Kapitel 20

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Ich weiß eigentlich nerve ich euch mit dem ständigen dazwischen Gerede, aber mir ist dieses Kapitel sehr wichtig, Weswegen ich es unbedingt mit rein nehmen wollte! Viel Spaß beim lesen❤️
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Zwanzig Minuten ist es her, seit ich Tom das letzte Mal in den Arm nahm. Noch immer stehe ich an derselben Stelle. Ich zwinge mich, nicht zu weinen, weil es eh keinen Sinn hat. In zwei Tagen wird Tom wieder hier ankommen und mich nicht mehr finden. Ich werde nicht mehr existieren.

Mir fällt ein, dass ich weder Zeit noch Kraft habe hier weiter herum zustehen. Ich setze mich wieder in mein Auto und fahre zum Haus meiner Mom.

Die Klingel läutet und ich höre, wie eilige Schritte sich der Tür nähern. "Peter wir haben doch erst um sieben heute Abend ausge...", meine Mutter reißt die Tür auf und erstarrt. Ihre Haare sind zerzaust. Ihre Bluse nur halb zugeknöpft. Sie trägt eine kurze Hose. Ihre Füße sind nackt. Ihre Wangen sind nicht mehr eingefallen, wie bei meinem letzten Besuch. Ihr Lippen sind voll, nicht zerbissen. Ihre Augen glitzern und funkeln. Sie sieht glücklich aus. "Hi Mom. Können wir kurz reden?", frage ich vorsichtig. "Klar, meine Kleine. Du hast mir gefehlt. Komm doch rein.", sie tritt zur Seite und lässt mich herein. Geschockt bleibe ich stehen. Alles ist anders. Jedes Möbelstück wurde erneuert. Jedes Foto ersetzt. Jede Erinnerung zerstört. "S-seit wann ist das hier so?", frage ich verwirrt. "Seit gestern.", antwortet Mom stolz. "Wie hast du das finanziert?", ich komme mit der Ausstrahlung nicht klar. Mom war schon immer eher der gemütliche Typ gewesen, der sich nur für die Arbeit schick macht, weil man das offenbar muss. Jetzt stehen hier Luxusmöbel und futuristisch aussehende Maschinen. "Peter hat die Möbel bezahlt. Schön nicht?", fragt sie lächelnd zurück. "Es ist gewöhnungsbedürftig.", versuche ich vorsichtig. "Wer ist Peter?", löchere ich sie weiter. "Ich gehe seit ein paar Wochen mit ihm aus. Vor einer Woche haben wir beschlossen, zusammen zu ziehen. Seitdem haben wir gestrichen und neu möbliert.", erwidert Mom und geht in die Küche. "Wie kann er sich das denn leisten?", ich folge ihr. "Er ist Arzt. Jetzt aber Schluss damit. Du bist bestimmt nicht hergekommen, um hallo zu sagen und mich wegen meinem Freund zu löchern. Willst du was essen oder trinken, du siehst so abgemagert aus?", sagt sie streng. "Nein danke. Ja, du hast recht. Ich muss mit dir reden, aber dafür würde ich mich gern mit dir hinsetzen, weil ich nicht will, dass du umkippst.", tatsächlich habe ich einen Mordshunger, aber ich kann gerade nichts essen. Mom macht große Augen, folgt mir jedoch ins Wohnzimmer, wo wir uns gegenüber in die Sessel setzen. "Wir müssen über Tom reden.", beginne ich. "Wieso? Hat er was angestellt? Ist ihm was passiert? Wieso ist er nicht hier?", Moms Mutterinstinkt erwacht und sie springt panisch auf. "Setz dich wieder, Mom. Tom geht es gut. Er ist zuhause und in Sicherheit.", das ist nur teilweise gelogen. Er ist höchst wahrscheinlich in Sicherheit und in seinem neuen zuhause. "Was ist dann los?", fragt Mom jetzt wieder etwas ruhiger. "Ich werde ihn noch etwas länger als geplant behalten. Ich will mit ihm verreisen und wollte, dass du das weißt.", an meinem Entschluss gibt es nichts zu rütteln. "Wo wollt ihr hin?", Mom weiß, dass sie mich nicht umstimmen oder mir Tom wegnehmen kann. "Vegas, danach New York, dann Boston und dann eine Europatour.", erfinde ich. "Was da seit ihr ja über ein Jahr weg! Das kannst du nicht machen!", erneut springt Mom aus ihrem Sessel auf und erneut bedeute ich ihr, sich doch bitte wieder zu setzen. "Ich weiß. Wir sind eineinhalb Jahre unterwegs. Ich habe schon mit der Schule telefoniert. Sie sagen es ist ok, dass ich Tom privat unterrichte, bis er wieder zur Schule geht. Die Test wird er zwischendurch nachholen.", erkläre ich. "Ich will Tom noch Tschüss sagen, bevor ihr fliegt.", Mom steht auf und will schon ihre Jacke anziehen. "Mom...Das ist nicht mehr möglich. Vor einer Stunde ging sein Flieger. Er ist mit einem Beschützer geflogen und ich werde ihnen morgen folgen.", Mom erstarrt mit dem Rücken zu mir. "Wieso machst du das, Skayla? Wieso nimmst du mir meinen Sohn?", sie dreht sich mit Tränen in den Augen zu mir. "Ich will ihm die Welt zeigen. Ich will mit ihm schöne Erinnerungen haben, wenn ich ihn nicht mehr sehe.", ich senke meinen Blick, denn auch mir stehen Tränen in den Augen. "Wieso wirst du ihn nicht mehr sehen?", Mom steht noch immer mit der Jacke in der Hand da. "Ich werde verschwinden. Niemals wieder werde ich wiederkehren. Auf der Welt gibt es Jäger und Gejagte. Ich dachte immer, ich bin wie Dad ein Jäger. Doch Dad war nie ein Jäger. So wie auch ich keiner bin. Ich bin eine Gejagte und wenn ich bei euch bleibe, werdet auch ihr gejagt. Ihr habt es nicht verdient, auf der Flucht zu leben. Ich werde gejagt und bald nimmt es mir die Kraft euch zu schützen. Lass mich mit Tom meine letzte Zeit in Freiheit verbringen. Bitte.", das letzte Wort hauche ich nur noch. "Wieso hast du mir nie etwas davon gesagt? Ich hätte dir geholfen.", versucht Mom es und geht einen Schritt auf mich zu. "Niemand kann mir helfen. Jedenfalls niemand der noch lebt. Ich will keine Hilfe, dafür ist es zu spät.", Mom macht noch einen Schritt auf mich zu. "Du bist so unfassbar schnell groß geworden. Ich sehe dich immer noch durch den See tauchen und auf der Eiche die Vögel fangen. Du warst so winzig. Man hätte dich mit einer Hand tragen können. Und doch warst du schon damals so unglaublich stark. Ich weiß, dass ich nicht immer da war, wenn du mich gebraucht hättest. Ich weiß das. Jeder macht mal Fehler. Du warst manchmal echt schwierig. Doch nun bist du so groß und hübsch und klug und taff und stark. Irgendwas müssen dein Dad und ich ja richtig gemacht haben...", mit einem schüchternen Lächeln kommt sie noch einen Schritt auf mich zu. Jetzt steht Mom direkt vor mir. "Mom. Ich weiß, dass du dir die größte Mühe mit mir und Tom gegeben hast. Dein Mann ist gestorben, doch du hattest nie Zeit zu trauern. Du hast dich zusammen gerissen und weitergemacht. Du hast härter gearbeitet als irgendwer sonst. Du hast Tom und mich groß gezogen und das war eine riesige Aufgabe. Viele wären verzweifelt oder hätten aufgegeben. Doch nicht du. Du hast Rückschläge als Sprungbrett für einen neuen Anfang genutzt und das ist sehr beeindruckend. Du bist die stärkste Frau die ich je kennengelernt habe. Du bist die beste Mom die man sich nur wünschen kann!", nun stehe auch ich auf. Ich will zum weiterreden ansetzen, doch sie unterbricht mich. "Ich bin so stolz auf dich, mein Kätzchen!", damit fallen wir in eine Umarmung, die schon viel zu lange überfällig war. Wir weinen und schluchzen. "Ich hab dich lieb, Mom.", flüstere ich die Worte, die ich schon viel zu lange runtergeschluckt habe. "Ich hab dich noch viel mehr lieb, mein Schatz.", flüstert Mom zurück und drückt mich noch doller.

Als wir uns endlich aus der Umarmung gelöst haben, gehen wir in die Küche.Ich denke, nun kann ich wieder essen. Es ist, als wäre da ein schwerer Fels in mir gewesen, der auf mein Herz gedrückt hat, wenn ich Mom gesehen habe. Nun ist dieser Stein fort und ich fühle mich freier. Endlich kann ich wieder durchatmen. "Da das heute anscheinend mein letztes Treffen mit dir ist, wirst du noch eine Weile bleiben müssen.", meint Mom fröhlich aber bestimmt. Ich weiß nicht warum, aber plötzlich muss ich lachen. So lange habe ich nicht mehr ehrlich gelacht. Ich weiß nicht mal, ob ich in diesem Haus überhaupt irgendwann mal wirklich gelacht habe. Mom geht es offenbar ähnlich und sie stimmt in mein Lachen ein. Gemeinsam bereiten wir ein fünf-Gänge-Menü zu. Einen klassischen Salat nach Blacks Art. Eine Pilzsuppe und Risotto, was man halt lieber isst. Ein Fleischteller mit gegrilltem, geschnetzeltem, geräuchertem, marinierten und frittiertem Fleisch dazu gibt es Pommes. Ein Dessert aus Himbeeren, Schlagsahne und karamellisierten Mandeln. Und zum krönenden Abschluss eine gigantische Torte mit Eis.

Die gesamte Küche sieht aus wie ein Schweinestall und überall stehen Teller. In der Küche, im Wohnzimmer, im Esszimmer und sogar in meinem Zimmer. Pappsatt liegen wir mit geschlossen Augen auf meinem Bett und verdauen. "Hast du mehr Lust auf Disco oder auf Kino?", fragt Mom plötzlich. "Lieber Kino.", murmle ich und rolle mich vom Bett. Es ist bereits einundzwanzig Uhr. Mom steht ebenfalls auf und geht zur Tür. "Treffen in zehn Minuten unten an der Tür.", damit schließt sie die Tür und lässt mich kurz allein. Ich denke an ein nachtblaues Kleid, das relativ kurz ist, mir jedoch sehr gut gefällt, da der Stoff so leicht und befreiend ist. Ich warte noch kurz, dann gehe ich runter und warte auf Mom.

Wir gehen in den neuen Film 'Die Schöne und das Biest' mit Emma Watson, denn sie ist die Lieblingsschauspielerin von uns beiden. Wir essen Popcorn mit Nachos und Käsedip. Es könnte kaum noch schöner sein.

Nach dem Film führen unsere Beine uns in eine Bar und wir beschließen, dass das die einzige Möglichkeit ist, einen fantastischen Frauenabend perfekt zu machen.

"Du Mom?", lalle ich. "Ja Kleine?", lallt Mom zurück. Wir sind auf dem Heimweg und es wird Zeit sich zu verabschieden. "Du wirst mir fehlen!", ich falle ihr in die Arme und schließe die Augen. "Dann bleib doch da.", gibt Mom zurück. "Kann nicht. Muss weg. Jetzt.", ich löse mich von ihr. "Wiedersehen Schatz. Pass auf dich auf, ja?", hält sie mich auf. "Mach ich, versprochen. Un du passt auf Tom auf, wenn er wieder da ist. Und du bist immer für ihn da, ja?", ich sehe ihr direkt in die Augen. "Mach ich. Und jetzt....Bist du frei.", mit diesen Worten dreht Mom sich weg und geht ins Haus. Nun bleibt nur noch eine Sache zu tun...

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