4 Tränen einer Königin

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Vinah stand geschützt hinter einem Vorhang und betrachtete die vorbeigehenden Würdenträger. Sie unterhielten sich noch immer stürmisch und erregt über die Versammlung des vergehenden Tages. Doch sie hätten sie wohlweislich auch nicht bemerkt, wäre sie direkt vor ihnen gestanden. Doch da sie ihre Unterhaltungen hören wollte, versteckte sie sich, da sich die meisten hohen Herren nicht in Gegenwart der Dienstboten offen äußerten.

„Der König hatte wirklich niemanden davon berichtet, dass er diesen Bastard als Führer mitschickt? Dies soll ich glauben? Und wozu diese Eile? Geillens Fürst ist doch bereits Tod, wozu noch nachsehen, ob sie Hilfe benötigen."

Erbost blickte Pelerilor seine Berater an, die neben ihm gingen. Seine Schritte waren hektisch, zeugten von der in ihm brodelnden, unbändigen Wut, die ihn so gefährlich für andere sein ließ. Seine Berater hielten sich ängstlich hinter ihm, immer auf Armeslänge Abstand haltend, da er oftmals in wütender Stimmung nach ihnen schlug.

„Nein, Herr. Selbst Sir Velerion, sein engster Berater, war völlig überrascht. Er hatte noch nicht einmal davon Kenntnis gehabt, dass er nach Sir Ahrèn geschickt hatte. Seit seiner Reise nach Klhee vergangenen Jahres, soll er sich zeitweise sehr wunderlich verhalten, Herr."

„Es ist eine Schande, Herr."

Die Berater des Fürsten von Tulim schüttelten alle verdrießlich den Kopf. Pelerilor machte eine wegwerfende Handbewegung und ächzte verächtlich.

„Er wird schon sehen, was er davon hat, seine engsten Berater zu übergehen. Wir werden ein solches Verhalten nicht dulden."

Sie verschwanden um die nächste Ecke, die Berater mit einem Gesichtsausdruck der vor ängstlicher Verzweiflung zeugte, denn was wollte ihr Herr, der Fürst der Ebene Tulim, gegen den Herrscher des ganzen Reiches Ygg-Drasil ausrichten? Sie wussten, selbst als Fürst des größten der Länder, würde der König immer noch nach seinen Vorstellungen handeln dürfen, ohne seinen Rat zu benötigen. Doch ihr Herr wurde in letzter Zeit eigensinnig, wütend und Macht gieriger denn je. Ein gefährliches Verhalten, nicht nur für ihn, auch für seine Berater. Schon keimte in ihnen das Verlangen, sich von ihm loszusagen, doch noch hatten sie keinen offensichtlichen Grund hierfür. Noch mussten sie warten und demütig seine Ausbrüche ertragen.

Vinah kam aus ihrem Versteck hervor und sah ihnen nachdenklich nach. Oft hielt sie sich dort versteckt, lauschte, um Dinge zu erfahren, welche nur im Geheimen stattfanden, verborgen vor den Ohren des Königs. Schon oft hatte sie auf diese Weise die allzu wortreichen Ausbrüche des Pelerilor vernommen, die sich, wie so oft, auch gegen den König richteten.

Von der anderen Seite hörte sie wieder sich schnelle Schritte nähern und so ging sie auf die Innenseite des Flurs und blickte geziemlich nach unten, wie es Sitte war für die Bediensteten des Palastes und schritt in die entgegengesetzte Richtung. Die Vorbeilaufenden bemerkten sie kaum. Laut schimpfend und wild gestikulierend gingen auch sie an ihr vorüber, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Es waren die Fürsten der Berge und des Sumpflandes, welche ebenso aufgebracht waren, wie der Fürst von Tulim, doch aus anderen Gründen. Sie waren immer widerwillig, dem Befehl anderer zu folgen, selbst dem des Königs. Diese Uneinigkeit des Landes drohte das Reich zu spalten, wie es schon Adrién vom Rest der Völker abgespalten hatte. Schnell begab sie sich in das nächste Stockwerk, die Gemächer der Königin von Ygg-Drasil, ihrer Herrin Lahrianna.

Sie war die Tochter des Regis, des Fürsten von Klhee. Seit über zehn Jahren war sie nun schon mit dem König verheiratet, doch noch immer herrschte eine unerklärliche Distanz zwischen Ihnen. Damals war diese Heirat im Interesse der Mehrheit, des Volkes, geschlossen worden, um die großen Fürstenhäuser des Landes zu vereinen und wieder Frieden zu bringen. Dies war ihnen geraten worden, und sie waren diesem Rat gefolgt. Nicht viele im Lande folgten noch dem Rat der Nornen, doch ihr Vater hatte sie eindringlich gebeten, dies für ihn zu tun. Lange hatte sie damals darüber nach gesonnen, Wochen, denn obwohl sie ihren Verlobten schon kannte und ihn schätzte, wusste sie, dass sie ungewiss heiraten würde. Ohne genaue Kenntnis des Mannes, mit dem sie ihr weiteres Leben teilen sollte. Auch kannte sie die Gründe nicht, warum sie dem folgen sollte. Niemand gab ihr bekannt, was die Nornen noch angezeigt hatten, doch wusste sie genau, dass dem Rat noch mehr gefolgt war. Als sie damals in langen Spaziergängen gegrübelt hatte, geweint und sich dagegen wehrte, kam ihre Kinderfrau zu ihr und erzählte ihr, dass schon ihre Mutter auf diese Art verheiratet worden war und sie wusste sicher, dass diese glücklich geworden war. So folgte sie dem, denn zwar lebte ihre Mutter seit langer Zeit nicht mehr, aber sie fühlte, wie sie hierdurch mit ihr sprach. Nicht vieles war ihr von ihrer Mutter geblieben, doch nun konnte sie dem Weg folgen, denn selbst sie schon gegangen war und sich ihr wieder näher fühlen.

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