Kapitel 34 | Die Nacht des Schreckens

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DIE MUSIK WAR SO LAUT, dass Arian und ich sie aus dem Inneren des Wagens hören konnten. Mein bester Freund – heute Nacht auch Chucky, die Mörderpuppe, genannt – umrundete den Wagen. Der Wind fuhr durch sein kurzes Haar, das er sich orange angesprüht hatte. Ein gestreifter Pullover, Latzhose und Fake-Narben im Gesicht vervollständigten Arians Kostüm und ließen ihn als die coole Version der Mörderpuppe durchgehen. Für einen Moment fragte ich mich sogar, ob Chucky jemals so gut ausgesehen hatte.

Unzufrieden blieb ich auf meinem Platz sitzen, als Arian mir die Tür öffnete und die Krücken hinhielt. »Mein Kostüm ist voll blöd«, beschwerte ich mich.

Arian runzelte die Stirn. »Gestern Abend fandest du es doch noch gut.«

Ja, und dann war Arian mit seinem Kostüm gekommen, um mich abzuholen. Meine Eltern hatten glatt ein Fotoshooting veranstaltet.

»Du siehst auch gut aus«, meinte er nun und hielt mir die Hand hin. Nur widerwillig nahm ich sie an und stieg aus dem Auto.

»Ich sehe nicht gruselig aus«, gab ich grummelnd von mir und zupfte das quietschgelbe Kleid zurecht.

»Du bist ein süßes Pikachu«, meinte Arian und drückte mir meine Krücken in die Hand. »Außerdem wolltest du es doch so. Ein Kostüm, das dich aussehen lässt wie Bonnie, damit du Dale die Wahrheit sagen kannst.«

Arian hatte recht. Ich betrachtete mich in der Spiegelung der Autoscheibe und versuchte zu lächeln. Aber das Lächeln gelang mir nur halbherzig. Ich war genauso geschminkt wie Bonnie es sein würde. Zusätzlich hatte ich zwei rote Kreise auf den Wangen. Ich fuhr mir noch einmal durch das blonde Haar und setzte meinen Haarreif, an dem zwei gelbe Öhrchen mit schwarzer Spitze befestigt waren, auf. Dann machte ich einen Schritt zur Seite und betrachtete mein Profil. Mein Kleid hatte genauso wie das Pokémon braune Streifen am Rücken und nicht zu vergessen ein blitzförmiges Schwänzchen.

Das Gruselige an meinem Kostüm waren die Fake-Blutspuren, die sich über meinen ganzen Körper zogen. Etwas Besseres war mir nicht eingefallen, schließlich musste ich ja aussehen wie Bonnie und für Dale mehr als erkennbar sein.

Arian wollte mir meine Krücken reichen, aber ich schüttelte den Kopf. »So erkennt mich Dale doch, noch bevor ich ihm die Wahrheit sagen kann.« Kurzerhand zog ich einen Gehstock hervor, den ich in der Nacht noch blau angemalt und mit blitz-förmigen Mustern versehen hatte.

Arian nickte schwer begeistert. »So kann man's auch machen.«

Das hatte ich mir gestern auch gedacht, als mir die Idee gekommen war. Gott sei Dank waren meine gelben Stiefel so hoch, dass man die Schiene nicht sehen konnte.

Gemeinsam gingen wir los und kamen an den Eingang der Sporthalle, aus der laut Musik hallte. Alle möglichen Kostüme kamen mir entgegen. Die einen waren richtig toll, andere dagegen nur zum Fremdschämen. Ich meinte, ein paar unserer Lehrer als Power Rangers rumlaufen zu sehen, aber das konnte ich mir auch nur eingebildet haben. Zumindest hoffte ich das.

Wir schlängelten uns an amüsierten Mitschülern vorbei, was mit dem Gehstock echt nicht einfach war. Als wir bei der Bowle und den Snacks ankamen, stopften Arian und ich alles, was wir halbwegs gut fanden in einen Beutel und verschanzten uns dann auf die Tribüne, wo wir Platz nahmen, Süßigkeiten futterten und nach Zoe und Dale Ausschau hielten.

Wir wurden zuerst gefunden.

Leider nicht von Zoe und Dale, sondern von Courtney und ihren zwei Freundinnen, die mich lauthals auslachten. Das Trio kam als Baywatch-Clique. Alle drei trugen hautenge Badeanzüge, die schillernd rot leuchteten und viel zu knappe weiße Shorts. Die High Heels von Courtney waren so hoch, das mir allein beim Anblick schon das Fußgelenk schmerzte.

Fooling the Bad BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt