber legen. Sollte jemand sie und Cian bedrohen, könnte sie sofort angreifen. Doch zu ihrer großen Überraschung war es erneut der Graue, der sich durch die Büsche schob.

Im Maul trug er zwei fette Truthähne und er schien diesmal nicht zu zögern. Eines der Tiere legte er vor Teftit ab, die ihn nur verständnislos ansah, mit dem anderen legte er sich an denselben Platz wie zuvor. Tefiti beobachtete jede seiner Bewegungen, doch er machte sich einfach nur über seinen Vogel her.

Misstrauisch stupste sie das tote Tier vor sich an, doch das war einfach nur ein ganz normaler, wilder, wenn ach toter Truthahn. Hatte der Graue tatsächlich für sie gejagt? Tefiti warf einen Blick zu dem anderen, doch der war ganz auf sein Essen konzentriert. Sie riss sich ein Stück aus dem toten Vogel und schlang es herunter, auch wenn sie seine Geste nicht verstand.

Cian bemerkte den Geruch nach Blut und kam nun zu ihr, schnupperte an dem Beutetier und warf dann einen Blick zu dem grauen Wolf. Als er wieder zu Tefiti sah, legte er den Kopf schief und knickte ein Ohr ab. Tefiti hätte gequietscht, wenn sie es könnte, weil es so süß aussah. Aber sie konnte es nicht und so hob sie nur die Schultern.

Cian schien das zu verstehen und riss sich nun selbst ein Stück Fleisch von der Beute ab. Anstelle es sofort zu fressen wie die beiden älteren Tiere, schleifte er es erst noch eine Weile über die Wiese, zerrte daran herum und frass es erst, als er sich müde gespielt hatte.

Dann lief er zu Tefiti, schmiegte sich an ihre Seite und ließ zu, dass sie ihm das Blut aus dem Fell leckte. Langsam aber sicher döste er ein und fühlte sich dabei so ruhig wie schon lange nicht mehr. Tefitit dagegen lag die ganze Nacht wach, den Grauen die ganze Zeit im Blick.

WolfsaugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt