Kapitel 9

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Das oben ist Skaylas Kleid an diesem Tag.
Viel Spaß beim lesen und liebe Grüße ❤️
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Ich schließe die Tür hinter mir und lass mich an ihr herunter sinken. Mir ist noch nie aufgefallen wie sehr mir die Trennung von meinem Vater zusetzt, dann kommt noch Luzys Tod hinzu und... Aber ich bin stark geblieben. Den Therapeuten habe ich angeschwiegen und in Anwesenheit meiner Mom mache ich gute Mine zum bösen Spiel. Ich weine nicht sehr oft, auch wenn das manchmal so rüber kommt. Jedenfalls weine ich nicht vor anderen. "Skayla?", ertönt eine Stimme vor der Tür. "Wer bist du?", frage ich, als mir nicht einfällt, wer das sein könnte. "Ich trug dich in jener Nacht, doch bin ich nicht sichtbar.", antwortet die unbekannte Person. "Dann komm herein und mach dich sichtbar.", fordere ich, stehe auf und öffne die Tür doch da ist keiner. "Ich stehe direkt vor dir. Streck die Hand aus und du wirst mich fühlen.", befiehlt er mir. Ich strecke die Hand aus und dann fällt mir ein, dass ich die Stimme doch kenne. "Du bist zurück.", meine Augen weiten sich, denn ich weiß genau wie der, der da vor mir steht, früher aussah. Plötzlich durchströmt mich ein Schmerz, welcher nicht für mich bestimmt war. Ich schreie auf und schließe die Tür schnell wieder, denn meine Tränen sind noch immer nicht versiegt. Ich höre Schritte auf dem Gang. "Skayla, alles in Ordnung?", fragt Paul misstrauisch. "Nein! Nichts ist ok! Ich bin schuld an dem Tod meines Dads, an dem meiner besten Freundin und an der Sache mit Dave!", schreie ich ihn durch die Tür an. "Skay..", beginnt er zögerlich. "Nenn mich nie niemals so!", kreische ich hysterisch. "Skayla, es ist nicht deine Schuld.", legt Paul nach. "Du hast keine Ahnung! Ich war es! Ich habe Dad abgelenkt. Ich habe Luzy nicht beschützt. Ich habe mich nicht gewehrt. Ich war nicht bei ihm. Ich bin schuld! Ich bin ein Monster!", keife ich ihn an, öffne leise das Fenster und springe leise hinaus. Paul sagt noch irgendwas, doch ich höre ihn nicht mehr. Ich laufe und laufe. Mein dünnes, blaues Sommerkleid ist durchgeschwitzt, aber ich renne weiter. Die Lichtung bemerke ich nur in einem Fetzen der Realität. Ich renne und schwitze und weine und höre nicht auf mich durch das Gestrüpp zu hechten. Ich fühle mich so gefangen in meiner Haut. Meine Kette reißt und meine Uhr habe ich, glaube ich, auf der Lichtung abgeworfen. Meine Schuhe sind durchgelaufen und meine Lunge schreit nach Luft. Japsend lasse ich mich fallen, rolle mich zusammen und bleibe liegen.

Ich schlage die Augen auf und befinde mich auf einem Weg. Vor mir steht eine Gestalt. Sie ist ganz in schwarz gekleidet und bedeutet mir, ihr zu folgen. Meine Beine folgen der Anweisung, ohne das ich die Kontrolle darüber habe, wie schnell oder weit ich gehe. Wir kommen zu einem Friedhof, welcher in einen schweren Nebel gehüllt ist. Die Gestalt schwebt schwerelos vor mir her und ich gehe durch einen Gang der Grausamkeit. Auf allen Grabmälern steht, außer Name und Lebensdaten, die Todesursache. Ich komme vorbei an einem Grabmal auf dem steht: Hier ruht Magdalena Gustavia, geboren am 12.04.1587, gestorben am 12.04.1605. Sie starb auf ihrer achtzehnten Geburtstagsfeier wegen ihrem Freund Benno. Ihr Freund erwürgte sie. Leise schicke ich einen Gruß für Magdalena zum Himmel und gehe weiter. Das hier ist wie ein Massengrab nach einer Epidemie. Überall Seuchentod und Mord. Auf einmal bleibt die Person vor mir stehen und sieht auf ein Grab hinab. Ich stelle mich daneben und lese, was auf dem Grabstein steht. Erschrocken will ich zurücktreten, doch die Gestalt schubst mich in das Grab, mein Grab, hinein. Ich falle und falle. Unter mir taucht jedoch ein Raum auf. Ich lande erstaunlich weich und sehe mich um. Der Raum ist dunkel bis auf zwei Dinge. Die Gestalt ist in grün gekleidet und winkt mich zu sich. "So so. Der Tod schickt dich also zu mir. Skayla du bist ein besonderes Mädchen. Noch nie wurde jemand, der zu uns kam, von dem Tod empfangen. Ich bin die Sünde und das sind meine Kinder, die Arroganz und der Neid. Ich will dir etwas zeigen.", weißt mich die Sünde ein und führt mich zu dem Spiegel, neben dem zwei kleine, beflügelte Kinder stehen. Fragend sehe ich zu der Gestalt, doch sie bedeutet mir nur in den Spiegel zu blicken. Ich werde wie angesogen von der glatten Fläche und tauche in das Geschehen ein. Wie ein Geist schwebe ich neben einem Auto her. Da sitzen mein Dad und eine frühere Version von mir im Auto. Ich bettle meinen Dad an, mir doch ein neues Handy zu schenken. Ich weiß was gleich passieren wird, doch ich will das nicht sehen. Ich weiß, dass ich schuld an dem Tod meines Dads trage, ich will und kann mir das nicht ansehen, doch ich muss. Ich nerve meinen Dad weiter, bis er sich mir zuwendet, doch dann kommt die Kurve.... Ein LKW braust um die Kurve und Dad ist in der Mitte der Fahrbahn. Er kann nicht mehr ausweichen und der LKW prescht mit voller Wucht in die Fahrerseite des Autos. Unser Auto schlingert, kippt dann auf die Fahrerseite und bleibt brennend liegen. Der LKWfahrer springt aus seinem Fahrzeug und rennt zu unserem. Er öffnet die Beifahrertür und holt meine, weinende Wenigkeit aus dem Wagen und rennt so schnell es geht weg davon. Keine Sekunde später fliegt das Auto in die Luft und ich höre mich kreischen. Der Fahrer, ein etwas dickerer brünetter Mann im Alter von siebenundvierzig, bleibt bei mir, bis Mom da ist und mich wegzerrt. Mom durfte nie trauern. Sie musste für zwei kleine Kinder sorgen und Rechnungen bezahlen. Sie ist wie eine Maschine. Plötzlich merke ich, wie selbstsüchtig ich doch bin. Aber ist das nicht jeder Mensch irgendwie? Die Zeit spult vor. Ich sehe, wie ich damals mit Luzy bei mir das perfekte Outfit für ihr Date raussuchte. Meine Mine wird traurig, als das Bild anhält und ich Luzy am Brückengeländer stehen sehe, in dem Outfit, welches ich ihr wenige Stunden zuvor zusammen gestellt habe. Sie tippt auf ihrem Handy herum, doch die Tränen fließen nur so über ihre Wangen. Ich weiß, was meine beste Freundin da schreibt. Sie erklärt mir ihre Lage. Sie schreibt, dass nun alles gut werden würde, so wie ich es ihr immer versprochen habe. Sie schreibt, dass es ihr leid tut, dass sie mir nicht persönlich "Lebewohl" sagen kann und wie sehr sie es bereut mich nicht zum Abschied umarmt zu haben, weil sie nicht wollte, dass ihre Frisur kaputt geht oder ihr Make-Up verwischt. Sie schreibt, dass sie Dave schon immer liebte, aber er ihr gesagt hat, dass es ihm bloß um irgendeine dämliche Liste ginge und er sie eigentlich ziemlich hässlich findet. Sie schreibt, dass sie nicht will, dass etwas so hässliches wie sie noch auf der Erde wandelt. Sie schreibt, dass sie nun ihre letzte Reise antreten wird und niemand sie aufhalten kann. Sie schreibt mir ihren Standort und drückt auf senden. Sie greift in ihre Jackentasche und holt einen Brief heraus. Ich habe diesen Brief gefunden und zerstört, denn ich las seinen Inhalt. Darin stand eine Liebeserklärung seitens Luzy und drei Worte von Dave. Drei Worte, die mir meine beste Freundin nahmen und die alles zerstörten. Die Worte waren: Ich hasse dich. Luzy holt ihr Handy heraus, fotografiert den Brief und schickt ihn ab. Einmal an mich und einmal an Dave. Bei der Nachricht an Dave lächelt sie unter Tränen. Es war ihr letztes Lächeln. Die Sonne geht gerade über der Autobahn unter und taucht alles in ein warmes Rot. Luzy steht bereits auf dem Geländer und sieht in die Ferne. Neben mir raschelt es. Da stehe ich und will nach ihr rufen und zu ihr rennen und sie schützen und vor dem Tod bewahren, doch ich werde von meiner Mom aufgehalten. Sie hält mir den Mund zu und zerrt mich wieder ins Gebüsch. Wäre sie nicht da gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich Luzy hinterher gestürzt. Oder ich hätte sie retten können. Luzy blickt ein letztes Mal in den Sonnenuntergang, dann lässt sie sich fallen. Ich schreie auf. Auch jetzt ist es noch so wie damals. Mein anderes ich steht mit Tränen in den Augen auf und beißt meiner Mom in die Hand, um loszukommen. Ich renne zum Geländer und rufe Luzys Namen. Ich wusste, dass sie mir nicht antworten würde. Nie mehr. Dennoch rufe ich weiter und weiter. Ich dachte, wenn ich nur lange genug rufe, kommt sie vielleicht wieder. Die Polizei und Krankenwagen treffen ein und zerren mich mit Gewalt von dem Geländer weg. Ich wehre mich und trete und beiße, bis mir jemand eine Beruhigungsspritze gibt und ich zusammenklappe. Wieder spult die Zeit. Ich sitze nun im Behandlungszimmer eines Therapeuten und sehe wie dieser auf mich einredet. Doch ich habe geschwiegen. Ich war bei sieben Therapeuten, doch ich habe nie auch nur Hallo gesagt. Ich saß einfach nur zusammen gerollt auf der unbequemen Couch und habe geweint. Eines Abends fand ich Moms Weinvorrat von neun Flaschen Rotwein. Ich trank vier davon leer und kippte dann um, wie ein Fels. Als ich wieder aufwachte, war ich im Irrenhaus. Mein einziger Zimmerkollege war Ralf. Ralf war in meinem Alter und schwer gestört. Jedenfalls laut der ärztlichen Diagnose und die war das Einzige, was hier zählte. Er war in meinem Alter und wir verstanden uns gut. Nach einem Tag fing ich an, Ralf alles zu erzählen, was ich auf dem Herzen hatte. Monatelang versuchten die Ärzte und Therapeuten auch nu ein wenige aus mir heraus zubekommen und ich schüttete Ralf all mein Leid aus, obwohl ich ihn erst ein paar Stunden kannte. Er verstand mich. Nie hätte er gesagt "Es wird alles gut." oder "Es ist nicht so schlimm." Ralf wusste immer, was er sagen musste. Ich war nur drei Tage dort, dennoch ging es mir zum ersten Mal seit langem wieder besser. Kurz bevor ich ging, küsste mich Ralf und gestand mir seine Liebe. Ich wollte ihm antworten, doch meine Mom wollte gehen. Noch am selben Abend rief die Irrenanstalt an. Moms nahm ab und als sie hörte, was passiert war, versteinerte sich ihr Gesicht. Ich fragte sie was denn los sei. Sie schaute auf mich herab und gab mir langsam den Hörer. Ich riss ihn ihr aus der Hand und fragte panisch, was denn los ist. Sie sagten mir, dass Ralf sich erhängt hat und er nur mir eine Nachricht hinterließ. Ich legte auf und fuhr, so schnell es ging, zu der Anstalt. Er hatte sich mit dem Freundschaftsarmband, welches ich ihm zum Abschied schenkte, an meinem Bett aufgehängt. Ich brach in Tränen aus und ging zu seiner Leiche. In der linken Hand, hielt er einen Ring. In der rechten, hatte er einen Zettel. Ich greife mir an den Hals und tatsächlich. Dort hängen, an einer silbernen Kette, der Ring und, in einem kleinen Fläschchen, der Brief. Er schrieb, dass er ohne mich nicht mehr leben kann und das er mich mehr als sein Leben liebt. Ab diesem Augenblick zerbrach etwas in mir. Etwas, das mir das Leid vom Leib gehalten hat. Die Mauer, von Ralf erbaut, wurde in diesem Moment für immer zerbrochen. Nur eine einzige Person vermochte meiner Seele zu helfen. Mein kleiner Bruder. Tom ist Ralf wie aus dem Gesicht geschnitten. Und immer wenn ich mit Tom zusammen bin, ist es, als wäre Ralf auch da. Tom! Es reißt mich plötzlich zurück in die Realität und ich schrecke hoch. Ich bin schweißgebadet, dennoch stehe ich schon und suche die Gegend ab. Adrenalin durchströmt mich und ich finde schnell den Weg zurück zur Lichtung. Am See erfrische ich mich schnell, dann mache ich mich auf den Weg nach Hause. Die Sonne geht am Horizont auf, als ich am Haus ankomme. Die Tür geht auf und Tom rennt in meine Arme. "Mach mir bitte nie wieder so eine Angst.", schluchzt in meine Haare. "Nie nie wieder.", verspreche ich und weine vor Freude meinen Bruder wiederzusehen. Doch da ist noch etwas. Ich werde berührt von jemandem. Und mein Herz erwärmt sich...
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