Kapitel 15 | Geschichten brauchen Schreiber

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ES WAR, ALS HÄTTE BONNIE einen Schalter in Dales Gehirn umgelegt. Denn zum ersten Mal saßen wir in meinem Zimmer und arbeiteten ernsthaft am Projekt: Wir stritten uns nicht. Wenn wir uns nicht einig waren, brach kein dritter Weltkrieg aus. Es flogen keine Beleidigungen. Es war einfach nur ruhig.

Zwischendurch war es einmal so ruhig, dass mein Vater sich Sorgen gemacht hatte und in den Raum geplatzt war. Und damit war Aus mit der Ruhe. Denn Dad fragte Dale plötzlich alles Mögliche über das Rugby-Team unserer Schule. Er konnte seine Begeisterung nicht verbergen, wenn es um Sport ging. Auch Arian musste mit ihm immer über Baseball plaudern, genauso wie ich über Fußball. Dad sog alles in sich auf. Aber selbst Sport treiben, das konnte er nicht, was sich auch an seinem Bierbauch zeigte. Diese Ironie.

Ich tippte mit meinem Bleistift auf meinen Block herum und verfolgte das Gespräch der beiden Männer nicht mehr weiter. Dale und ich hatten uns tatsächlich an die Superhelden-Idee gehalten. Die Novelle sollte von einem egoistischen Helden handeln, der immer und überall im Mittelpunkt stehen wollte. Die halbe Frauenwelt lag ihm zu Füßen, Geld und Ruhm waren ihm von großer Bedeutung. Seine Superkraft war das Fliegen, was ihm die Rettung vieler Menschenleben ermöglichte. Doch dann verliert er seine Fähigkeiten. In der Geschichte soll es darum gehen, wie er damit weiterlebt.

Weiter waren wir nicht. Aber das müsste als Anfangsidee reichen. Viel wichtiger war es, dass wir endlich anfingen, die eigentliche Geschichte zu schreiben. Der Rest würde dann irgendwie kommen. Hoffentlich.

Ich stellte fest, dass es verdammt schwierig war, überhaupt anzufangen. Etwas Ähnliches hatte unsere Lehrerin auch gesagt. Dass der Beginn die größte Hürde wäre und es danach einfacher werden würde.

Erst als die Tür geschlossen wurde, realisierte ich, dass Dad gegangen war. Dale tippte an seinem Handy herum. Er saß am Schreibtisch, während ich auf meinem Bett Platz genommen hatte.

Ich setzte mich in den Schneidersitz. »Hast du einen Plan, wie wir anfangen wollen?«

Dale ignorierte meine Frage und tippte auf dem Handy herum. Ob er Zoe schrieb?

Am liebsten wäre ich aufgestanden und näher an ihn herangetreten, aber das wäre viel zu auffällig gewesen.

Ich seufzte auf. »Dale?«

Doch er tippte seelenruhig weiter und dann schickte er die Nachricht ab. Woher ich das wusste? Mein altes Handy vibrierte nur einen Wimpernschlag später.

Von einer Sekunde auf die andere verdoppelte sich mein Herzschlag. Hatte ich es nicht auf lautlos geschaltet?

Ich starrte Dale an, der nichts bemerkt haben zu schien. Dazu war er viel zu sehr auf sein Handy fokussiert.

Mehr als verkrampft griff ich nach meinem Smartphone. Die Nachricht war tatsächlich von Dale.

»Sorry, dass ich gestern einfach abgehauen bin. War dringend. Geht's dir besser?«

Ich blickte auf die Buchstaben, die sich im ersten Moment nicht entziffern lassen wollten.

Geht es dir besser?

Dale interessierte sich wirklich für mein Wohlergehen? Beziehungsweise das von Bonnie.

Kurz warf ich ihm einen Blick zu, dann schaltete ich mein Handy auf lautlos und schrieb versteckt hinter meinem Collegeblock eine Nachricht zurück.

»Ja, ich denke schon.«

Kaum hatte ich die Nachricht verfasst, tat ich so, als würde ich etwas in meinen Blog schreiben. Dale sollte nichts bemerken. Dass ich überhaupt antwortete, war riskant genug. Ich war verrückt.

Fooling the Bad BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt