Einen Monat später.
"Paul!", rufe ich meinen zufälligen Mitbewohner. "Ja?", kommt es von oben zurück und kurz darauf kommt er auch schon runter. "Ich gehe jetzt und besuche Tom.", erkläre ich ihm zögerlich. Er war schon die ganze Zeit dagegen, dass ich Tom oder Mom überhaupt noch jemals besuchen gehe. Sie denken wahrscheinlich sowieso, dass ich tot bin. Ich bin vor einem Monat aus dem Krankenhaus hierher geflohen und wohne seitdem hier. "Du weißt aber, dass es schon dreiundzwanzig Uhr ist, oder?", meint Paul jedoch nur und deutet auf die Küchenuhr. Mir ist gerade nicht nach reden, also nicke ich nur, drehe mich um und marschiere entschlossen zur Tür hinaus. Ich bin wahrscheinlich noch nie so schnell durch den Wald gerannt wie jetzt. Das könnte aber auch daran liegen, dass Paul mich trainiert hat, seit es meinem Knie wieder besser geht. Außerdem haben wir so gut wie jeden Winkel des Waldes erkundet, sodass ich mich hier mit geschlossenen Augen durch bewegen könnte. Nach nur fünf Minuten stehe ich am Waldrand, von dem aus man schon das Haus sehen kann, indem ich einst lebte. Schnell begebe ich mich dorthin und springe lautlos über den Gartenzaun. Es ist Mitte Juli und im Garten blühen immer noch Maiglöckchen und Krokusse. Kurz bin ich wie gebannt von der herrlichen Blütenbracht, doch dann erinnere ich mich wieder, warum ich hergekommen bin. Hinter unserem Haus steht im Garten eine große Linde, von der aus ich an Toms Zimmerfenster komme. Nur mit Mühe komme ich den Baum hoch, da ich seit Ewigkeiten nicht mehr geklettert bin. Erschöpft lasse ich mich auf den Fenstersims plumpsen und mache eine kurze Verschnaufpause. Leise klopfe ich an das Fenster. Immer und immer wieder, bis Tom die Augen aufschlägt und mich entdeckt. Seine Augen weiten sich und er will etwas rufen, doch ich bedeute ihm mit einem Handzeichen leise zu sein und mir das Fenster zu öffnen. Er versteht und kommt rüber um mich herein zulassen. Geschickt springe ich in das Zimmer und drehe mich um, als mir Tom auch schon in die Arme springt. "Ich hab dich vermisst Kleiner.", flüstere ich ihm ins Ohr. "Ich dich auch Skayla.", murmelt Tom und drückt mich noch fester. "Ich habe eine Überraschung für dich, aber dafür müssen wir schnell ein paar Sachen zusammenpacken und losgehen.", erkläre ich schnell und gehe schon zum Kleiderschrank um zu tun, was ich sagte. Mein kleiner Bruder liebt Überraschungen und eilt zu mir, um mir zu helfen. Eine Viertelstunde später haben wir das nötigste gepackt und Tom steht mit der Tasche unten im Garten, um auf mich zu warten. Ich habe das Gefühl, ich müsste Mom wenigstens erklären, warum ich noch nicht nach Hause kommen kann, deswegen schreibe ich ihr einen Brief, indem auch steht, dass ich Tom mit zu mir nehme bis die Sommerferien zu Ende sind. Den Brief lege ich auf Toms Bett, weil ich weiß, dass sie ihn dort auf jeden Fall finden wird. Ich sehe mich noch einmal um und das einzige was ich in dem Moment denke ist: Hier gehöre ich nicht hin. Ich drehe mich um und klettere aus dem Fenster zurück in den Garten. "Wo gehen wir denn hin?", fragte Tom mich nach gut zehn Minuten Weg. "Nach Hause.", antworte ich nur und wechsle schnell das Thema. "Was hast du die Ferien über so gemacht, während ich weg war?", frage ich und sehe zu meinem Bruder herab. "Ich war mit Klaus und Michi im Schwimmbad und da haben wir tauchen gespielt. Und dann war ich noch mit Rita im Kino und ich habe ihre Hand gehalten.", sprudelt es aus Tom hervor. "Hast du Rita gern?", frage ich ernst, muss aber dann doch lächeln. Nervös reibt sich mein kleiner Bruder die Hände und ich wuschle ihm lachend durch die Haare. Schweigend gehen wir weiter und nach einer halben Stunde sind wir da. Ich setze Tom hab, da ich ihn die letzten zwanzig Minuten schlafend auf dem Arm hatte und wecke ihn auf. "Tom... Das ist das ursprüngliche zuhause der Blacks", erkläre ich ihm und gebe den Blick auf das große Holzhaus frei. Tom reißt erstaunt die Augen auf und rennt zu der Tür. "Paul machst du auf?", rufe ich lachend und laufe Tom hinterher. Doch Tom ist offenbar nicht nach reingehen, denn er rennt sofort um das Haus herum, sodass ich ihn nicht mehr sehen kann. "Tom?", rufe ich panisch, als ich ihn hinter dem Haus nicht finden kann. "Paul! Komm endlich raus!", doch er kommt nicht und ich bekomme Angst. Schnell gehe ich in das Haus, doch da ist er auch nicht. Paul ist weg und Tom auch. Als hätte es nicht schlimmer kommen können, höre ich in der Ferne Wölfe heulen, denn es ist Vollmond. Ich renne wieder aus dem Haus raus und sehe mich hektisch um, dann höre ich einen Schrei. Dieser Schrei hallt durch mich hindurch und setzt sich in jeder Zelle meines Körpers fest. Aber.... das ist doch nicht möglich. Ich weiß wer da schreit und auch wieder nicht. Während ich zu dem Ursprung des Schreis renne und komme zu dem Schluss, dass ich mir das alles nur eingebildet haben muss, bis jemand erneut schreit und dann ein Fluchen und dann bin ich da. Die Lichtung ist direkt vor mir und da ist...
"Skayla? Skayla!", jemand rüttelt an mir und schreit mich an. Ich schlage die Augen auf und blicke in die, vor Angst geweiteten Augen von Paul. "Ihr wart doch gerade noch.. Wie ist das nur möglich? Bin ich etwa... Oder war das nur... Ich glaube ich...ich", ich bekomme keinen vollständigen Satz hervor. "Wo ist Tom?", frage ich und sehe mich hektisch um. "Er sitzt drinnen und trinkt heiße Schokolade.", antwortet Paul zögerlich. Ohne ein weiteres Wort springe ich auf und renne nach drinnen. "Tom? Tom, wo bist du?", rufe ich panisch nach meinem Bruder. Statt einer Antwort kommt Tom aus der Küche zu mir gerannt. "Da bist du ja.", ich atme erleichtert aus und nehme den wichtigsten Menschen in meinem Leben in die Arme...
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Das oben ist das Haus der Mutter
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Schicksal
FantasyMein Name ist Skayla Black. Eigentlich bin ich ein ganz normales Mädchen im Alter von 16, dachte ich jedenfalls... Doch ich bin anders. Ich erschaffe Leben wo keines ist. Meine Gabe ist ein Geschenk meines Vaters. Doch wird dieses Geschenk mir irgen...