Kapitel 27 | Du hast die Grenze überschritten

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IN DEM MOMENT, IN DEM SICH Ophelia Morgan bückte, um meinen Ausweis aufzuheben, wollte ich mich am liebsten in Luft auflösen und nie existiert haben. Ich war doch nur noch zwei Schritte von meinem Plan entfernt gewesen, Bonnie für immer zu verschwinden zu lassen, aber nun war es zu spät. Sie würde mich auf der Stelle erkennen und vor allen enttarnen. Das war's.

»Eine James-Madison«, brummte Ophelia, während sie meinen Ausweis aufhob, den ich als meinen Büchereiausweis wiedererkannte. Da es auf diesem kein Bild gab und ihr Finger auf meinem Namen lag, war das Einzige, was sie sah, das Logo unserer Schule. Geheiligt seien die Götter!

Für einen Moment hatte ich wieder Hoffnung. Sofort schnappte ich mir die Karte und steckte sie in meine Tasche. »Ein Problem damit?«

Ophelia verschränkte die Arme vor der Brust. »Nein«, erwiderte sie emotionslos, »wenn ich euch nicht über den Weg laufe, dann nicht.«

Ich hob die Augenbrauen. Jegliche Panik verflog und wurde auf der Stelle durch Wut ersetzt. »So ist das also«, gab ich brummend zurück, »dann geh mir lieber ganz schnell aus dem Weg.«

Ophelia hatte nicht damit erwartet, dass ich konterte. Für einen Moment war sie wie erstarrt. Den Moment nutzte ich und machte ganz schnell die Fliege.

Als ich an Dales Tisch ankam, aß er gerade seine vorletzte Pommes. »Da bist du ja endlich!«, staunte er.

Ich erinnerte mich wieder daran, dass ich absichtlich lange aufs Klo gehen wollte, um es extra-widerlich aussehen zu lassen. Schätze, dass ich das erreicht hatte.

Unschuldig setzte ich ein Lächeln auf die Lippen. »Tut mir leid, wenn ich zu viel esse, kriege ich Durchfall.«

Dale verzichtete auf seine letzte Pommes und schob sein Tablett zur Seite. »Schon gut. Sollen wir gehen?«

Ich warf einen flüchtigen Blick zu Ophelia und ihrer Truppe, die eine Hass-Tirade gegen unsere Schule anführten und nickte. Es war besser, wenn wir so schnell wie möglich von hier verschwanden.

»Ich brauche sowieso noch etwas vom Supermarkt nebenan«, fügte ich noch hinzu. Phase Zwei meines Drei-Punkte-Plans konnte beginnen.

* * *

Zehn Minuten später stand ich im Supermarkt und konnte mich nicht so recht entscheiden, ob ich einen Nasen- oder Ohrhaarentferner dringender brauchte. Vielleicht übertrieb ich, aber manche Leute brauchten sowas wirklich. Dad konnte bestimmt einen neuen gebrauchen. Er hatte zwar keine Haare auf dem Kopf, aber jede Menge in der Nase.

»Ach, du willst mich doch auf den Arm nehmen«, meinte Dale, als er neben mir zum Stehen kam, »Als ob du so viel Haare in der Nase hast, dass du einen Nasenhaarentferner brauchst!«

Ich presste die Lippen zusammen. »Du hast recht, ich brauche das nicht.« Ich stellte den Nasenhaarentferner zurück und nahm stattdessen den für die Ohren mit.

Ich konnte regelrecht spüren, wie Dale am liebsten an die Decke fliegen wollte. Er hielt sich so gut es ging zurück, aber immer, wenn ihm etwas nicht gefiel, dann brummte er leise. Und das hatte er heute oft getan.

Zufrieden schlenderte ich weiter. Nicht mehr lange und er hätte die Nase voll. Das funktionierte aber nur, wenn ich mich weiterhin so benahm.

Die nächsten zwanzig Minuten verbrachte ich damit, in der Schminkabteilung herumzustöbern. Anstatt die Tester wie alle Beauty-Gurus auf dem Arm ausprobieren, trug ich mir sie direkt auf die Lippen auf. Damit brachte ich Dale Stückchen für Stückchen immer mehr zur Verzweiflung. Irgendwann konnte er das Ganze nicht mehr ansehen und verschwand in eine andere Abteilung.

Fooling the Bad BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt