17 Die Fälle des Niag

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Ohne Unterlass und fast ohne je eine Pause einzulegen, drängten die Männer um Ortés vorwärts. Keiner schonte sich, alle spürten sie dieselbe Eile, welche sie vorwärtstrieb. Bald, nach nur wenigen Tagen, kamen sie in mildere Gefilde und die Flüsse tauten, sodass sie größere Wegstrecken mit den Kanus zurücklegen konnten als zuvor, da sich kein Eis mehr auf dem Wasser befand. Die Vegetation nahm zu und sie bewegten sich auf ein ausgedehntes Waldgebiet zu. Die Krieger der Inuis wurden bei dessen Anblick etwas unruhig. Sie sahen sich wachsam um, immer zum Sprung bereit.

„Was macht euch fürchten? Ist etwas in diesem Wald?"

Ortés saß hinter Ikul in dessen Kanu. Auch er sah sich wie die anderen um, obwohl er nicht wusste, nach was für einer Art der Bedrohung er Ausschau halten sollte. Die Bäume waren dicht an dicht und gaben den Blick in ihr Inneres nicht frei. Friedlich wirkte die Welt um sie herum, nicht bedrohlich, oder voll der Gefahr. Es wirkte wie die Wälder bei ihnen in ihrer Heimat und hatte nichts Bedrohliches für ihn.

„Es ist das Volk, das hier lebt, welches mir Furcht macht. Selten sieht man es, sie sind die Wächter des Waldes, und wie man sagt, sind sie halb Tier, halb Mensch. Wir müssen vorsichtig sein, sie dulden kein unerlaubtes Eindringen in ihr Territorium."

„Wäre es am besten, wir legen nicht an? Oder erlauben sie auch nicht, die Flüsse zu befahren?"

„Es kommt vor, das sie Flussreisende hindurchlassen. Wir sollten ganz still sein und wir müssen noch schneller paddeln."

Ortés nickte und sah hinüber zum anderen Kanu. Er bedeutete Hendelerio und Flôdev, schneller zu machen. Diese benötigten dafür keine Begründung, denn der Wald versprühte langsam eine beunruhigende Kraft, welche von ihm zunehmend ausging und sie alle nervös machte, als rückten langsam die Bäume auf sie zu. Der Wolfsmensch zog sich bis unter den Kanurand zusammen, halb versuchte er sich unter einer Decke zu verstecken. Ihindéen unternahm den Versuch, ihn immer wieder zu beruhigen, doch der Wald ängstigte ihn zu sehr.

„Sind sie wirklich halb Tier?"

Flôdev flüsterte aufgeregt zu Tinmi, der mit ihm im Boot saß. Dieser lehnte sich nach hinten, ohne zurückzusehen, um mit ihm sprechen zu können, ohne dabei das Ufer und das Wasser vor sich aus den Augen zu lassen.

„Es sind nur Sagen. Ich hörte von einem Mann, der sie wirklich sah. Er berichtete angeblich, dass sie mit den wilden Tieren des Waldes zusammen leben, deren Freunde sie sind. Als sei es ein Stamm. Ungewöhnlich!"

Flôdev sah sich suchend um.

„Dann müssten sie sich ja mit unserem Wolfsmenschen gut verstehen."

„Darauf würde ich nicht hoffen!"

Sie machten nicht halt. Einen ganzen Tag und die darauf folgende Nacht fuhren sie auf dem Fluss ohne Unterbrechung weiter. Doch sie alle waren müde und entkräftet, die Reise zerrte an ihren Kräften. Die Strapazen auf der Insel Juton und dieser weiteren Reise machten sich langsam aber stetig bemerkbar. Es wurde schon wieder Mittag des folgenden Tages, als vor ihnen, hinter einer Flussbiegung, eine ganze Schar Vögel plötzlich und unter lautem Geschrei auffuhr. Die Männer wurden langsamer und sahen sich alarmiert und mit größter Vorsicht um. Nur zögernd paddelten sie weiter.

„Was war das?"

Flôdev sprach zu Tinmi der wachsam in den Wald vor ihnen spähte.

„Ich kann nichts erkennen! Aber dort vor uns ist etwas, wir sollten lieber an Land gehen, als direkt darauf zu zufahren. Ikul, wir sind beinahe an den Ufern des See Niag, dort endet das Reich der Waldmenschen."

Ikul schüttelte vehement den Kopf.

„Nein, wir können es nicht riskieren, jetzt noch von ihnen gestoppt zu werden. Du weißt, sie pflegen keine Eindringlinge zu verschonen. Wir müssen auf dem Fluss bleiben!"

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