Kapitel 29 | Es war nicht nur ein Kuss

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ALS DALE VOR DEM HAUS der Stetsons hielt, fühlte ich mich wie der letzte Trümmerhaufen. Ich sollte ihm die Wahrheit sagen, das war ich ihm schuldig. Aber ich konnte nicht. Kein einziges Wort glitt über meine Lippen. Ich traute mich nicht. Ich hatte Angst vor seiner Reaktion, aber vor allem würde ich es nicht ertragen, dass er dann meine Schwachstellen kannte. Er würde wissen, wovor ich – Branwyn – mich fürchtete und allein dieser Gedanke reichte, um mich in absolute Panik zu versetzen.

»Danke«, presste ich also mühevoll hervor und beobachtete ihn dabei, wie er ausstieg und mir die Tür öffnete. Ich nahm meine letzte Kraft zusammen und drückte mich hoch, dabei bedacht, mir keine Schmerzen anmerken zu lassen.

Dale starrte mich einen Moment lang einfach nur an, dann trat er zur Seite. Aber er ließ mich nicht gehen, ohne noch etwas zu sagen. »Wenn irgendetwas ist, du weißt, du kannst immer mit mir sprechen.«

Ich verharrte auf der Stelle. So war es vielleicht bei so vielen Themen, aber nicht bei meinem fiesen Streich. Ich konnte mit ihm nicht darüber sprechen. Wenn ich das tat, würde er mich hassen. Dieser Gedanke war es, den ich einfach nicht ertragen konnte.

Ich nickte stumm und ging auf das Haus der Stetsons zu. Jeder Schritt war eine Qual und ich fragte mich, wie ich es überhaupt schaffte, aufrecht zu stehen.

Als ich klingelte, grölte der Motor von Dales Wagen auf und er fuhr brausend davon. Ich starrte seinem Auto nach und fühlte mich schuldig, so unfassbar schuldig.

Die Tür wurde geöffnet und ein überraschter Arian kam zum Vorschein. Seine Augen waren geweitet, dann verengte er sie zu Schlitzen. »Du hast gesagt, wir verbrennen die Perücke!«, fuhr er mich an und ließ den Blick an mir auf und ab wandern. »Was soll der Mist?«

Ich blickte in Arians grüne Augen und konnte nicht verhindern, wie der Schmerz sich an die Oberfläche riss. Mein Unterkiefer begann zu zittern, ich zog scharf die Luft ein. »Arian«, wimmerte ich und riss die Hände vor den Mund, als mir ein Schluchzer entwich, »ich habe Scheiße gebaut.«

Wie auf Kommando schossen Tränen aus meinen Augen. Ich hatte meinen besten Freund so oft belogen, das Fass war übergelaufen. Ich konnte nicht mehr. Vor allem nicht nach der Sache, die ich Dale heute Abend angetan hatte.

Sofort wandelte sich Arians Gesichtsausdruck von wütend zu besorgt. Ehe ich mich versah, zog er mich an sich und strich mir sanft über den Rücken. »Schon gut«, flüsterte er, »schon gut.«

Ich zitterte am ganzen Leib. Nichts war gut. Nicht im Geringsten. Arian wusste ja noch gar nicht, was ich angerichtet hatte.

Er nahm mich an der Hand und führte mich auf direktem Wege in sein Zimmer, wo er mich zu seinem Bett zog und gleich zwei Decken gab. Sekundenschnell begab er sich wieder ins Untergeschoss und kam mit einer Packung Taschentüchern und dem Abschminkzeug seiner Mutter wieder.

Ich hatte das gar nicht verdient, dachte ich verbittert und schmiegte mich in die warme Decke, die Arians vertrautem Geruch in sich hatte. Die Tränen strömten weiter über meine Wangen und ich fragte mich, ob es überhaupt möglich war, die Scheiße, die ich angerichtet hatte, irgendwie wieder geradezubiegen.

»Was ist passiert?«, fragte Arian und setzte sich zu mir. Er reichte mir ein Taschentuch, mit dem ich die Tränen aufwischen konnte. Sein Blick war unruhig, pure Besorgnis lag in seinen Augen.

Ich hielt das Taschentuch an meine Wange, ließ es dann aber wieder sinken. Stattdessen wanderte meine Hand zur Perücke. Ich riss sie mir gemeinsam mit dem Netz vom Kopf und ließ sie zu Boden fallen. Ich starrte das blonde Ding an und wusste gar nicht, wie ich in Worte fassen sollte, was ich angestellt hatte.

Fooling the Bad BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt