30 Ein scheinbarer Sieg

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Die aufgewühlte Menge des Volkes Ygg-Drasils stand vor den Mauern der Zitadelle. Unruhe war unter ihnen zu spüren. Hector stand auf der Mauer und blickte zu ihnen hinab. Aller Mut, der noch in ihm war, hatte er mobilisiert, obwohl er nicht wusste wie er dies vollbracht hatte und stand nun gestrafften Körpers vor ihnen. Einer ängstlichen Menge, die ihn erwartungsvoll anstarrte, hoffnungsvoll, da sie selbst nicht mehr wussten was sie denken sollten, fühlen sollten, hoffen sollten. Dieser Junge war alles, was ihnen geblieben war und nun sahen sie ihm mit Tränen in ihrem Blick entgegen und bangten um ihrer Selbst, ihr Heil.

„Menschen von Ygg-Drasil, hört mich an! Ja, unser König ist Tod, doch ist dies nicht das Ende. Ein neuer Herrscher wird kommen, schon wächst er im Leib seiner Mutter. Es ist nun unsere Aufgabe ihm seinen Thron zu sichern, halten wir fest zusammen, stehen wir wie ein Mann in vorderster Front und kämpfen wir für unsere Freiheit. Lasst euren Mut nicht sinken, Brüder und Schwestern Ygg-Drasils! Lasst uns diese Stadt für den Thronerben bereit halten, komme wer wolle. Wir werden Siegen!"

Die Menge unter ihm schrie ihm entgegen. Sie wollten ihm glauben, da ihnen in dieser Lage nichts anderes mehr geblieben war. Die Stadt quoll über, schon schliefen einige in provisorischen Zelten auf den vor Dreck stinkenden Straßen der Stadt. Die Wasservorräte gingen zu neige, auch die Nahrung war nicht annähernd ausreichend für eine solche Menge an Menschen. Doch gab ihnen dieser kindliche Heerführer Mut. Ein jeder wollte an ihren Sieg glauben, keiner wagte sich die Zukunft unter der Herrschaft der Röhm vorzustellen. Ein jeder verbannte diese Möglichkeit aus seinen Gedanken.

Hector wandte sich erschöpft mit den beiden Kriegern des Regis ab. Als sie außer Sichtweite der Menge waren, brach er zusammen. Sie stützten ihn und brachten ihn zurück in die Zitadelle. Seine Mutter erwartete ihn bereits und nahm ihn fürsorglich in empfang. Man legte ihn auf sein Bett und er schlief schnell und traumlos ein.

„Was sollen wir nur machen? Er ist zu jung für eine solche Bürde."

Die Herrin Elain saß an seinem Bett und strich ihm mit einem feuchten Tuch über die verschwitzte Stirn, die wie auch sein Gesicht, leicht gerötet war und erhitzt von der Anstrengung, die hinter ihm lag.

„In solchen Zeiten zählt das Alter nicht, Herrin. Er wurde dazu auserwählt dieses Amt zu bekleiden, so muss er es auch tun. Er wird es schaffen. Seht doch, er hat die Menge beruhigt, für den Moment ist sie wieder voller Hoffnung."

Sie wandte ihnen ihren Kopf zu, ihr Gesicht war voller Trauer und Schmerz.

„Doch wie lange wird dies so bleiben? Sollten die Heere der Röhm dieser Stadt heran rücken, werden sie in Panik ausbrechen. Wie soll er diese dann beruhigen?"

Der Krieger des Regis kniete vor ihr nieder und sprach mit ruhiger, gedämpfter Stimme.

„Das werden wir sehen, wenn es soweit ist, Herrin. Jetzt muss er wieder zu Kräften kommen, und zwar so schnell es geht. Er kann nicht zu lange trauern und seinen Irrtum beklagen."

„Irrtum?"

Elain sah sie verwirrt an.

„Velerion ist geflohen, heute Nacht. Euer Sohn vertraute ihm, hing sogar an ihm. Doch die Schlange hat ihn Verraten, wie sie schon zuvor den König verriet. Er war betroffen, als er es erfuhr und will es sogar jetzt noch nicht glauben."

Elain sah sie Bestürzt an. Dann wand sie sich wieder ihrem Sohn zu. Sie strich ihm weiter fürsorglich über die Stirn. Der Krieger erhob sich. Er hatte erreicht, was er wollte.

„Wie schrecklich! Es muss ihn so getroffen haben. Doch bedenkt, er ist erst vierzehn Jahre alt. Er hat noch nicht die Weisheit und Reife, Freund von Feind zu unterscheiden, wenn sie sich ihm nicht klar zu erkennen geben."

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