Ahrèn und seine Gruppe sah Adrién jedoch nur aus der Ferne. Sie ritten auf die Uhru Klamm zu, den einzigen Pass über die Gebirge des Laffass, in das östliche Land Ygg-Drasils, Gėillen.
Dieser Weg wurde jedoch, ob seiner Gefährlichkeit und des ganzjährigen Schneefalls, da er sehr hoch lag, innerhalb eines schwer zugänglichen Gebirgszuges, nur selten und von besonders mutigen und abenteuerlustigen Personen benutzt. Die Handelsbeziehungen mit dem Lande Gėillen vollzogen sich über den Seeweg, dies dauerte zwar länger, jedoch war es umso sicherer.
Um die Mittagszeit erreichten sie endlich die ersten Gebirgszüge. Von nun an wurde der Weg unwegsamer und steiniger. Sie mussten daher langsamer reiten. Gegen Abend hatten sie genügend Höhe erreicht, sodass sie an die Schneefall Grenze kamen, was je nach Jahreszeit höher oder tiefer geschah.
Die Reiter hielten, um ein Lager aufzuschlagen und sich besser einzupacken, da es rapide kälter wurde, der Wind umwehte sie mit eisigem Griff und zerrte an ihren Kräften. Nur Naréen benötigte scheinbar keine zusätzliche Kleidung. Sie stand am Rande des Felsvorsprunges, unter dem sie ihr Lager errichteten, und spähte aufmerksam nach oben, entlang des Weges, der sie in Richtung Uhru Klamm bringen würde.
„Es wird sehr viel Schnee fallen heute Nacht. Vielleicht werden wir ein paar Tage hier verweilen müssen."
Naréen neigte ihren Kopf in die Richtung, in der sich Ahrèn befand. Er sah auf und begab sich zu ihr und betrachtete ebenfalls die Berge.
„Nein, es ist noch passierbar. Wir reiten im Morgengrauen."
Er wandte sich wieder ab und setzte sich auf einen Felsvorsprung in der Nähe des auflodernden Lagerfeuers. Naréen drehte sich ärgerlich zu ihm um. Niemand missachtete bisher ihren Rat.
„Woher wollt ihr dies wissen? Vielleicht schafft es euer Pferd, aber das Pony des Bergbewohners wird überfordert sein."
Ihre Stimme steigerte sich. Sie war wütend, dass er über ihre Einschätzung hinweg ging. Solch Benehmen war sie weder gewöhnt, noch bereit zu erdulden, vor allem nicht bei einem halb menschlichen Mischling ihres Volkes.
„Mein Ross und ich folgen euch überall hin, Sir Ahrèn. Wie ihr sehen werdet, sind unsere Pferde widerstandsfähiger als es erscheinen mag."
Er funkelte die Hezeidéen gekränkt an. Die Bergmenschen waren eine stolze Rasse, gewohnt, wegen ihrer Statur unterschätzt zu werden, neigten sie zu Prahlereien.
„Es bleibt dabei, wir reiten im Morgengrauen. Es wird besser sein ihr schlaft und sammelt eure Kräfte für den morgigen Tag, als euch unnötig zu erregen."
Mit Nachdrücklichkeit sah er in die Richtung Naréens, sie wandte sich zornig ab und ging hinaus in den Schnee, bis man sie wegen des stärker werdenden Schneetreibens nicht mehr wahrnehmen konnte.
„Wohin will sie jetzt, bei diesem Wetter?"
Origenes blickte Ahrèn aufgebracht an. Er war aufgesprungen und wollte ihr nach, doch Ahrèn hielt ihn zurück.
„Sie führt etwas im Schilde, Sir Ahrèn. Ihr müsst vorsichtig sein, schon auf der Versammlung verhielten sich die Hezeidéen merkwürdig."
Ahrèn lehnte sich ruhig an den Felsen hinter ihm und sah in das Feuer.
„Sie sind anders, dies bedeutet nicht, dass sie Böse sind, oder verdächtigt ihr auch Meister Gåny?"
Er sah auf und blickte Origenes eindringlich an. Dieser reagierte aufgebracht.
„Was könnte ein Winzling wie er schon tun?"
Gåny zog sein Schwert und streckte es in Origenes Richtung.
„Wenn ihr es mit mir aufnehmen könnt, werde ich es euch schon zeigen, Sir Origenes."
Ahrèn erhob sich und trat zwischen die beiden.
„Beruhigt euch. Wir kämpfen nicht gegeneinander, sondern miteinander. Unser Feind ist irgendwo hinter diesen Bergen, ihm solltet ihr eure Energie widmen."
Gåny steckte missmutig sein Schwert wieder zurück und setzte sich grummelnd nieder. Origenes wandte sich verächtlich ab.
„Vergesst nicht, dass wir Verbündete sind, Sir Origenes. Denkt ihr nicht, dass die Hezeidéen ebenso viele Vorurteile euch gegenüber hegen?"
Origenes drehte sich zu Ahrèn um und stand nun direkt vor ihm.
„Ihr müsst es wissen, Sir Ahrèn. Ihr kennt doch beide Seiten, nicht wahr!"
Ahrèn musste sein aufkeimendes Gefühl der Wut unterdrücken. Gåny war wieder aufgestanden und hinter Ahrèn getreten, die Hand am Schwert. Origenes Blick war voll der Verachtung, die er ihm gegenüber hegte und die er nicht zu verbergen vermochte.
„Lasst ihn mich für euch Maßregeln, Sir Ahrèn. Es wäre mir ein Vergnügen sonder gleichen."
Ahrèn drehte sich um und hielt Gåny leicht zurück.
„Nein, er hat recht. Ich kenne beide Seiten, denn von beiden werde ich mit Verachtung gestraft, darin sind sie gleich. Ihr seht, eine solche Reaktion ist mir nicht fremd. Die Menschen hatten schon immer vor andersartigem Angst, selbst vor anderen Kulturen, uneingedenk dessen, dass wir alle vom selben Geschlecht abstammen. Menschen, egal wie sie aussehen. Wut würde diese Angst nur bestätigen und steigern."
Er wandte sich von den beiden ab, ohne Origenes weiter zu beachten, der sich nur mühsam im Zaum halten konnte. Wütend drehte er sich um, und trat nach einigen Steinen. Gåny setzte sich wieder, Origenes im Auge behaltend und Ahrèn trat an den Rand des Felsvorsprungs und sah nach draußen. Nicht unweit von ihm entfernt, konnte er Naréen im Schnee stehen sehen. Er hatte sehr gute Augen, wohl ein Erbe seiner Mutter, die dies ebenfalls konnte, wie ihm sein Vater einmal erzählt hatte. Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Als sie merkte, dass sie beobachtet wurde, drehte sie sich um und sah Ahrèn in die Augen. Er hielt ihrem Blick stand.
Eine Weile lang sahen sie sich an, dann wandte Ahrèn sich ab und setzte sich wieder auf den Felsen nahe dem Feuer. Er fragte sich, ob sie die Unterhaltung wohl gehört hatte. Wie ihm sein Vater erzählte, hatten die Hezeidéen ebenso gute Ohren wie Augen. Wohl durch einen Trank, den sie seit Kindertagen tranken und den auch seine Mutter seinem Vater gezeigt hatte und dieser hatte ihn später auch ihm gelehrt.
Sie kam wieder und setzte sich nahe dem Feuer auf den Boden. Sie legte die Beine über Kreuz und machte ihren Oberkörper gerade. Dann schloss sie die Augen und es war Ahrèn als vernehme er ganz leisen Gesang. Da keiner der anderen beiden darauf reagierte, blieb er ganz still und lauschte diesem Gesang. Wieder war es ihm, als kenne er die Worte, doch ergaben sie für ihn keinen Sinn. Origenes legte sich in den hinteren Teil der Höhle und schlief, mit dem Rücken abgewandt, da er noch immer schmollte. Auch Gåny legte sich nieder und schlief alsbald ein.
Ahrèn konnte nicht schlafen, trat an den Felsrand und sah wieder nach draußen. Naréen stand ebenfalls auf und stellte sich neben ihn. Lange blieben sie so stehen und sagten kein Wort.
Bis Naréen die Stille brach.
„Legt euch hin, ich werde Wache halten. Mein Volk benötigt nicht viel Schlaf."
Er nickte und ging zurück in die Höhle und legte sich schlafen.
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Lichtwelten
FantasyKann man etwas vergessen, das Lebenswichtig ist? Das Königreich Ygg-Drasil, welches von Unbekannten angegriffen wird, ist in Aufruhr. Der Aggressor muss gefunden und aufgehalten werden. Boten werden gesandt, um dem Einhalt zu gebieten, doch finden...