Kapitel 32 | Eine Nacht voller Kummer

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LAUT SCHRIE ICH AUF, als ich den Stein gegen das brüchige Fenster donnerte und es in seine Einzelteile zersprang. Glas splitterte, Scherben fielen zu Boden. Erneut holte ich unter Schmerzen aus, aber verfehlte das Fenster und traf stattdessen die Wand. Frustriert suchte ich mir einen neuen Stein und ein neues Fenster. Ich umrundete das Gebäude mit schleppenden Schritten und holte aus. Und traf. Die Glasscheibe platzte und fiel in sich zusammen.

Wieder bückte ich mich und hob einen Stein auf. Schmerz zuckte durch meinen Körper, als ich zu fest ausholte. Der Zusammenstoß des Steins mit dem Fenster war so hart, dass sich für einen Moment alles in dem zersplitterten Glas widerspiegelte. Meine leiblichen Eltern, wie sie dicht nebeneinandersaßen. Wie sie furchtbare Dinge zu mir sagten. Wie sie all meine Hoffnungen und Wünsche mit einem Schlag zertrümmerten.

Ich taumelte einen Schritt zurück und blickte in mein verwahrlostes Abbild, das sich in einer handgroßen Scherbe wiederspiegelte. Kajalspuren lagen auf meiner feuchten Wange, Strähnen klebten an meiner Stirn, Blutspuren bedeckten meinen ganzen Körper.

Mein Blick wanderte zu meinem aufgeschürften Knie, das meinen Strumpf rot gefärbt hatte. Augenblicklich erinnerte ich mich wieder an die unheimlichen Schmerzen, die mich eigentlich quälten und sank zu Boden.

Ich kauerte mich zusammen und blieb inmitten von abgebrochenen Ästen, Laub und Dreck sitzen. Denn hier gehörte ich hin. Ich war Abfall. Das hatte ich allein darin bewiesen, dass ich meinen Eltern das Herz gebrochen hatte. Und darin, dass ich Dale seit Wochen belog. In all den schlechten Taten, in all den Streichen, die ich mein Leben lang spielte, um mich besser zu fühlen, hatte ich das gezeigt.

Ich war nicht so wie andere, das hatte ich von Anfang an gewusst. Ich war das Böse, das danach lechzte sich durch das Leiden anderer gut zu fühlen. Meine leibliche Mutter hatte mit allem, was sie mir damals gesagt hatte, Recht gehabt.

»Bonnie«, sprach eine Stimme und ich zuckte zusammen.

Das war unmöglich. Hier konnte mich niemand finden. Dieser Ort. Fast kaum jemand wusste von ihm.

Ich wagte es nicht aufzusehen. Die Schritte wurden lauter und mit jedem Mal schneller. »Arian hat Zoe und Zoe hat mich angerufen«, sagte die Person, die Schuld an meinem ganzen Leid war. Alles hatte damit angefangen, dass ich mich geöffnet hatte. Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein und Dale sagen, was mich belastete? Wie konnte ich nur diesen furchtbaren Fehler begehen, einem Menschen meine Schwächen anzuvertrauen? Was hatte mich bloß dazu gebracht, jeden Schutz, den ich hatte, aufzugeben?

Ich schloss die Augen, als sich Dales warme Hand auf meine Schulter legte. »Ach, du scheiße. Was ist passiert?«, fragte er und ich konnte mir immer noch keinen Reim darauf machen, wie er mich gefunden hatte. Es musste das Blut gewesen sein. Jetzt nahm ich den metallischen Geruch immer stärker wahr. Er brannte wie Gift in meiner Nase.

»Bonnie«, sein Handdruck wurde fester.

Ich reagierte nicht. Ich wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Es würde mir das Herz brechen, seine Sorgen zu sehen. Denn ich hatte sie nicht verdient.

Er ließ mich los, aber statt ganz von mir zu lassen, spürte ich jetzt seine Hände an meinen Wangen. Das ließ meine Angst, meine Panik und all die Zweifel nur größer werden. Ich wollte nicht, dass mich jemand so sah. Vor allem nicht Dale.

»Bitte sieh mich an«, bat er mich mit ruhiger Stimme.

Ich musste mich zusammenreißen, seiner Bitte nicht nachzukommen. Wimmernd presste ich die Lippen zusammen und konnte nicht verhindern, dass gnadenlos weitere Tränen über meine Wange glitten. »Ich kann nicht«, weinte ich. »Bitte geh. Dale, lass mich bitte allein.«

Fooling the Bad BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt